Stahl, Strahl, Chemo – und was dann?

Eine begleitende Therapie kann bei schulmedizinischen Behandlungen helfen und postoperative Störungen nach Krebsoperationen lindern. Heilpraktiker und Autor Michael Rohrschneider schreibt über seine Erfahrungen.

Krebs – diese Diagnose erschüttert die Betroffenen und Angehörigen meist zutiefst, löst Ängste und nicht selten Gefühle wie Hilflosigkeit und Resignation aus. Es ist eine Erkrankung, die in Deutschland meist ausschließlich schulmedizinisch behandelt wird. Wenn es möglich und nötig ist, wird eine Operation zur Entfernung des Tumors vorgenommen und nachfolgend oder ersatzweise Strahlen- sowie Chemotherapie verordnet.

Doch viele Betroffene stellen sich die Frage, was folgt nach diesen Therapien? Gibt es unterstützende Behandlungen? Kann man die Nebenwirkungen abmildern? Auf diese und andere Fragen hat die Ayurvedische Medizin verschiedene Antworten.

In den alten ayurvedischen Schriften werden maligne, also bösartige Tumore, mit dem Begriff Arbuda bezeichnet. Das ist nicht der Sanskrit-Begriff für Tumor, sondern die Beschreibung verschiedener Syndrome (Anhäufung verschiedenster Symptome). Der Tumor ist ein Teil davon, also eines der Symptome, nicht die Erkrankung an sich. Die Entfernung eines Tumors ist häufig unumgänglich, wurde und wird auch im Ayurveda als notwendiger Teil der Therapie angesehen.

Chirurgische Eingriffe

Eine Operation steht meist am Anfang der Behandlung. Um sich von einem solchen Eingriff möglichst schnell erholen zu können, sind verschiedenste ayurvedische präventive Maßnahmen möglich. Im Vordergrund steht die Stärkung des Immunsystems, die Entschlackung des Körpers und eine mentale Vorbereitung auf die Operation. Kein Arzt der Welt kann eine Wunde heilen, das machen körpereigene Gewebe und Substanzen. Bestmöglichste Körperfunktionen, ein intaktes Immunsystem und ein klarer positiv gestimmter Geist steuern ihren Teil dazu bei. Als fördernde Maßnahmen hierfür kommen sowohl manuelle Behandlungen wie Ölmassagen, Ölgüsse, die Panchakarma-Reinigungskur als auch pflanzliche Stärkungs- und Entschlackungsmittel, Meditation, Yoga, Atemübungen und das ayurvedisch-psychologische Gespräch in Frage.

Natürlich werden alle möglichen Maßnahmen auf die jeweilige geistige und körperliche Verfassung des Patienten als auch auf die Erkrankung individuell abgestimmt. Allgemein gehaltene Empfehlungen machen wenig Sinn, da eine Ganzkörper-Ölmassage (Abhyanga) für den einen Patientin hilfreich, für den anderen aber durchaus auch schädlich sein kann.

Operationen sind immer belastend für Organismus und die Psyche. Bei noch so verbesserten Narkosemitteln und Praktiken sind nicht selten postoperative Schlaf sowie Verdauungsstörungen, Ängste, anhaltende Mattigkeit und andere Nebenwirkungen zu beobachten. Nach Abheilung der Operationswunden und einer angemessenen Regeneration können die erwähnten ayurvedischen Behandlungen postoperative Störungen minimieren oder verhindern. In der postoperativen Ayurveda Therapie sind die genannten Behandlungen angezeigt und können mit Rasayana, einer Optimierung der Organ- und Gewebefunktionen, abgeschlossen werden.

So besteht beispielsweise bei Krebs im Unterleib, der über die Lymphbahnen streuen kann (Metastasen bilden), die Gefahr, genau dieses durch Anregung des Lymphflusses durch eine Ölmassage zu provozieren.

Chemotherapie

Der Schrecken einer Chemotherapie geht in erster Linie von den häufig schweren Nebenwirkungen aus. Bei einer Chemotherapie dreht es sich simpel ausgedrückt um eine dosierte, gezielte Vergiftung des Organismus, um Tumorzellen zu zerstören.

Die Nebenwirkungen sind sehr unterschiedlich. Haarausfall, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Durchfälle sind neben der allgemein auftretenden Suppression des Immunsystems die häufigsten. Entscheidend für die vorbereitende oder begleitende ayurvedische Therapie ist selbstverständlich, welche Art von Chemotherapie durchgeführt wird. Je nachdem können pflanzliche Abkochungen, Kräutertabletten oder Pulver, Ölmassagen, Kräuterwickel oder auch mediziniertes Ghee, die Nebenwirkungen mildern und die Regeneration merklich beschleunigen. Häufig haben die Patienten schon bei dem Gedanken an einer zusätzlichen, begleitenden Therapie Angst, überfordert zu sein. Doch die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Chemotherapie so insgesamt besser vertragen wird, ohne die Wirkung zu mindern.

Strahlentherapie

Bei einer Strahlentherapie treten häufig Überhitzungen oder sogar Verbrennungen des bestrahlten Gewebes auf. Schmerzen, Rötung und Brennen sind nicht selten zu beobachten, manchmal noch Monate oder sogar Jahre nach der Krebstherapie. Schon während der Strahlentherapie kann das Gewebe durch das Cremen von zum Beispiel Sandelholzpasten oder mediziniertem Ghee gekühlt werden. Diese können direkt aufgetragen oder als Lepa (Wickel) aufgelegt werden. Auch örtliche sanfte Massagen mit Pitta reduzierenden Ölen, wie Chandana Tailam, haben eine lindernde Wirkung. Bitte keine ätherischen Öle verwenden, da diese hautreizend wirken können.

Nach Beendigung der Strahlentherapie können diese Einreibungen oder Wickel bis zur Beschwerdefreiheit fortgeführt werden. Eine weitere Möglichkeit wäre ein örtlicher Takradhara, ein kühlender Guss mit einem Sud aus Buttermilch verkocht mit kühlenden Pflanzenpulvern. Nach der Strahlentherapie kann eine Ausleitung über den Darm (Virechena) den Körper von überschüssiger Hitze (Pitta) befreien.

Panchakarma bei Krebs

Ist der Patient kräftig genug, kann eine gründliche Reinigung durch eine Panchakarma-Behandlung sowohl vor als auch nach schulmedizinischen Behandlungen das Mittel der Wahl sein.

Wie die Panchakarma-Therapie aufgebaut ist, hängt in erster Linie vom Umfang der Erkrankung, der betroffenen Organe und Gewebe, Lokalisation und Art des Tumors ab. Natürlich auch von der körperlichen, psychischen Verfassung des Patienten, und ob sich um eine prä- oder postoperative Maßnahme handelt. Bei sehr geschwächten Patienten sollten ausschließlich stärkende Behandlungen (Brhimana) vorgenommen werden, zum Beispiel Pinda sveda (Ganzkörperbehandlung mit Reis/ Kräutersäckchen); Pizhichil (warmer Ölguß). Dies muss jedoch von Fall zu Fall vom Therapeuten in Absprache mit dem Patienten entschieden werden.

Panchakarma vor chirurgischen Eingriffen, abgesprochen mit dem behandelnden Arzt, kann Gewebe- und Organfunktionen optimieren, den Organismus von Schlacken entlasten, die Doshas ins Gleichgewicht bringen und die Körperkanäle (Srotamsi) reinigen, die Verdauungskraft (Agni) stärken – und somit die Heilungskräfte. Die Wundheilung und Regeneration werden beschleunigt, Nebenwirkungen vermindert oder besser kompensiert. Das allgemein verbesserte Wohlbefinden lässt den Patienten positiver in die nachfolgenden Behandlungen gehen.

Panchakarma nach einer schulmedizinischen Krebstherapie entgiftet den Körper, optimiert Körperfunktionen und hellt die Psyche auf. Bei mir in der Praxis ist die Reinigungskur die meist gewählte Form der ayurvedischen Begleittherapie. Das mag mit dem Schock über die Diagnose Krebs zusammenhängen, die aufwendigen Untersuchungen und das häufig notwendige schnelle Eingreifen von Seiten der Ärzte, das den Patienten voll in Anspruch nimmt – und nicht selten überfordern. Nach den schulmedizinischen Behandlungen kehrt dann meist etwas Ruhe ein und die Frage, was kann ich noch machen, stellt sich.

Metastasen und Rezidive

Aus der Sicht des Ayurveda ist der Tumor ein Symptom, nicht die Krankheit an sich. Das Auftreten von Metastasen, Rezidiven und Sekundärtumore zeigen, dass die eigentliche Ursache nicht beseitigt worden ist.

Äußerst wichtig zur Vermeidung von Neu- oder Folgeerkrankungen sind:

  • eine gesunde, der Konstitution entsprechende Lebensführung und Ernährung
  • die Vermeidung von krankmachenden Faktoren, Substanzen und Verhaltensweisen wie Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum
  • ein intaktes leistungsfähiges Immunsystempositives Gedanken
  • gutemotionale Akzeptanz
  • eine gesunde psychische Eigenregulation

Ernährung

Hinweis: Die Auflistung stellt nicht die ausschließliche Ernährung dar, sondern zeigt die Extreme zwischen dem Ideal und dem zu Vermeidenden.

Ideale Nahrungsmittel

  • Viel frisches, gekochtes Gemüse
  • Vollkornreis oder roter Reis
  • Buttermilch
  • Das Trinken warmen Wassers unterstützt die reinigende Wirkung der Kräuterpräparate und vermindert Ama. Das Wasser sollte mindestens 10 Minuten gekocht sein und heiß getrunken werden.
  • Einen Teelöffel Ghee in das warme Essen verbessert die Verdauung.
  • Gerstenwasser: Gerste, Vollkorn oder Flocken in Wasser kochen und trinken.
  • Frischer Traubensaft

Nahrungsmittel, die vermieden werden sollten

  • Milchprodukte außer Buttermilch
  • Früchte und schwer verdauliche Nahrung
  • Fleisch und Fisch
  • Saure Speisen
  • Stärkehaltige Nahrung (z.B. Kartoffeln)

Ayurvedische Psychologie

Eine psychologische Betreuung sollte bei allen Patienten mit einer Erkrankung an Krebs zum Therapiekonzept gehören. Die ayurvedische Psychologie beschränkt sich nicht auf die Psyche des Menschen, sondern sieht ähnlich wie in der Transpersonalen Psychologie den Menschen auch als geistig, spirituelles Wesen. Der Mensch ist Seele – oder Bewusstsein -, unberührt von Geburt, Tod und Krankheit. Ziel ist es, Vertrauen in Körper und Emotionen zu gewinnen, den Geist verstehen lernen, Ängste zu überwinden und neue Perspektiven zu gewinnen.

Was hat an meinem Leben nicht gestimmt? Was sollte ich ändern? Wie finde ich den Mut dazu? Wie kann ich meine Ängste überwinden? Kein Therapeut kann Ihnen darauf die Antworten geben, aber er kann Ihnen helfen sie zu finden. Moderne Therapien wie das „Focusing“ oder die „nichtdirektive patientenorientierte Gesprächstherapie nach Rogers“ sind in ähnlicher Form von jeher in der ayurvedischen Psychologie zu finden.

Ayurveda und Misteltherapie

In den vergangenen 15 Jahren hat sich in meiner Praxis die Kombination vom Ayurveda mit der aus der anthroposophischen Medizin stammenden Misteltherapie bewährt. Ebenso wie die ayurvedischen Behandlungen kann auch die Misteltherapie im Nachhinein oder auch komplett begleitend durchgeführt werden. Die Injektionslösungen sind aus der Mistel, einer Schmarotzerpflanze, auf verschiedenen Wirtsbäumen, hergestellt. Je nach Erkrankung werden die Präparate verschiedener Wirtsbäume verwendet. Es werden verschiedene Lösungsstärken in bestimmter Reihenfolge verabreicht. Auch nach Abschluss der ayurvedischen Behandlung kann die Misteltherapie in bestimmten Behandlungsintervallen weitergeführt werden.

Mein persönliches Fallbeispiel

Patient: weiblich, 52 Jahre alt, aggressiver kleinzelliger, inoperabler Lungentumor, (Überlebensrate nach fünf Jahren zirka zehn Prozent Quelle), sechs Chemotherapien, Strahlentherapie. Die Patientin fühlt sich noch sechs Monate nach den Behandlungen schwach und müde. Sie findet nicht ins Leben zurück, leidet unter Schlafstörungen und Gewichtsverlust.

Ayurvedische Therapie: Wegen der Schwäche wird auf eine Ausleitung verzichtet. An sieben Tagen erhält sie einen Ölstirnguss (Shirodhara), 14 Tage Ganzkörperölmassage (Abhyanga), einen Monat zweimal in der Woche einen Öleinlauf (Basti), Atemübungen (Pranayama), Therapeutische Gespräche, Umstellung auf vegetarische, gekochte Frischkost. Einnahme verschiedener ayurvedischer Präparate für sechs Wochen bis drei Monate. Nach sechs Wochen konnte ich einen stark verbesserten Allgemeinzustand feststellen. Bis heute, 10 Jahre nach der Erkrankung, ist die Patientin ohne Rezidiv und wohlauf.
Hinweis: Lassen Sie eine ayurvedische Vorbereitung auf eine Krebsbehandlung oder deren Unterstützung und Begleitung nur von einem Arzt oder Heilpraktiker mit ayurvedischer Ausbildung durchführen.

Ayurveda bietet unterschiedliche, individuelle Behandlungskonzepte, die bei Krebserkrankungen eine sinnvolle Ergänzung zu schulmedizinischen Behandlungen sind. 15 Jahre Erfahrungen in meiner Praxis mit der Therapiekombination Schulmedizin / Ayurveda sind durchweg als positiv zu bezeichnen. Ayurveda, die Wissenschaft vom Leben, kann durchaus helfen, die schwere Zeit einer Behandlung von Krebs besser zu überstehen und die Chancen auf eine Genesung zu verbessern.

Dieser Artikel stellt kein Heilversprechen dar.


Heft 36 – Krebsprävention

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