In der Serie Ayurveda und Frauen haben wir uns in der letzten Ausgabe damit beschäftigt, wie wir unseren Körper nähren und stärken können. In dieser Ausgabe geht es um die mentale Balance und den Ausgleich von Aktivität und Ruhe im Alltag. Da im Ayurveda Körper und Geist miteinander korrespondieren, profitieren aber auch unsere mentalen Kräfte von einem ausgeruhten Körper und einer ausgewogenen, typgerechten Ernährung. Der Schlüssel zum Glück braucht aber mehr: frauengerechte Ruhephasen und Muße, Zeit für eigene Interessen und Raum für Familie und Freundinnen.
8-8-8 lautet die ayurvedische Work-Life-Formel
Laut der modernen Glücksforschung ist eine gesunde Work-Life-Balance der Garant für ein gesundes und zufriedenes Leben. Gelingt es uns, im Alltag genügend Zeit für Familie, Freunde und Hobbys zu finden und dies mit beruflichem Erfolg und persönlicher Selbstverwirklichung zu vereinen, so zählen wir zu der Elite von Glückseligen im modernen Lifestyle. Wie wir dieses Wunder an Gelassenheit und Zeitmanagement umsetzen können, verraten uns die führenden Erforscher des Glücks nicht. Doch Antworten darauf finden wir im alten Ayurveda-Wissen für ein gesundes und langes Leben.
Dynamisches Gleichgewicht
Ayurveda beschreibt Gesundheit als das dynamische Gleichgewicht der körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte. Für den Körper bedeutet das, dass wir immer für die Balance der drei Doshas Vata, Pitta und Kapha sorgen müssen, um uns vor Krankheiten zu schützen. Dies gelingt mit einfachen Tipps für eine typgerechte Ernährungs- und Lebensweise, welche individuell auf die Konstitution abgestimmt werden müssen. Die vitalisierenden Nahrungsmittel und verdauungsfördernden Gewürze stärken jedoch nicht nur die körperliche Belastungs- und Leistungsfähigkeit. Auch das Glück ist von einem gesunden Stoffwechsel abhängig – in diesem Punkt sich die alten Ayurveda-Ärzte und modernen Neurologen einig. Denn nur ein gesunder Darm und ein aktiver Zellaufbau können Glückshormone (Ojas) bilden. Und diese sind verantwortlich für unsere positive Ausstrahlung und Immunität. Um Ojas aufzubauen, benötigen wir frische, vitalstoffreiche Nahrung mit natürlich süßer Qualität, die wir auf liebevolle Weise schmackhaft zubereiten und in einer angenehmen Atmosphäre einnehmen.
Psychische Balance
Für die psychische Balance empfiehlt der Ayurveda ein ausgewogenes Verhältnis von mentaler Anspannung, Entspannung und Achtsamkeit. So wie unser körperliches Wohlergehen von den drei Doshas geprägt wird, so hängt unser emotionaler Zustand von der Ausprägung der drei mentalen Kräfte Sattva (Licht, Reinheit), Rajas (Aktivität, Handlung) und Tamas (Schwere, Trägheit) ab. Für eine gesunde Work-Life-Balance sollten wir die ayurvedische Glücksformel 8-8-8 anwenden:
- acht Stunden Schlaf und Nichtstun im geistig nicht aktiven Zustand (Tamas)
- acht Stunden Arbeit und zielgerichtete Anstrengungen im geistig aktiven Zustand (Rajas)
- acht Stunden „Zeit für mich selbst“, Familie und Hobbys im geistig achtsamen Zustand (Sattva)
Legen wir diese Schablone auf unser eigenes Alltagsmanagement, so stellen wir sehr schnell fest, dass wir weit entfernt von einer 8-8-8-Verteilung sind. Meist überwiegt das zeitliche Rajas-Volumen mit den täglichen Anstrengungen und Verpflichtungen bei weitem den ausgleichenden Sattva-Anteil mit den schönen und entspannenden Dingen des Lebens. Dieses Ungleichgewicht kostet uns jeden Tag einen hohen Preis! Je mehr der Lebensrhythmus von Stress und Freizeitmangel regiert wird, umso stärker ist der Verlust an Ojas, den vitalen Lebenskräften, die für unsere Glückshormone und Immunität verantwortlich sind.
Die Reaktion auf die mangelnde Work-Life-Balance fällt bei Männern und Frauen recht unterschiedlich aus: Während Männer eher zum reizbaren Workaholic mutieren, neigen Frauen zu depressiven Verstimmungen, Libidoverlust und erhöhter Krankheitsanfälligkeit. Um dem entgegenzuwirken, bietet der Ayurveda typgerechte und geschlechtsspezifische Lösungsansätze, die den Alltag mit mehr Gesundheit und Lebensfreude ausstatten.
Innere Kraftquellen entdecken
Das weibliche Energiesystem können wir uns laut Ayurveda wie eine Batterie vorstellen. Um neue Kraft aufzuladen, brauchen Frauen genügend Ruhe und Zeit für sich selbst. Ohne Druck, ohne Verpflichtung und ohne Anspruchshaltung gewinnen Frauen schnell wieder Zugang zu ihren inneren Kraftquellen, die sie mit neuer Lebenslust versorgen. Hilfreich dabei kann die fürsorgliche Zuwendung von weiblicher Gesellschaft sein. Mit einer guten Freundin lässt es sich oft besser entspannen und der Austausch von Gleichgesinnten harmonisiert die seelischen Kräfte. In diesem Sinne sollte jede Frau feste Rituale für ihr weibliches Gleichgewicht in den Tagesplan einbauen: von der sinnlichen Körperpflege über Yoga und Meditation bis zu einem gemütlichen Abend in der Hängematte oder beim Frauenstammtisch.
Eine weitere Unterstützung bieten spezielle Nahrungsmittel, Gewürze und Kräuter (Rasa-yanas) für Frauen, die den weiblichen Ojas-Haushalt stärken. Dazu zählen u. a. Milch, Mandeln, Rosinen, Safran, Kardamom, Shatavari und Amalaki, die in der ayurvedischen Frauenheilkunde gerne in Form wohlschmeckender Süßigkeiten verabreicht werden.
Das männliche Energiesystem vergleicht Ayurveda mit einem Dynamo. Körperliche Bewegung und positive Aktivitäten entlasten den männlichen Organismus und helfen, inneren Druck abzubauen. Während die Frau also im süßen Nichtstun ihre Batterie auflädt, gewinnt der Mann neue Energie durch dynamische Aktivität beim Sport oder „rumwerkeln“ in Haus, Garten oder Garage. Genau wie sich Frauen miteinander nähren, so verstärken auch Männer ihre Kraft durch gemeinsame Aktionen mit Freunden und Gleichgesinnten.
Mit der Begegnung der männlichen und weiblichen Energie klappt es am besten, wenn beide über ein balanciertes Energiesystem verfügen und sich harmonisch begegnen können. In diesem Sinne sollten wir die 8-8-8 gut einteilen, damit die „Zeit für mich selbst“ genügend Raum bietet für ausgleichende Rituale zur inneren Balance, Treffen mit FreundInnen und Erfüllung in Familie und Partnerschaft.
Heft 55 – Yoga & Ayurveda
Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit dem Schwerpunkt Yoga & Ayurveda.