Die Behandlung chronischer Erkrankungen stellt die medizinische Wissenschaft vor eine immense Herausforderung. Besonders Durchblutungsstörungen am Herzen, chronische Atemwegserkrankungen, Diabetes mellitus und Krebs sind heutzutage weltweit als Haupttodesursachen bekannt. Andere chronische Erkrankungen wie die der Gelenke, der Haut und des Verdauungstraktes stellen zwar meist keine Lebensbedrohung dar, schränken aber die Lebensqualität der Patienten stark ein, belasten das Gesundheitssystem und sind für den Ausfall vieler Arbeitsstunden verantwortlich.

Die moderne Schulmedizin weist großartige Errungenschaften bzgl. diagnostischer Technologie, Operationsverfahren und der Behandlung von akuten Infektionen sowie Notfällen auf. Bei vielen chronischen Erkrankungen sind die Erfolge allerdings nicht zufriedenstellend. Die Probleme im Umgang mit diesen Krankheiten schüren sogar den Vertrauensverlust der Patienten in das eigene Gesundheitssystem. Immer mehr Studien belegen, dass sich die Bevölkerung alternativen Heilmethoden zuwendet. In Anbetracht dieser Tatsachen gewinnen alternative Behandlungsmöglichkeiten chronischer Erkrankungen zunehmend an Bedeutung. Der Ayurveda ist ein ganzheitlich ausgerichtetes Gesundheitssystem, das von der WHO als traditionelle Medizin Indiens anerkannt ist.

Ziele des Ayurveda:

  • Prävention
  • Ganzheitliche Heilung
  • Bewusstseinsentfaltung

Der Ayurveda betont die ursachebezogene Behandlung, nimmt den Patienten in Diagnose und Therapie als Individuum wahr und bindet ihn eigenverantwortlich in den Gesundungsprozess ein. Prävention und Psychosomatik bilden tragende Säulen. Mit seinem breit gefächerten Therapiespektrum bildet er ein komplexes Naturheilkundesystem, in dem sich rationale, psychologische und selbst spirituelle Behandlungsformen zu einer wirkungsvollen Synthese vereinen. Im Gegensatz zur Schulmedizin liegt der Schwerpunkt in der Kombination einer Vielzahl von Heilansätzen und bewährt sich deshalb gerade bei chronischen Erkrankungen mit psychischer Komponente. Zudem trägt der Ayurveda so der Erwartungshaltung des modernen Patienten Rechnung, als ganzheitliches Wesen wahrgenommen zu werden.

Therapieansätze

1. rationaler Therapieansatz (yukti-vyapashraya-cikitsa)
2. psychotherapeutischer Ansatz (sattvavajaya)
3. spiritueller Ansatz (daiva-vyapashraya-cikitsa)

1. rationaler Therapieansatz

Der sog. rationale Therapieansatz des Ayurveda repräsentiert gängige naturheilkundliche Verfahren wie Ernährungs- und Ordnungstherapie, Pflanzenheilkunde, Manualtherapie und Entschlackungsverfahren. Diese naturwissenschaftlich erklärbaren Methoden zielen mehr auf die physischen Aspekte der Erkrankung ab. Allerdings werden sie entsprechend der diagnostischen Kriterien des Ayurveda (dosha, dhatu, agni etc.) und für jeden Patienten individuell (prakrti) eingesetzt. Im Rahmen des rationalen Ansatzes verfolgt der Ayurveda drei Grundstrategien:

Vermeiden der Ursache (nidana-parivarjana)

Die Ermittlung und Meidung der Ursache ist ein sehr wichtiger Aspekt bei der Behandlung jeder Krankheit. Bei vielen chronischen Erkrankungen kann Linderung und teilweise sogar Heilung erreicht werden, indem Aktivitäten und Lebensmittel vermieden werden, die ursächlich und förderlich für eine Erkrankung sind. Im Ayurveda finden sich sehr hilfreiche Beschreibungen über die Entstehung von Krankheiten. Z.B. kann eine aufreibende Krankheit wie ­Migräne nachhaltig positiv beeinflusst werden, indem auf saure und scharfe Nahrungsmittel verzichtet wird. Diese Nahrungsmittel aggravieren das vata- und pitta-Prinzip, die nach ayurvedischer Vorstellung verantwortlich sind für das Entstehen der Migräne.

Zudem sollten Emotionen gemieden bzw. ausgeglichen werden, die pitta und vata fördern, wie Aggressionen, Angst und Sorgen. Ähnlich verhält es sich mit bronchialem Asthma – einer Erkrankung, die laut Ayurveda durch das kapha- und vata-Prinzip verursacht wird. Der Verzicht auf kapha- und vata-fördernde Nahrungsmittel, also alle kalten Dinge, ist für Asthmapatienten sehr zuträglich. Diese einfache Empfehlung erweist sich in der Praxis sogar bei einigen Patienten als hilfreich, die regelmäßig Kortison und bronchenerweiternde Medikamente einnehmen müssen. Es lässt sich feststellen, dass sich dann der Bedarf an diesen schulmedizinischen Medikamenten reduziert.

Ausleitung (samshodhana)

Der Therapieansatz der Ausleitung oder „Entschlackung“ geht von der Grundvorstellung aus, dass sich im Laufe des Lebens schädliche Stoffe im Körper des Menschen ablagern und diesen in seinen Funktionen stören oder sogar Krankheiten hervorrufen. Unter diesen Stoffen sind Umwelt- und Genussgifte zu verstehen, die von außen dem Körper zugeführt werden, aber auch schädliche Substanzen, die im Stoffwechselgeschehen innerlich anfallen. Der Ayurveda spricht weiterhin davon, dass überschüssige Doshas aus dem Körper zu eliminieren sind, wenn sie nicht durch konventionelle Methoden ausgeglichen werden können. Ayurveda hat umfangreiche therapeutische Konzepte entwickelt, um Doshas und andere schädliche Faktoren dem gesamten Körper zu entziehen. Dabei werden diese Faktoren in einer vorbereitenden Phase durch die Zufuhr geeigneter Fettsubstanzen (snehana) aus den Geweben gelöst und durch erhitzende Maßnahmen (svedana) dem Verdauungskanal zugeführt.

Wichtige Therapiemethoden

  • individuumsbezogene Ernährungstherapie;
  • Ordnungstherapie (gesundheitserhaltende Routinemaßnahmen, Yoga-Bewegungstherapie, Lebensrhythmisierung);
  • Heilmittel pflanzlicher, tierischer und mineralischer Herkunft;
  • ausleitende Verfahren (klassische Entschlackungstherapien);
  • manualtherapeutische Verfahren (Massagen, Packungen, Dauerölanwendungen);
  • Harmonisierungsverfahren (Entspannung, Lebensberatung, Psychologie);
  • Bewusstseinsentfaltung (praktische Philosophie, Meditation)

Die so vorbereiteten „Schlacken“ werden dann mit Hilfe der klassischen Ausleitungsverfahren (wie verschiedene Einläufe, Abführtherapien und sogar therapeutisches Erbrechen) nachhaltig über den Verdauungstrakt eliminiert. Um die komplizierten Kopfstrukturen mit ihren Steuerorganen zu reinigen, werden spezielle Maßnahmen (nasya) eingesetzt, die über die Nasalöffnungen ausleiten. Zusammenfassend nennt der Ayurveda diese reinigenden Maßnahmen panca-karma.

Ausgleichen (samshamana)

Die konventionelle Therapie im Ayurveda heißt samshamana. Es handelt sich um ausgleichende Heilmaßnahmen, die angewendet werden, wenn der Patient entweder nicht schwer erkrankt oder für eine ausleitende Behandlung nicht geeignet ist. Auch im Anschluss an die ausleitenden Verfahren kommen sie zum Einsatz, um auf die „gereinigten“ Gewebe positive und regenerierende Heilimpulse auszuüben. Die konventionelle Behandlung besteht im Ayurveda aus gesunden Ernährungs- und Verhaltensgewohnheiten sowie Heilmitteln. All diese Verfahren werden auf die Erkrankung und den Patienten abgestimmt. Im Ayurveda werden hauptsächlich Pflanzen zu Heilmitteln verarbeitet, aber auch Minerale und tierische Produkte kommen zum Einsatz.

Laut Ayurveda hat alles, was eine Krankheit heilt ohne eine neue zu verursachen, medizinischen Wert und kann therapeutisch genutzt werden.

2. psychotherapeutischer Ansatz (sattvavajaya)

Die Psyche spielt eine wichtige Rolle sowohl bei der Verursachung, als auch bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen. Eine positive Geisteshaltung unterstützt die Genesung, während Negativität im Denken den Krankheitsverlauf beschleunigt. Sattvavajaya definiert sich im Ayurveda als Prozess, den Geist von schädlichen Haltungen zu lösen, d.h. von schädlichen Denkmustern, negativen Einstellungen, traumatischen Erinnerungen und falschen Entscheidungen. Besonders die Meditationspraxis und heilsame Denkansätze und Weltsichten auf der Grundlage der Yoga-Philosophie haben sich im Ayurveda zu diesem Zweck bewährt.

3. spiritueller Ansatz (daiva-vyapashraya-cikitsa)

Die Ayurveda-Medizin berücksichtigt nicht nur Körper und Psyche des Patienten, sondern auch subtile Aspekte. Selbst wenn die Methoden zur Behandlung dieser Aspekte auf der Grundlage naturwissenschaftlichen Denkens nicht rational erklärbar sind, so haben sie doch über die Jahrhunderte der Entwicklung der ayurvedischen Medizin positive Ergebnisse bei bestimmten Indikationen gezeitigt. Der Mensch ist ein komplexer Organismus. Er wird nicht nur von wahrnehmbaren Faktoren (z.B. klimatische Einflüsse, Erreger, Traumata, Umwelt- und Genussgifte) beeinflusst, sondern auch von verschiedenen nicht wahrnehmbaren Faktoren. Zu diesen zählt der Ayurveda den Einfluss von Planeten, aber auch sog. karmische Faktoren. Wissentlich oder unwissentlich begeht er Handlungen (Karma) gegen die Gesetze der Natur. Als Resultat solcher Handlungen leidet er an Erkrankungen, die nicht auf eine konventionelle Behandlung ansprechen. Bei diesen Zuständen erweist sich der spirituelle Ansatz des Ayurveda als sehr hilfreich. Er umfasst Mantra-Rezitation, Gebete und bestimmte Rituale, um den Glauben und spirituelle Gefühle zu intensivieren. Es ist schwer erklärbar, wie diese Vorgehensweisen bei der Behandlung von Erkrankungen helfen, aber Tatsache ist, dass sie in fast allen Kulturen seit Generationen praktiziert werden. Auch in der Moderne gibt es empirische Belege für ihre Wirksamkeit.   Im Jahre 1988 wurde von Dr. Randolph C. Byrd an der Universität von San Francisco eine Studie an Patienten mit Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße durchgeführt (aus: Douglass, W.C.: Second Opinion, Soundview Communications, Georgia 1991, S.7). In einer Versuchsreihe erforschte man die Wirkung von Bittgebeten bei dieser Erkrankung. Trotz gleicher klinischer Bedingungen und trotz eines standardisierten Behandlungsschemas beobachtete Dr. Byrd, dass in der Patientengruppe, die regelmäßig an den Gebeten teilnahm, weniger Komplikationen auftraten und die Dosierung der Mittel geringer gehalten werden konnte als bei der Vergleichsgruppe.

Fazit

Bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen hat sich die Kombination aller genannter Verfahren als effektiv erwiesen. Selbst wenn die Heilansätze einen altertümlichen Eindruck vermitteln, so zeitigen sie doch in der Praxis gute Ergebnisse und haben bei richtiger Anwendung geringe Nebenwirkungen. Bei fortgeschrittenen Erkrankungen bietet sich die Kombination von schulmedizinischen mit ayurvedischen Verfahren an. Wichtig ist, die jeweiligen Stärken und Grenzen eines Heilsystems zu kennen.

Einsatzgebiete

Bei folgenden Krankheiten hat sich der Einsatz von Ayurveda bewährt:

  • Chronische Erkrankungen, besonders Bewegungsapparat, Atemwege, Magendarmtrakt, Herzkreislaufsystem, Stoffwechselerkrankungen, Immunsystem, Gynäkologie (z.B. Asthma bronchiale, Hauterkrankungen, Diabetes, Rheuma, Gastritis, Colitis ulcerosa, chronische Hepatitis, Arthrosen, Bandscheibenleiden, Migräne, Bluthochdruck, Arteriosklerose etc.)
  • Psychosomatische Erkrankungen
  • Stressfolgen (Burn-out)
  • Befindlichkeitsstörungen ohne nachweisbaren Befund, Medical ­Wellness
  • Gesundheitsförderung und Prävention
  • Minimierung von Nebenwirkungen besonders bei invasiven Verfahren (wie chirurgische, radio- und chemotherapeutische Maßnahmen)
  • Geburtsvorbereitung
  • Altersheilkunde

Heft 12 – Heilung chronischer Krankheiten

Chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen entgegenwirken. Im Ayurveda Journal 12 erfahren Sie, wie durch eine angepaßte Ernährung, einer inneren Reinigung und einem aktiven Stoffwechsel den chronischen Beschwerden der Garaus gemacht wird.