1. Westliche Betrachtungsweise

Häufig gesellen sich asthmatische oder urticarielle (Nesselsucht) Beschwerden zum Heuschnupfen hinzu. Die kardinalen Symptome sind Niesattacken, übermäßige meist wäßrige Sekretion, Nasenmuschelödem und die häufig verbundene Konjunktivitis (Bindehautentzündung) mit ausgeprägtem Juckreiz.

Heuschnupfen wird in der schulwissenschaftlichen Medizin auch als Heufieber, Pollinosis oder Rhinitis allergica bezeichnet und gehört der Allergiegruppe 1 vom „Sofort-Typ“ an. Die Symptome sind Ergebnis einer Reaktion auf Proteinbestandteile in pflanzlichen Pollen oder Gräsern und treten jahreszeitlich abhängig von der jeweiligen Blütezeit (Februar bis Oktober) auf. Therapeutisch wird Heuschnupfen gewöhnlich mit abschwellenden Nasen- und Augentropfen sowie ggf. der oralen Einnahme oder Injektion von Antihistaminica bis hin zu Cortison behandelt. Prophylaktisch meidet man den Kontakt mit potenten Allergenen oder führt eine Hypo-/Desensibilisierung durch. Hierbei kommt es zu einem schrittweisen Herabsetzen der Reaktionsbereitschaft durch regelmäßig erfolgende Zufuhr des Allergens in unterschwelligen, langsam ansteigenden Konzentrationen.

2. Ursachen (Hetu), Pathogenese (Samprapti), Vorzeichen (Purvarupa) und Symptomatik (Rupa)

Heuschnupfen läßt sich ayurvedisch am ehesten mit der Diagnose „Pratishyaya“ aus der Gruppe der „Nasa Roga“ vergleichen. Pratishyaya wird zumeist als Rhinitis, Schnupfen oder Nasalkatarrh übersetzt und bedeutet wörtlich „entgegengesetzte Bewegung der Sekrete.“

Die Ursachen nach Caraka Samhita (Ci.26.104f.) und Madhava Nidana (Kap.58.13f.) sind:

  • Unterdrückung natürlicher Bedürfnisse, insbesondere des Nies- und Hustenreflexes und vertiefter Atmung
  • Fehlverdauung (Ajirna) mit der Folge unverarbeiteter Stoffwechselzwischenprodukte – Ama
  • übermäßige Exposition gegenüber Staub, Rauch und schlechter Luft
  • übermäßiges Sprechen, Zorn, übermäßiges Weinen
  • saisonale Ausprägungen und klimatische Einflüsse, feuchte Kälte, Schnee
  • Konsum kalten Wassers
  • übermäßige sexuelle Aktivität
  • übermäßige Hitzeexposition des Kopfes
  • nächtliches Wachbleiben und übermäßiger Schlaf (insbesondere Tagesschlaf).

Durch die genannten Faktoren kommt es zu einer Aggravation von Vata, welches im Kopf als Dosha pathogen wirkt, und einer Eindickung der Sekrete und Dosha im Kopf. Die natürliche Bewegung wird blockiert und die Beschwerden manifestieren sich. Vorzeichen (Purvarupa) dieser Erkrankung sind Niesreiz, Gefühl der Schwere und Fülle im Kopf, Inaktivität, milde Körperschmerzen, Gänsehaut und nasaler Juckreiz.

Die Einteilung von Pratishyaya erfolgt nach Dominanz der jeweiligen Dosha in Vatika, Paittika, Kaphaja, Sannipatika (alle drei sind aggraviert) und Dushta-Pratishyaya (entspricht chronischem, „bösartigem“ Befall).

Im Falle der Vata-Dominanz stehen ausgeprägtes Niesen, wäßrige dünne Sekretionen, Heiserkeit und Mundtrockenheit, Kopfschmerz sowie schmerzhafte stechende Empfindungen in der Nase im Vordergrund.

Ist Pitta vordergründig aktiv, zeigen sich Entzündungen an der Nasenspitze, Fieber, Mundtrockenheit, ausgeprägter Durst sowie heiße, gelbliche und flüssige Sekrete aus der Nase.

Die Kapha-dominierte Rhinitis erkennt man an Hustenbeteiligung, Appetitlosigkeit, eingedicktem Sekret und Speichel, Schweregefühl und Juckreiz in der nasalen Region sowie Schwellungen.

Sind alle drei Dosha beteiligt, kommt es zu einer Verbindung der o.g. Symptome mit zusätzlichem Auftreten ausgeprägter Schmerzen und Unwohlsein.
Die chronische Form entsteht bei Mißachtung und Ignoranz der bestehenden Beschwerden und führt unter Beibehaltung unzuträglicher Ernährungs- und Lebensgewohnheiten zu schweren Erkrankungen der Nasalregion, der anderen Sinnesorgane und des Kopfes sowie des Atemtraktes.

3. Therapiestrategien im Ayurveda

Grundlage der Ayurvedischen Therapie von Heuschnupfen ist die differenzierte Diagnostik vorab. In der Praxis kann man vorwiegend Vata und Kapha als beteiligte Aggressoren erkennen.

Wie für alle Therapien im Ayurveda gültig, muß die Behandlung zunächst durch Korrektur des gestörten Milieus im Körper erfolgen. Diese Umstimmung läßt sich durch Ernährungsempfehlungen und zuträgliche Lebensführung erzielen. Die Kost sollte Feuchtigkeit reduzieren, das Körperfeuer Agni stärken und den Stoffwechsel entlasten. Mit der Wintersonnenwende beginnt die entscheidende Phase der diätetischen Umsetzung, da sich Kapha nun ansammelt.

Achten Sie also auf Reduktion der süßen und sauren Geschmäcker und verstärken Sie den Einsatz scharfer und bitterer Komponenten in der Nahrung.Der scharfe Geschmack eliminiert überschüssigen Schleim und Feuchtigkeit, der bittere wirkt zudem antiallergisch. Blattgemüse, Jasminreis, Quinoa, Gerste, Mungdal sowie diverse scharfe und bittere Gewürze kommen in diesen Wochen vorwiegend in Betracht. Achten Sie auf strikte Reduktion von Milchprodukten, Rohkost, tierischen Nahrungsmitteln und Früchten und trinken Sie vorwiegend heißen Kräutertee. Die Hauptmahlzeit sollte mittags verzehrt werden, abends stehen bis 19.00 Uhr lediglich heiße, gut gewürzte Suppen oder leichte Gemüsegerichte auf dem Speiseplan. Unterdrücken Sie keine natürlichen Bedürfnisse, insbesondere nicht das Niesen und freie Atmen, sorgen Sie für ausreichende Frischluftzufuhr und reduzieren Sie Staubquellen wie Teppiche, Haare o.ä. Die regelmäßige Durchführung von Atemübungen wie der Wechselatmung (Nadi Shodhana) wirkt ebenfalls vorbeugend. Wenn Kapha sich im Frühling durch Zunahme der solaren Energie in der Natur verflüssigt, ist der Zeitpunkt zur Elimination geeignet. Hier stellt das Panca Karma System mit der ersten Ausleitung „Vamana“, der therapeutisch induzierten Magenspülung, eine exzellente Maßnahme dar. Diese Magenspülung sollte jedoch nur unter Aufsicht eines in Ayurveda ausgebildeten Mediziners erfolgen, um unerwünschten Nebenwirkungen vorzubeugen. Stehen dem Patienten vier Wochen Zeit zur Verfügung, kann das Panca Karma System umfassend durchgeführt werden, andernfalls empfehle ich nach der Magenspülung noch die Durchführung einiger Darmeinläufe (Basti), um das maßgeblich mitbeteiligte Vata zu kontrollieren. Diese Einläufe können auch selbstständig zu Hause durchgeführt werden. Essentiell nach der Behandlung über den Magen-Darm-Trakt ist die intranasale Therapie (Shirovirecana) mit Pulvern oder medizinierten Ölen. Hierzu kommen Myrica nagi (Kataphala), Acorus calamus (Vaca) oder Piper longum (Pippali) als Pulver und Anu bzw. Shadbindu Taila als mediziniertes Öl in Frage. Die Menge richtet sich stets nach der medizinischen Indikation und sollte durch einen Mediziner (Arzt, Heilpraktiker) bestimmt werden.   Als tägliche Routine empfehle ich meinen Patienten stets die Durchführung von Spülungen der Nase mit warmem Salzwasser (Jalaneti). Auch Inhalationen mit Steinsalz (Saindhava), Kampher (Karpura) und Trachyspermum ammi (Yavani) sowie vielen weiteren Heilpflanzen haben sich über Jahre in der Praxis bewährt.

Der Einsatz von Nahrungsergänzungen hat sich bei Heuschnupfen bewährt. Hier einige Beispiele für Pflanzen und Rezepturen, die im traditionellen Ayurveda abhängig von der Diagnose Einsatz finden:

  • Piper longum (Pippali)
  • Curcuma longa (Haridra)
  • Adhatoda Vasika (Vasaka)
  • Azadirachta indica (Nimba)
  • Tinospora cordifolia (Guduci)
  • Hemidesmus indicus (Sariva)
  • Withania somnifera (Ashvagandha)
  • Pulvermischung Sitopaladi Curna (Basis: Pippali)
  • Pulvermischung Trikatu (Pippali, Ingwer-Shunthi & Schwarzpfeffer-Marica)
  • Teemischung Pathyadi Kvatha (Basis: Kiratatikta und Guduci) Die individuelle Mischung und Dosierung sollte wiederum durch einen Mediziner bestimmt werden.

Fazit:

Die Ayurvedische Therapie von Heuschnupfen zeigt exzellente Ergebnisse, fordert jedoch den Leidenden dazu auf, diszipliniert Ernährung und Lebensführung der Lage angemessen zu gestalten. Ohne die aktive Mitarbeit des Patienten sind die Erfolge durch Einsatz von Nahrungsergänzungen nur von kurzer Dauer und beheben nicht die kausale Grundlage der Problematik. Die größten langfristig anhaltenden Erfolge konnte ich in den letzten Jahren unter korrekter Durchführung des Panca Karma zwischen März und Juni beobachten.


Heft 05 – Das Frühjahr

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