Für die meisten Menschen hier ist die Ayurvedische Medizin ein exotisches Abenteuer. Wer einen Yoga-Kurs besucht hat oder akupunktiert wurde, hat sich bereits geöffnet. Anders verhält es sich mit den Patienten, die durch ihren Leidensdruck und die Unzufriedenheit mit der Schulmedizin erstmalig zum Ayurveda kommen, ohne recht zu wissen, was sie in diesem, für sie typisch indischen System eigentlich verloren haben.

Während die meisten indischen Patienten fast schon kritiklos den Anweisungen ihres Arztes folgen, gilt es hier im Westen behutsam das Vertrauen der Patienten oder Klienten zu gewinnen.

Vor allem sollten wir Therapeuten im ersten Gespräch herausstellen, das Ayurveda nicht indisch ist, sondern eine universelle Medizin, unabhängig von Kultur und Rasse. Eine Menschheitsmedizin, die das Wissen der ersten Zivilisationen im Euphrat-Tigris-Gebiet und in Ägypten sowie das der Rishis und Yogis im Himalaya und noch anderer Hochkulturen vereint.

Mit dem Hinweis, dass selbst die Klostermedizin den ayurvedischen Prinzipien folgt, können wir eine gute Brücke zum europäischen Kulturkreis des Patienten bauen. Schließlich hatte Hildegard von Bingen regen Kontakt zu arabischen Handelsleuten.

Ernährung

Die nächste Vertrauenshürde haben wir dann bei der Ernährungsumstellung zu überwinden, bei der oftmals der heißgeliebte Käse oder das vertraute Brot gestrichen werden.

Überzeugend sind wissenschaftliche Kenntnisse über Herstellung, Verdauungsmodus und Nährstoffgehalt von Lebensmitteln und ihrer Wirkung auf den Säure-Basenhaushalt. Denn jeder Patient hat schon einmal etwas darüber gelesen. Es gilt, die alten Begriffe des Ayurveda mit neuzeitlichen Erkenntnissen und Erklärungen für den modernen Menschen verständlicher zu machen.

Zum Beispiel können wir den Patienten erklären, dass Nahrungsmittel wie Käse und Brot durch die Fermentierung schwerer verdaulich werden. Oder dass die Vitamine im Obst durch die gleichzeitige Einnahme von Milch gebunden und im Körper nicht mehr verwertet werden können. Für kritische Klienten ist es manchmal besser, wenn die Empfehlungen zur ayurvedischen Ernährungsweise erst einmal vorwiegend aus der europäische Küche kommen und vor allem alltagstauglich sind.

Besonders mit kleinen Kochkursen können wir praktisch demonstrieren, wie unkompliziert und schnell die Zubereitung von ayurvedischen Gerichten ist.

Ähnlich verhält es sich bei der Wahl von Nahrungsergänzungsmitteln oder ayurvedischer Heilmittel. Viele Patienten haben zu Anfang eine Abwehr gegen die Einnahme, z.B. wegen des ungewohnten Geschmacks. Falls möglich können zunächst Tees, Kräuter und Präparate aus der europäischen Naturheilkunde empfohlen werden.

Panchakarma

Erst wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen Therapeut und Patienten besteht, kann er mit ungewöhnlichen Behandlungsmethoden wie Panchakarma oder anderen ayurvedischen Reinigungsmethoden beginnen.

Ein großes Problem im Westen stellt das Vamana (Therapeutisches Erbrechen) dar, denn vielen Menschen hier ist das Erbrechen, wohl erziehungsbedingt, zuwider oder gar nicht möglich.

Entweder man verzichtet als Therapeut auf dieses spezielle Karma oder versucht die Patienten, insbesondere bei Asthma-Erkrankungen durch Wassererbrechen (Kunjar Kriya aus dem Yoga) vorsichtig heranzuführen. Das Trinken von Ghee und Karmas wie Virechana (Therapeutisches Abführen) oder Bastis (Einläufe) ist für den europäischen Patienten schon akzeptabler, aber es bedarf genauester Erklärungen und intensiver Begleitung während der Kur.

Das soll nicht heißen, dass es in Europa nur eine verwässerte Variante des Ayurveda geben darf, sondern dass wir unsere Patienten Step by Step an das Unbekannte heranführen.


Heft 21 – Anspannung und Stress

Dieses Heft ist leider nicht mehr verfügbar.