Der Mensch ist in der modernen Gesellschaft einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt, mehr als je zuvor sind Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gefordert. Die neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung wie Funktion der rechten und linken Hemisphäre, Neuroplastizität sowie Regenerationsfähigkeit von Nervenzellen im Gehirn führen uns dazu, den Menschen insgesamt als flexibler einzuschätzen als in der Vergangenheit. Das Gehirn ist kein fixiertes Organ, sondern in hohem Maße lernfähig.

Welche Handlung auch immer ein Mensch ausführt, dessen klare Sicht, Wille oder Erinnerung gestört ist, sie wird als eine willentliche Überschreitung (des natürlichen Lebens) betrachtet. Dies ist die Ursache für alle Krankheitsprozesse.

Moderne Medizin und Ayurveda

Die Neurowissenschaften lehren uns, dass äußere Reize vom Nervensystem in der Form verarbeitet werden, dass sich seine innere Dynamik entsprechend der wiederholten Reize verändert.

Neue bildgebende Verfahren haben uns gelehrt, dass geistige und emotionale Zustände das Immunsystem und letztlich den gesamten Körper beeinflussen. Gleichzeitig beeinflusst der körperliche Zustand unser Denken und Fühlen.

Trotz dieses großen Wissens scheint es immer schwerer zu verstehen, dass mit den normalen Methoden der Prävention (Ernährung, Sport und Stressmanagement) kein durchschlagender Erfolg erzielbar zu sein scheint. Der Ayurveda kann hier ein umfassenderes Verständnis des Menschseins anbieten und neue Sichtweisen aktivieren.

Wie können wir diese Erkenntnisse heute nutzbar machen? Die einfachen Prinzipien der ayurvedischen Konstitutionslehre können uns dabei helfen; demnach besitzt der Mensch drei körperliche Doshas, die sich aus den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum ergeben, und zwei geistige Grundeigenschaften: leidenschaftliche Aktivität (Rajas) und geistige Trägheit (Tamas). Das dritte geistige Prinzip der Balance (Sattva) gehört nicht zur Gruppe der Doshas, weil es kein Ungleichgewicht erzeugen kann.

Genau dieser Prozess wird im Kontext der intelligenten Bioenergien des Ayurveda mit anderen Worten beschrieben: Die Gesamtregulierung ändert sich entsprechend der lebendigen Interaktion zwischen Konstitution und Lebensereignissen.

Stress ist ein multifaktorielles Problem, das die Gene, die Umwelt, die Ernährung und das Verhalten umfasst und den Menschen immer mehr in eine Daueranspannung hineinführt. Die Antworten des Organismus werden immer komplexer und gefährlicher für die psychosomatische Balance.

Der Stressmechanismus sorgt für die Aktivierung und Interaktion vieler Systeme innerhalb des Körpers, daher ist es schwierig, ihn mit nur einem Medikament oder einer Maßnahme zu besiegen.

Die wichtigsten Todesursachen in der modernen Gesellschaft (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Lungenkrankheiten, Unfälle, Leberzirrhose und Selbstmord) sind alle mehr oder weniger mit dem Thema Stress verknüpft.

Wenn ein Pitta-Vata-Mensch zu schwer isst, wird sein Feuer gestört. Dies versucht er mit Alkohol, frittiertem und anregendem Essen auszugleichen. Um sein Energieniveau auszugleichen, wird er sich selbst unbewusst anstacheln, feuriger in seinem Verhalten und vielleicht sogar aggressiver werden. Konzentration und Unterscheidung werden geringer. Unkontrolliertes Denken mit Schuldgefühlen wird ihn immer mehr aus der Balance bringen und weitere falsche Entscheidungen im Lebensstil erzeugen.

Stressreaktionen ähneln den Kettenreaktionen in der Dosha-Dynamik, insbesondere auf der geistigen Ebene, wenn Rajas und Tamas zu dominieren beginnen. Zentral ist der Wahrnehmungsmodus des Geistes und nicht die äußere Umgebung.

Daher ist die Konstitutionsbestimmung im Ayurveda nicht ganz leicht. Durch zahlreiche Veränderungsfaktoren ist die ursprüngliche natürliche Situation (Prakriti) überdeckt worden (Vikriti). Das Stressniveau lässt sich entscheidend senken, wenn die konstituiven Kräfte wieder mehr zum Vorschein kommen. Der Ayurveda versucht, die innere Natur / Konstitution zu stärken, so dass eine eigenständige Eigendynamik im Menschen entsteht, wieder gesünder leben zu wollen.
Dafür sollte gleichzeitig auf der körperlichen und der geistigen Ebene gearbeitet werden. Wichtig ist dabei, nicht nur die Lebensgewohnheiten, sondern auch die mentale Struktur und emotionale Gestimmtheit zu berücksichtigen.

Um sich der ursprünglichen Konstitution zu nähern, kann es sinnvoll sein, die Lebens- und Krankengeschichte genau zurück zu verfolgen und herauszufinden, wie sich die Dosha-Dynamik entfaltet hat. Erst auf der Basis einer solchen genauen Untersuchung kann man sicher sein, wirklich passende Empfehlungen für den Lebensstil zu geben. Neben der Konstitution sollten diese auch an die aktuelle Lebenssituation angepasst sein.


Heft 21 – Anspannung und Stress

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