Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen einer Diät, die auf Trennung beruht, und der ganzheitlichen Ernährungslehre des Ayurveda? Wer sich auf die Suche nach einer geeigneten Diät beziehungsweise Ernährungsform begibt, stößt unweigerlich auch auf den Begriff „Trennkost”. Das 1907 entwickelte Trennkost-Prinzip geht auf den New Yorker Arzt Dr. William Howard Hay zurück, der aufgrund seiner eigenen, scheinbar unheilbaren Nierenerkrankung nach einer Ernährungsform suchte, die seinen Gesundheitszustand verbessern sollte.

Seine Studien über die unterschiedlichsten Ernährungsgewohnheiten zahlreicher Naturvölker zeigten Dr. Hay die große Diskrepanz zwischen der ursprünglich natürlichen Ernährung und der modernen Kostform innerhalb der zivilisierten Gesellschaft. Aufgrund dieser Beobachtungen stellte Dr. Hay seine gesamte Lebensführung um und ernährte sich fortan nur noch von reinen, naturbelassenen Produkten. Dabei nahm er nur so viel zu sich, wie sein Körper brauchte.

Trennkost: Eiweiß und Kohlenhydrate gehören nicht zusammen!

Innerhalb seiner neuen Ernährungsform trennte er stark eiweißhaltige und kohlenhydratlastige Lebensmittel, d.h. er nahm diese beiden Makronährstoffe nicht gleichzeitig in einer Mahlzeit zu sich. Trotz der Diagnose „unheilbar” wurde er so wieder gesund und starb erst 70-jährig durch einen Unfall.

Großes Augenmerk legte Dr. Hay auf den störungsfreien Ablauf des Verdauungsprozesses. Dieser – so seine Überlegung – sei nur gewährleistet, wenn die an der Aufspaltung beteiligten Enzyme ungehindert an der Nahrung andocken können. Und da für die Eiweißaufspaltung andere Enzyme zuständig sind als für die Kohlenhydratverdauung, sah er es als sinnvoll an, die beiden Nahrungsmittelgruppen zu trennen. Täte man das nicht, so sein Argument, käme es aufgrund einer Fehlverdauung zur so genannten Übersäuerung des Organismus (Azidose), die Ursache vieler moderner Zivilisationskrankheiten sei.

Auch im Ayurveda geht man davon aus, dass hinter den meisten gesundheitlichen Störungen eine Fehlverdauung beziehungsweise eine mangelhafte Verdauung (Mandagni) steht. Nur spricht man hier nicht von einer „Übersäuerung”, sondern von Ama. Wörtlich bedeutet Ama „unreif”, „ungekocht” oder „unverdaut”. Ama beinhaltet demnach alle Körpergifte, die durch eine unzureichende Verdauung im Magen- Darm-Trakt und in der Leber entstehen. Ama kann sich über den Blutkreislauf im ganzen Körper verbreiten und sich sowohl außerhalb der Zellen (extrazelluläre Matrix) als auch innerhalb der Zellen anlagern. Es schwächt das Gewebe, verursacht Blockaden in den Ver- und Entsorgungskanälen (Srotas) und ist gemäß Ayurveda die Grundursache zahlreicher Krankheitsentwicklungen.

Doch im Gegensatz zu Dr. Hays Auffassung lässt sich dieses Geschehen nicht auf den gleichzeitigen Verzehr von Eiweißen und Kohlenhydraten zurückzuführen. Im Ayurveda zählt man neben unzuträglicher Nahrungsmittelwahl auch zu viel, ständiges, schnelles und zu spätes Essen, ferner Essen ohne Hungergefühle (kompensatorisches Essen) sowie psychische Unausgeglichenheit zu den wichtigsten amaerzeugenden Faktoren.

Da es Dr. Hay gelang, mithilfe seines Trennkost-Konzeptes den eigenen erhöhten Harnsäurespiegel zu senken und darüber seine Nierenkrankheit zu heilen, schloss er daraus automatisch, dass seine Trennkost generell den Säure-Basen- Haushalt im Organismus reguliert und darum zur Vorbeugung und Heilung unterschiedlichster Zivilisationskrankheiten geeignet ist. Auch wenn seine Theorie medizinisch mehrfach widerlegt wurde: So ganz falsch lag er mit seinen Überlegungen bezüglich harmonischer Lebensführung und Ernährungsweise nicht. Vor allem seine übergeordnete Richtlinien, denen zufolge eine optimale Ernährung aus 80 Prozent “Basenbildnern” und nur zu 20 Prozent aus so genannten Säurebildnern zusammengesetzt sein sollte, erfreut nicht nur jedes Ayurveda-Herz, sondern auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.

Denn zu den sogenannten Basenbildnern zählte Dr. Hay Obst, Gemüse, Salate, Rohkost, Keimlinge, Kartoffeln, Vollkorngetreide und Mandeln. „Säurebildner” hingegen sind seiner Meinung nach Fleisch, Fisch, Käse, Milchprodukte, Weißmehl und Zucker. Und gerade die beiden letztgenannten sind in der heutigen modernen (Fehl-)Ernährung übermäßig vertreten.

Um die Trennung von Kohlenhydraten und Eiweißen zu erleichtern, teilte Hay die damals verfügbaren Nahrungsmittel in folgende Gruppen ein:

  • Kohlenhydratgruppe: Brot, Kuchen, Weizenmehl und Backwaren daraus, Nudeln ohne Ei, Vollkorngetreide, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Maronen, Reis, alle Süßungsmittel und Zuckerarten, Bier, Datteln, Feigen und Bananen.
  • Eiweißgruppe: Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Milchprodukte mit einem Fettanteil unter 50 %, Milch, Sauermilchprodukte, Joghurt, Quark, Käse, Frischkäse, Weichkäse, Sojaprodukte inklusive Tofu, die meisten Früchte und Nüsse sowie Eier.
  • Neutrale Gruppe: Gemüse, Salate, Avocados, Heidelbeeren, Melonen, Fette und Öle, einige Milchprodukte mit einem Fettanteil von über 60 Prozent, Erdnüsse und Pilze. Diese Lebensmittel dürfen sowohl mit der Eiweiß- als auch mit der Kohlenhydratgruppe kombiniert werden.

Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen, die vor allem rein vegetarisch ausgerichteten Ayurveda-Freunden als wichtigste Eiweißquelle dienen, kommen in der Hay’schen Trennkost nicht vor. Da sie sowohl Eiweiß als auch Kohlenhydrate enthalten, stören sie laut Dr. Hay den Verdauungsprozess zu stark und sind deshalb als Lebensmittel ungeeignet.

Ayurveda: Auf die richtige Zubereitung kommt es an

Dass Hülsenfrüchte bei falscher Zubereitung und geschwächter Verdauungskraft (Mandagni) tatsächlich problematisch sein können, ist auch im Ayurveda bekannt. Doch hier grenzt man dieses Nahrungsmittel nicht aus, sondern bereitet es richtig zu.

Die richtige Auswahl, das Einweichen, der gezielte Einsatz von agnistimulierenden Gewürzen und der eigentliche Kochprozess – durch all diese Faktoren lässt sich die Verträglichkeit dieser hochwertigen pflanzlichen Eiweißlieferanten gewährleisten.

Die Ayurveda-Küche wäre um einiges ärmer, gäbe es die leckeren Hülsenfrüchte-Dals nicht! Bei einer Ernährungsumstellung sollte man sich fragen, ob die neue Kostform eher präventiven (vorbeugenden) Charakter haben soll oder ob es eine Heildiät sein muss. Denn hier macht Ayurveda klare Unterschiede. Die Ayurveda-Präventiv-Diät kommt vor allem im gesunden Zustand zum Tragen. Sie unterstützt die Verdauungs- und Stoffwechselfunktion, die optimale Zellversorgung, den gesunden Gewebeaufbau und -erhalt und sorgt gleichzeitig für eine angemessene Entsorgung der Stoffwechsel- Endprodukte. All das sind Voraussetzungen, um das persönliche Dosha-Gefüge im Gleichgewicht zu halten. Generell geht es hierbei immer um Integration, Einbeziehung, Einbindung, Zusammenführung und Verschmelzung. Denn letztendlich führt nicht die Trennung und Ausgrenzung zum Wieder-Ganz-Sein, sondern nur die Integration.

Ayurveda: Ausgrenzung ist die Ausnahme

Bei der Ayurveda-Heil-Diät versucht man im Gegensatz zur Präventiv-Diät durch spezifisches Weglassen, Kombinieren oder Zubereiten der Speisen der Krankheit die Grundlagen zu entziehen. Dadurch unterstützt man den Organismus in seinen Selbstheilungsprozessen und erleichtert ihm Schritt für Schritt den Weg zurück zu seinem gesunden, ursprünglichen Dosha-Gleichgewicht (von der Vikriti zur Prakriti). Eine solche Heildiät könnte – je nach Krankheitsbild – durchaus einer Art Trennkost gleichkommen, diese wäre im Ayurveda aber eindeutig individueller auf den Esser und seinen aktuellen Gesundheitszustand ausgerichtet.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass vor allem folgende begleitenden Regeln der Hay’schen Trennkost auch dem ayurvedischen Verständnis einer sinnvollen Präventiv- Diät entsprechen:

  • Reine, naturbelassene Speisen bevorzugen, künstliche Zusatzstoffe meiden.
  • Vollkornzubereitungen statt Weissmehlprodukte bevorzugen – wobei man im Ayurveda der Verdaubarkeit wegen ganze Getreidekörner meidet und auf eine schonende Zubereitung achtet.
  • Viel frisches saisonales Obst und Gemüse aus biologischem Anbau (schonend gegart) verzehren.
  • Sparsam salzen, vermehrt mit frischen Kräutern und Gewürzen abschmecken – wobei man im Ayurveda davon ausgeht, dass Vata-Konstitutionen in der Regel mehr Salz vertragen als Pitta und Kapha-Konstitutionen.
  • Kalt gepresste Öle, ungehärtete Pflanzenfette und Butter verwenden. Bratfett nicht bis zum Rauchen erhitzen. Im Ayurveda nutzt man zusätzlich noch Ghee.
  • Fleisch, Fisch, Eier, Milch und Milchprodukte aus artgerechter Tierhaltung kaufen und generell weniger Fleisch und Wurst essen.
  • Mit weißem Zucker sparsam umgehen, lieber mit Honig, Obstdicksäften oder Vollrohrzucker süßen. Im Ayurveda nutzt man auch gerne “Sharkara (Produkt der Amla Natur GmbH)” – speziellen ayurvedischen Rohrzucker.
  • Genügend trinken, hauptsächlich Mineralwasser, Früchte- und Kräutertee sowie frische Milch.
  • Mit Genussmitteln wie Kaffee, schwarzem Tee, Wein, Bier und Spirituosen sparsam umgehen.

Heft 35 – Allergien

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich als Titelthema in Heft 35 mit der ayurvedischen Behandlung von Allergien.