Im Ayurveda wird Gesundheit als das dynamische Gleichgewicht aller im Körper innewohnenden Kräfte betrachtet. Die Kunst der ayurvedischen Heil und Lebenskunde besteht darin, die natürlichen Schwankungen und unnatürlichen Belastungen unseres Energiesystems immer wieder auszugleichen und zu harmonisieren.

In den unterschiedlichen Lebensphasen stellt die Pubertät eine der natürlichen „Krisenzeiten“ für Körper und Psyche dar. In ihr unterliegt der Organismus einem starken Ungleichgewicht, das durch einen übermäßigen Pitta-Schub verursacht wird. Mit immenser Kraft entfaltet sich das Feuer-Element in dem heranwachsenden Menschen und beeinflusst seine Erscheinung, Charakterausprägung, das Hormonsystem, den Stoffwechsel und die täglichen Verhaltensformen.

Pubertät – Zeit der Transformation

So wird die Pubertät aus ayurvedischer Sicht auch als Zeit der Transformation betrachtet. Das Feuer verbrennt übermäßige Kapha-Anteile der Kindheit (Bala) und entfaltet seine aufbauende Kraft, um den Heranwachsenden auf das Leben vorzubereiten. Die Dosha-Dominanz wird nun von Pitta und Kapha geprägt und die positiven Pittaeigenschaften von Charakterstärke, Mut, Zielstrebigkeit, Intelligenz, Fleiß und Erfolgsstreben können sich ausformen.

Dass der Wandlungsprozess während der Pubertät von unterschiedlichen Phasen geprägt ist, die zum Teil auch von überschießenden und sich negativ ausdrückenden Pitta-Reaktionen geprägt sein kann, können wir bestätigen, wenn wir mit pubertierenden Jugendlichen in engem Kontakt stehen. Sowohl geplagte Eltern und gestresste Lehrer als auch die Jugendlichen selbst leiden oftmals unter dem hitzigen Gemüt, dem uneinsichtigen Trotz und der überschäumenden Feuerkraft, die sich auch in Form von Aggression, Zerstörungswut und dem starken Drang nach Anerkennung, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung äußern kann.

Um das dynamische Gleichgewicht der Körperkräfte zu fördern, ist es aus Sicht des Ayurveda äußerst wichtig, in der Pubertät den körperlichen Reinigungsprozess zu unterstützen, und die psychische Wirkung der Pittadominanz ausgleichend zu begleiten.

Beschwerden in der Pubertät

Typische Beschwerden des pubertierenden Körpers sind Hautunreinheiten, Hormonschwankungen, starkes Schwitzen und unangenehme Körperausdünstungen. Wie stark diese typischen Pitta-Beschwerden zum Ausdruck kommen, hängt von der individuellen Konstitution des Einzelnen ab. So leiden zum Beispiel Pitta- oder Kapha-Konstitutionen während der Pubertät oftmals unter stärkerem Aknebefall der Haut, als eine Vata-Konstitution, da eine von Natur aus dominierte Pitta-Konstitution besonders schnell mit Hautreizungen, Rötungen und Entzündungen reagiert. Je mehr Kapha oder Ama sich zusätzlich im Organismus befindet, umso stärker ist die Haut mit den typischen Symptomen der Jugendakne betroffen (entzündete und mit weißem Talg gefüllte Pusteln).

Unter Hormonschwankungen leiden vor allem Pitta- und Vata-Konstitutionen. Die entwicklungsbedingten Einwirkungen auf den Stoffwechsel, die sexuellen Bedürfnisse und Ausprägungen und die ständig wechselnden Gefühlsschwankungen beinträchtigen auf empfindliche Weise das körperliche und emotionale Wohlbefinden.

Als ayurvedischer Ausgleich der typischen Pitta-Beschwerden in der Pubertät helfen im allgemeinen der Genuss von kühlenden Speisen und Getränken, natürlich süße und bittere Gemüse, regelmäßige sportliche Betätigung und unterstützende Kräuter zur Reinigung.

Mindestens genauso wichtig ist es, die psychischen Auswirkungen der Pubertät ganzheitlich zu begleiten. Der rasante Zugewinn von Tejas (Feuer) im Körper bewirkt einen übermäßigen Rajas-Einfluß (aktive Kraft der geistigen Konstitution – Manas-Prakriti), der einer bewussten Führung bedarf, um den Betreffenden nicht zu verbrennen.

In der nun dominierenden Pitta-Vikriti (Pitta-Störung) reagieren die Jugendlichen sehr labil auf die negativen Einflüsse der Umwelt, Gesellschaft und eigenen Charakterprägungen. Die auflodernden Wünsche nach Anerkennung, Unabhängigkeit und sexueller Leidenschaft sind nicht leicht zu bewältigen und bieten einen optimalen Boden, um sich in typischen Krankheitsbildern mit psychischen Indikationen zu äußern: Essstörungen (Anorexie, Bulimie), Aggressionen, Anfälligkeit für Drogen und Depressionen. All dies entsteht aus der Überforderung, die starken, selbstzerstörerischen „Feuer-Dämonen“ richtig zu lenken und zu transformieren.

Dem Pitta Raum gewähren

Für die Entwicklung einer ausgeglichenen und selbstbewussten Persönlichkeit ist es förderlich, einen Raum zur freien Entwicklung zu schaffen. Stehen die Jugendlichen zu stark unter Leistungs- und Gesellschaftsdruck, so befreit sich die unterdrückte Pitta-Energie durch Rebellion und Zerstörung. Werden allerdings Angebote und Möglichkeiten geschaffen, in eigener Verantwortung und freier Wahl positive Ausdrucksformen zu wählen (wie sportliche Leistungen, intensive Hobbys, soziales Engagement u.a.) können sich die Doshas auf harmonische Weise ausdrücken und selbst regulieren.

Selbst wenn dadurch für ein oder zwei Jahre die Leistungsansprüche der Eltern und Gesellschaft nicht befriedigt werden (und die Jugendlichen in dieser Zeit z.B. in der Schule versagen), so ist es eine sinnvolle Investition in eine harmonische Persönlichkeitsentwicklung und erfolgreiche Zukunft. Haben Jugendliche während der Pubertät keine Möglichkeiten, den strengen Regeln und Maßstäben ihrer Umwelt zu entrinnen, so geraten Sie in Gefahr negativ-motivierter Verhaltensformen oder einem „Nachholen“ der natürlichen Entwicklungsphase im Erwachsenenalter. Das kann sich als sehr viel schwieriger und teurer erweisen.

Ayurvedische Ernährung bei Hautunreinheiten

Praktische Empfehlungen für die Haut, den Stoffwechsel und den Reinigungsprozess in der Pubertät:
Der Ayurveda empfiehlt alle bitteren Gemüse und natürlich süßen Getreide, Früchte und Gemüse zu bevorzugen. Besonders gut sind grüne Blattgemüse (Mangold, Spinat, Chicorée), Artischocken, grüner Spargel, Rote Beete, Gerste, alter Weizen, Mango, Papaya, Melone und süße Äpfel.

  • Alle sauren Speisen meiden. Milchprodukte (Käse, Joghurt), Zitrusfrüchte, saure Beeren, Tomaten und Essig blockieren die Shrotas und fördern Hautbeschwerden.
  • Alle scharfen Speisen meiden (Chili, Pfeffer, Knoblauch, Senf)
  • Täglich 1 TL Ghee mit der Nahrung einnehmen
  • Täglich 1/2 TL Kurkuma (z.B. in warmer Milch oder Wasser) einnehmen

Ayurveda Empfehlungen für gestresste Eltern und Lehrer

Der Umgang mit pubertierenden Jugendlichen ist anstrengend und nervenaufreibend. Um die dadurch entstehenden Vata-Beschwerden auszugleichen, können Sie Folgendes tun:

  • Stärken Sie Ihr körperliches Wohlbefinden mit regelmäßigen Ölbädern und Ölmassagen
  • Gehen Sie nicht zu spät schlafen (vor Mitternacht) und trinken Sie am Abend eine Tasse warme Milch mit Kardamom, Safran, Muskat und Honig
  • Essen Sie regelmäßig Mandeln, Cashewnüsse, Rosinen, getrocknete Aprikosen und Datteln als Rasayana-Nervennahrung
  • Bevorzugen Sie ausgleichende Kräuter und Gewürze wie Dill, Basilikum, Koriander, Fenchel, Kreuzkümmel, Muskat, Ajwain und Ingwer.
  • Lassen Sie sich von den Pubertierenden nicht reizen oder zum Streit herausfordern. Die Natur von Pitta (Pubertät) ist es, immer gewinnen und Recht behalten zu wollen. Versuchen Sie, direkte Konfrontation in der Auseinandersetzung zu vermeiden und reden Sie „vernünftig“, wenn die Aggression des Pittas verraucht ist.

Nehmen Sie die Jugendlichen in ihren Bedürfnissen ernst. Pitta zeigt sich von seiner guten „erwachsenen“ Seite, wenn es mit Verantwortung und Vertrauen anerkannt wird.


Heft 06 – Kindheit und Pubertät

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