Ausscheidungen – die sogenannten Malas

Wenn ich meine Patienten im Rahmen einer Erstkonsultation detailliert nach der täglichen Stuhl- und Harnentleerung frage, treibt dies manchem die Schamesröte ins Gesicht. „So genau wurde ich hierzu noch nie befragt“, heißt es dann oft. Oder auch „Sie fragen mich was, keine Ahnung – was weg ist, ist weg.“

In westlichen Kulturen spricht man ungern über seine Ausscheidungen. Für viele sind diese Themen mit Ekel verbunden. Das ändert sich meist schlagartig nach einer ayurvedischen Behandlung. Kurgäste gewöhnen sich schnell daran, morgens freizügig über ihre Ausscheidungserfahrungen zu berichten. Der Ekel ist tatsächlich unbegründet. Der Urin war vor kurzem noch Bestandteil des Blutes und Kot ist nichts anderes als der unverdauliche Anteil aufgenommener Nahrung. Die tägliche Beobachtung der eigenen Ausscheidungen ist von großem Wert und gibt uns ein Bio-Feedback zum Zustand unserer Ernährung und Verdauung.

Vielen Erkrankungen gehen Veränderungen in den Ausscheidungen voraus. Nimmt man diese rechtzeitig wahr und lässt sie professionell hinterfragen, können Störungen bereits in frühen Stadien erkannt und therapiert werden. Beispiele hierfür sind Darmkrebs, Leber-Galle-Bauchspeicheldrüsen-Erkrankungen sowie Harnwegsbeschwerden. Nach der Puls- und Zungenuntersuchung stellt die Stuhl- und Urindiagnostik eine weitere wichtige Säule innerhalb der acht ayurvedischen Untersuchungsverfahren dar. Traditionell setzte sich diese Untersuchung aus a) der detaillierten Befragung und b) der sinnlichen Wahrnehmung seitens des Arztes zusammen. Heute beschränkt man sich im Wesentlichen auf die Anamnese und überlässt Laboren die biochemische Beurteilung.

Im Ayurveda bewerten wir die Verdauungskraft eines Menschen anhand von drei Phasen:

  • Input: Aufnahme und Transport von Nahrung und Getränken
  • Aufspaltung, Trennung, Aufnahme und Verteilung
  • Output: Ausscheidung von Stuhl und Urin

Ob eine Stuhl- und Urinentleerung gesund erfolgt, hängt einerseits vom Input und der Verarbeitung ab. Zudem spielt die Grundkonstitution eine wichtige Rolle. Allgemein neigen Vata-Konstitutionen zu geringerer und wechselhafter, Pitta-Konstitutionen zu vermehrter und Kapha-Konstitutionen zu trägerer Ausscheidung.

Mutra Pariksha – die Urinuntersuchung

Die Entleerung der Harnblase wird Miktion genannt. Am besten eignet sich zur Untersuchung der Morgenurin im Mittelstrahl. Der Untersucher führt eine Sichtprüfung von Farbe, Erscheinung und Konsistenz durch und nimmt auffallende Gerüche wahr.

Anamnestisch befragt Sie der Ayurveda-Therapeut nach folgenden Parametern:

  • tägliche Miktionsfrequenz
  • Farbe, Konsistenz und Geruch des Urins im Tagesverlauf
  • Zeiten der Harnentleerung (tagsüber, nächtliches Wasserlassen)
  • Entleerungsschwierigkeiten, Restharn
  • Miktionsbeschwerden wie Schmerzen, Brennen, Nachtropfen
  • Neigung zu Harnwegsinfekten

Aus den vorliegenden Informationen ergibt sich in Verbindung mit den Trinkgewohnheiten ein diagnostisch nutzbares Bild. Bei Verdacht auf eine Störung oder auch im Rahmen eines präventiven Check-ups kann der Urin mit einem Teststreifen auf bis zu zwölf Parameter (zum Beispiel pH-Wert, Leukozyten, Protein, Glucose, Nitrit, Erythrozyten) mit geringem Aufwand in der Praxis getestet werden. Dadurch können unter anderem Harnwegsinfekte, Nieren- und Lebererkrankungen sowie Diabetes erfasst werden.

Konstitutionell werden folgende Zeichen beschrieben:

FrequenzFarbeEntleerung
Vatahochblasswechsel- und manchmal schmerzhaft
Pittamittelgelblichneigt zum Brennen
Kaphageringblasslangsam, neigt zu Wassereinlagerungen

Liegen Ama-bedingte Krankheiten der Harnwege vor, wird der Urin trüb, eventuell schleimig oder schlierig und nimmt einen strengen, zuweilen penetranten Geruch an. Diese Symptome kennen viele Frauen bei bakteriell bedingten Blasenentzündungen. Der gesunde Urin ist morgens konzentriert und gelblich gefärbt und wird im Tagesverlauf hellgelb bis farblos. Die Entleerung erfolgt ohne Beschwerden, mit gutem Druck und ohne Nachtröpfeln. Eine tägliche Frequenz von drei bis acht Entleerungen ist normal. Scheiden Sie seltener oder häufiger aus, sollten Sie die Trinkgewohnheiten überprüfen oder einen Therapeuten zur Bewertung aufsuchen.

Mala Pariksha – die Stuhluntersuchung

Die Darmentleerung wird Defäkation genannt. Als gesund gilt im Ayurveda ausschließlich die tägliche ein- bis dreimalige Entleerung, auch hier in Abhängigkeit vom Ernährungsverhalten.

In der ayurvedischen Anamnese wird Ihnen der Ayurveda-Therapeut folgende Fragen stellen:

  • Wie oft entleeren Sie täglich oder wöchentlich Ihren Darm?
  • Zu welchen Tageszeiten?
  • Welche Farbe hat Ihr Kot?
  • Mittelbraun, dunkel bis schwarz, gelblich oder entfärbt?
  • Riecht Ihr Kot auffallend penetrant oder faulig?
  • Ist die Konsistenz geformt, hart, breiig, klebrig oder flüssig?
  • Müssen Sie zur Entleerung Kraft aufwenden oder ist diese schmerzhaft?
  • Haben Sie unverdaute Nahrungsmittelrückstände beobachtet? Wenn ja, welche?
  • Bestehen Auflagerungen wie Schleim, Fett oder Blut auf Ihrem Kot?

Die Stuhldiagnostik wird auch zur Beurteilung von Ama herangezogen. Bei schwachem Agni im Magen-Darm-Trakt wird aufgenommene Nahrung nicht vollständig verdaut, es entstehen klebrige Rückstände und unverdaute Partikel, der Kot riecht zudem faulig. Aus westlicher Sicht kann eine Schwäche der Verdauungsdrüsen zugrunde liegen, die zu mangelhafter enzymatischer Aufspaltung der Nährstoffe führt. Fast immer lässt sich bei Ama-Belastung eine gestörte Darmflora (Dysbiose) labordiagnostisch feststellen.

Konstitutionell werden folgende Neigungen im Ayurveda beschrieben:

  • Vata-Konstitutionen neigen zu trockenem, zuweilen hartem, geruchsarmem Stuhl und damit zur Verstopfung. Je länger der Kot im Darm verweilt, desto dunkler wird er. Die Ausscheidungsmenge ist eher gering und häufig mit Blähungen verbunden. Unter Stress neigen Vata-Konstitutionen auch zu wässrigen Durchfällen.
  • Pitta-Konstitutionen haben wieder einmal den höchsten Umsatz, das heißt, sie essen viel und scheiden entsprechend viel aus. Die Konsistenz ist eher locker, häufig ungeformt. Farblich können gelbliche Töne wahrgenommen werden, die phasenweise mit brennenden Empfindungen verbunden sind.
  • Kapha-Konstitutionen scheiden seltener aus, dafür in größeren Mengen bei zumeist weicher Konsistenz. Aufgrund ihres anlagebedingt schwächeren Körperfeuers (Agni) neigen Kapha-dominierte Menschen zur Entwicklung von Ama, wenn sie zu viel, zu schwer, zu kalt und zu spät essen.

Die optimale Stuhlentleerung findet gemäß Ayurveda morgens kurz nach dem Aufstehen statt. Um sie zu unterstützen, sollten Sie ein bis zwei Gläser (250–500 ml) tiefwarmes Wasser schnell trinken – dies regt die Bewegung im Magen-Darm-Trakt an. Beobachten Sie künftig Ihre Ausscheidungen, sie geben Ihnen ständig wertvolles Feedback zum aktuellen Ernährungsstatus. In Absprache mit Ihrem vertrauten Ayurveda-Begleiter lernen Sie, Veränderungen der Ausscheidungen in Bezug zu Ihren Ernährungs-, Trink- und Lebensgewohnheiten zu setzen und diese bedarfsgemäß anzupassen.

„Der Mensch ist, was er isst.“ – sagte 1850 der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach. Ayurvedisch würden wir es umformulieren: „Der Mensch ist, was er verdaut!“

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Diagnosetechniken im Ayurveda – Teil 6: in Augen und Antlitz lesen
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