Die Wechseljahre sind ein ganz besonderer Abschnitt im Leben einer Frau. Es beginnt ein neuer Lebenszyklus mit vielen körperlichen, psychischen und spirituellen Veränderungen, in denen die Frau eine veränderte Körperlichkeit und neue Aufgaben und Herausforderungen erfährt.

Dabei ist es kein Geheimnis, dass sich viele Frauen in diesem Prozess subjektiv entweder 20 Jahre jünger oder 10 Jahre älter fühlen, als es ihrem biologischen Alter entspricht. Dieses Phänomen führt dazu, dass jede Frau die Wechseljahre auf ganz unterschiedliche Weise erlebt: Die einen freuen sich auf diesen Lebensabschnitt, der auch neue Freiheit von familiären Verpflichtungen und lästigen Menstruationsblutungen bedeutet, die anderen leiden verstärkt unter Stimmungsschwankungen, Ängsten und körperlichen Symptomen des Älterwerdens.

Und tatsächlich treten die Problematiken der Menopause entsprechend der individuellen Konstitution in ganz unterschiedlicher Form und Heftigkeit auf. Während viele von Kapha dominierte Frauen außer etwas Gewichtszunahme und leichtem Nachtschweiß im Brustbereich gar nichts spüren, reagieren einige Vata- und Pitta-Frauen massiv mit heftigen Hitzewallungen, trockenen Schleimhäuten, Depressionen und Beschwerden des Bewegungsapparats oder neurologischen Systems auf den Ausnahmezustand, den Körper und Psyche für einige Jahre während der Menopause durchlaufen.

Von Sampurna zu Parihani – Die Frau im Zyklischen Wandel

Für jede Frau beginnt ab 40 ein grundlegender Wandel im Leben.
Aus ayurvedischer Sicht wird der Höhepunkt der von Pitta-Qualitäten geprägten Lebensmitte überschritten. Der als Sampurnara bezeichnete Lebensabschnitt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr ist eine äußerst aktive Zeit, in der die Frau körperlich sehr leistungsfähig ist und sich an einer strahlenden Kraft, Willensstärke und leidenschaftlicher Erfüllung erfreuen kann. Doch ab 40 Jahren beginnen bereits die ersten Prämenopausen-Anzeichen, welche Ayurveda als neue Lebensphase mit der Bezeichnung Parihani kennzeichnet. Das Vata steigt an und ein nicht aufhaltbarer Verlust an Stärke (Bala) und Körpergeweben (Dhatus) beginnt. Damit  verbundenen sind vermehrter Muskel- und Knochenabbau, nachlassende Libido sowie ein erhöhtes Risiko von gynäkologischen Erkrankungen.

Entsprechend der individuellen Konstitution und Lebensweise erlebt die Frau die Veränderungen der neuen Parihani-Lebensphase als mehr oder weniger einschneidend für ihr Wohlbefinden. Entscheidend ist dabei jedoch weniger der grundlegende Konstitutionstyp (Prakriti) als die persönliche Lebensweise mit entsprechender Störungsanfälligkeit (Vikriti). Dabei gilt: Je höher die Stressbelastungen, umso heftiger fallen die Wechseljahrproblematiken aus. Speziell die Doppelbelastung aus Beruf und Familie sowie ein Übermaß an fermentierten und erhitzenden Substanzen belasten die weibliche Gesundheit und führen zu einer Erhöhung von Vata und Pitta, was die Ursache der meisten Frauenleiden darstellt.

„Gelingt es der Frau hingegen, mithilfe einer vata-regulierenden Ernährung, Sport und emotionalem Ausgleich eine innere Balance zu finden, so erlebt sie den hormonellen Veränderungs- und Reifeprozess als bereichernde Erfahrung für ihre spirituelle Entwicklung.“

Denn laut Ayurveda birgt die verstärkte Vata-Qualität des Älterwerdens nicht nur eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit, sondern auch viele Chancen für die eigene Entwicklung. Mit dem vermehrten Anteil von Akasha (Äther) im weiblichen Dosha-Haushalt erfahren die kreativen, spirituellen und heilenden Kräfte der Frau ab 50 einen echten Aufschwung und schenken Einfühlungsvermögen, Intuition und charismatische Ausstrahlung. Damit erfährt die Frau auch eine neue Dimension der kosmischen Shakti-Energie, die ihrem Wesen zugrunde liegt.

Shiva und Shakti – im Gleichgewicht der kosmischen Energien

Um das ayurvedische Verständnis der Frau in all ihren Bedürfnissen, Lebensphasen und gesundheitlichen Belangen besser zu verstehen, ist es wichtig, den ganzheitlichen und philosophischen Kontext der traditionellen Ayurveda-Heilkunde mit einzubeziehen. Hier versteht Ayurveda die Frau als Repräsentantin der kreativen Kraft des Universums. Im weiblichen Körper manifestiert sich die Shakti-Energie, der alles Leben zugrunde liegt.

Um dies zu verstehen, sollten wir wissen, dass Ayurveda das gesamte Universum als eine kontinuierlich im Austausch befindliche Materie oder Energie betrachtet. Dabei repräsentiert das weibliche Reproduktionselement den Ausdruck von Energie bzw. Agni, das in seinem Wesen feurig ist. In der indischen Tradition wird deshalb das Weibliche auch als Shakti, nämlich die Energie selbst, bezeichnet. Es heißt, dass die männliche Urkraft Shiva sich nicht ohne Shakti bewegen kann.

Die Verantwortung, das Leben zu nähren und darzustellen, ist der Frau übertragen.
Demzufolge wurde der weibliche Körper geschaffen, um den wachsenden Fötus zu beherbergen, zu nähren und zu entbinden. Der männliche Körper hingegen ist dazu bestimmt, Soma bzw. das Wasserelement durch die Samenflüssigkeit zu verlieren, währenddessen der weibliche Körper durch die Menstruation Agni bzw. das Feuerelement verliert. Mit diesem Austausch gewinnt die männliche Persönlichkeit ihre Tatkraft und Stärke und die weibliche Persönlichkeit wird vom Wesen her weich und sanft. In diesem Sinne hat die intime Beziehung zwischen Mann und Frau nicht nur den Zweck der geschlechtlichen Reproduktion. Der Mann hilft, die männliche Energie in der Frau zu wecken, die Frau erweckt die weibliche Energie im Mann. So werden beide Persönlichkeiten ausgeglichen.

Während der Menopause der Frau und der Andropause des Mannes befindet sich dieser Austausch von Shiva und Shakti in einem umfassenden Transformationsprozess, welcher auch das Liebesleben beeinflusst. Damit ist die Frau oftmals nicht nur vor die Herausforderung gestellt, ihre körperlichen Veränderungen zu managen, sondern wird auch mit emotionalen Krisen und einer Neuorientierung in ihrem Beziehungs- und Sexualleben konfrontiert.
Um all dies zu meistern, können die praktischen Gesundheitstipps der ayurvedischen Frauenheilkunde helfen.

Praktische Tipps zur Behandlung von Beschwerden in den Wechseljahren

Alle Beschwerden, unter denen Frauen während der Wechseljahre leiden, wenn sich Menstruation und Fruchtbarkeit verabschieden, lassen sich auf zwei Ursachen zurückführen: Den körperlichen Störungen liegt eine Erhöhung von Vata und ein Abbau von Rasa-Dhatu (Nähressenz/Lymphe) zugrunde, die psychischen Störungen entstehen durch die Erhöhung von Rajas, was auch als Überaktivität des Geistes (Manas) bezeichnet werden kann.
Auf diese These aufbauend verfolgen die ayurvedischen Therapien folgende Strategie:

  • Vata und Pitta reduzieren
  • Dhatus nähren
  • Psyche stabilisieren
  • speziell die betroffenen Dhatus (Rasa, Knochen und Reproduktionsgewebe) regenerieren

Ursachen und Symptome von Beschwerden in den Wechseljahren

Zu viel Vata: führt zu Trockenheit, Osteoporose, mentaler Spannung, Schlafstörungen, häufigem und schmerzhaftem Urinieren, Vaginalstörungen.
Zu viel Pitta: führt zu Trockenheit, Hitzewallungen, Schwitzen, Gereiztheit, Schlafstörungen, brennendem Urin und einer Reduktion der Dhatus.
Zu viel Rajas: führt zu Vergesslichkeit, Schlafstörungen, Intoleranz, Reizbarkeit, Einsamkeit und Störung der mentalen Zirkulationskanäle (Mano Vaha Shrotas).

Ayurvedische Kräutermischung für jeden Konstitutionstyp während der Wechseljahre

½ TL Amalaki Churna • ½ TL Guduchi Churna • mit etwas Honig mischen
Nach dem Frühstück und Mittagessen einnehmen.

Eine gesunde und ausgleichende Ernährung ist das A und O zur Ausbalancierung des  körperlichen und mentalen Gleichgewichts. Gelingt es, den Alltag mit regelmäßigen Mahlzeiten aus primär süßen und bitteren Speisen zu strukturieren und frische Fruchtsäfte als vitalisierende Zwischenmahlzeit einzubauen, so erhält die weibliche Gesundheit eine gute Basis der inneren und äußeren Stabilität. Speziell Äpfel, Mango, Trauben, Granatapfel, Datteln, Karotten, grüner Spargel, Kürbis, Rosinen, Walnüsse und Mandeln wirken nun stärkend und verjüngend auf das innere Gleichgewicht ein. Als Gewürze sollten etwas getrockneter Ingwer, schwarzer Sesam, Bockshornkleesamen und Kardamom in keiner Mahlzeit fehlen.

Ergänzend zu den diätetischen Empfehlungen helfen neben regenerierenden ayurvedischen Kräutern (Rasayanas) sowie regelmäßigen Yoga– und Atemübungen im besonderen Maße die einfühlsamen „Frauengespräche“, welche gute Freundinnen miteinander teilen. Diese nähren die neue Shakti-Energie auf harmonische und direkt erlebbare Weise. Sie sind eine Investition in das eigene Wohlergehen, die sich alle Frauen miteinander für die persönliche Selbstentfaltung gönnen sollten.


Heft 58 – Just be happy!

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit dem Schwerpunkt Rheuma & Co.