Leben im Einklang mit der Schöpfung

In den Augen eines Mannes sind Frauen ein wunderbares Mysterium. Sie können einfach alles: Frauen sind clever, sexy und fleißig, fürsorglich zu den Kindern, tough im Job und wenn es mal so richtig stressig wird, behalten sie auch im größten Chaos noch den Überblick.

Auch die alten Schriften des Ayurveda wussten um die Kraft der Weiblichkeit. So lautet ein bekanntes Zitat der Charaka Samhita:

„Rechtschaffenheit, Reichtum, Überfluss, ja die Schöpfung überhaupt – alles kommt von den Frauen“

Frauen im Alltag

Doch wie erlebt die Frau von heute sich und ihre Weiblichkeit wirklich? Werden wir als die wertgeschätzten Wesen geachtet, wie es die ayurvedischen Schriften vermuten lassen? Leider nein.

Selbst in unserer gleichberechtigten Gesellschaft können wir häufig beobachten, wie an Frauen die Doppelbelastung von Beruf und Familie zehrt. Um diesen Spagat zu bewältigen, wird die Frau zur perfekten Pflichterfüllerin, die sich ihre täglichen Herausforderungen ehrgeizig und strukturiert durchorganisiert, um diese scheinbar mühelos zu managen. Dabei bleiben jedoch viele eigene Bedürfnisse für eine erfüllte Weiblichkeit auf der Strecke und statt schön, glücklich und erfüllt, empfindet sich die Frau eher gehetzt, gegängelt und unzulänglich.

Was Frauen brauchen

Auch unser Körper reagiert auf die Herausforderungen des Alltags: Die tägliche Stressbelastung bringt die Balance von Vata und Pitta aus dem Gleichgewicht, was zu Menstruationsstörungen sowie hormonellen und emotionalen Schwankungen führen kann.
Der Säure-Basen-Haushalt ist unausgeglichen und die Geduld am Limit. Damit wird es schwer, auf sich und andere liebevoll und nachsichtig zu blicken.

Doch gerade Ruhe, Entspannung und Zeit für liebevolle Begegnungen sind wichtige Elemente für die weibliche Gesundheit und Erfüllung. Denn die Kraft der Frau erwächst aus der Verbindung zu ihrem inneren Selbst. Gelingt es der Frau, regelmäßige Wohlfühlzeiten für sich selbst einzuräumen, den eigenen Körper liebevoll zu pflegen und sich emotional zu nähren, so erneuert sich die körperliche und mentale Belastungsfähigkeit direkt und spürbar.

Es geht also um eine gute Balance, die aus dem intuitiven Gefühl für die eigenen Bedürfnisse erwächst. Dafür brauchen Frauen die Gemeinschaft mit anderen Frauen, mit denen sie sich austauschen können. Sie lernen, hören zu und verarbeiten. Dann können sie sich neu ausprobieren, Gelerntes umsetzen und vielleicht auch Fehler machen, was erlaubt ist. In den vertrauensvollen Gesprächen unter Frauen offenbaren sich oft viele spirituelle Weisheiten, die für alle Beteiligten eine Bereicherung sind. Denn wenn Frauen offen und verständnisvoll miteinander kommunizieren, treten sie auch in Kontakt mit der ihnen innewohnenden Urkraft.

Die Frau als Schöpferin

Der Ayurveda beschreibt die Frau als ein Wesen, das feinstofflich mit Agni assoziiert wird, dem Attribut des Feuers und der Energie. Durch die innere Kraft des Feuers verbindet sich die Frau mit der Energie des Lebens, der Shakti-Energie, die im Hinduismus durch die Göttinnen Durga und Kali symbolisiert wird.

Diese weibliche Urkraft verbindet die Frauen mit der Schöpfung und schenkt ihr die Fähigkeit, Leben zu empfangen, die Entwicklung eines Kindes in ihrem Leib zu ermöglichen, Kinder zu gebären und zu ernähren. Die indische Mythologie beschreibt anschaulich, wie das von Shakti geschürte, weibliche Feuer im Schoß der Frau brennt, sie mit Wärme erfüllt und ihre Anziehungskraft stärkt. Mit der sexuellen Vereinigung von Mann und Frau erlösen sich die polaren Energien des weiblichen Feuers (Shakti) und den männlichen Reproduktionssäften (Shiva), um die Transformation von der inneren Hitze zur äußeren Kühle zu vollziehen.

In diesem Sinne verbinden sich Mann und Frau in der sexuellen Vereinigung mit der göttlichen Schöpfung und gewinnen Vollkommenheit in ihrer eigenen Natur.

Verbunden mit den kosmischen Kräften der Natur

Der monatliche Zyklus ist Teil der kosmischen Dynamik, die der Frau zu innerer Stärke verhilft. Sich den Veränderungen hinzugeben, die mit den unterschiedlichen Hormonphasen einhergehen, ist Teil des weiblichen Erkenntnisweges. Denn mit dem Zyklus der Menstruation, der sich ähnlich wie der Mond alle 28 Tage wiederholt, durchlebt die Frau verschiedene Phasen, die sich in ihrem Körper und ihrer Psyche bemerkbar machen.

Je nach Zyklusphase sind die Doshas Vata, Pitta oder Kapha besonders stark und prägen die Empfindungswelt. Dem nachzugeben und die angesammelte Hitze in der Körpermitte vor den Tagen sowie die reinigende Befreiung während der Blutung zu spüren, sollte nicht als lästiges Übel gesehen werden. Im Gegenteil: In früheren Zeiten gingen die Frauen während ihrer Menstruation zusammen in den Tempel und nutzten die Phase zur spirituellen Reinigung und für weiblichkeitsstärkende Rituale.

Der weibliche Zyklus

Heute leben wir in einer männlich dominierten und funktionsorientierten Welt, in der wir oft den Zugang zu den subtilen Kräften von Körper und Geist verloren haben. So erleben auch die meisten Frauen ihren Zyklus ohne echten Zugang zu den inneren Wandlungen. Wer jedoch uneingeschränkt im Kontakt mit den eigenen Bioenergien lebt, kann den stabilisierenden Impulsen von Kapha in der aufbauenden Phase vor dem Eisprung folgen und das stetig steigende Pitta bis zur Blutung in Tatkraft und Leistungsfähigkeit umwandeln. Mit dem Beginn der Blutung übernimmt Vata das Regime und öffnet und sensibilisiert den weiblichen Organismus. Aus diesem Grund reagieren Frauen während der Menstruation auf anstrengende und fremdbestimmte Aktivitäten besonders anfällig und sollten versuchen, diese zu vermeiden.

In den unterschiedlichsten Zyklusphasen erleben Frauen die verschiedenen Aspekte ihrer Persönlichkeit. Das Prinzip des Feuers lässt sie für etwas brennen, um dann alles wieder loszulassen und in den neuerlichen Fluss zu kommen.

Diese dynamischen Veränderungen mit dem eigenen Terminkalender immer in Einklang zu bringen, ist eine Herausforderung, die jede moderne Frau zu leisten hat.

Zyklus des Lebens

Nicht nur im Laufe des Menstruationszyklus verändert sich die Frau, sondern auch im Laufe ihres Lebens. So beschreibt der Ayurveda drei große Lebenszyklen, die die Entwicklung jedes Menschen bestimmen.

Die Kindheit ist die von Kapha geprägte Lebensphase, in der ein gesundes Wachstum und gute Immunität das stabile Fundament für das ganze Leben schenken.

Das Mädchen wächst nun zur jungen Frau heran, erlebt ihre erste Menstruation und wechselt damit in den nächsten Lebenszyklus.

Die Lebensmitte, die von Pitta geprägte Lebensphase, beginnt mit der Pubertät und endet mit den Wechseljahren. In diesen von großen Veränderungen geprägten Hormonphasen ist neben Pitta auch das Vata-Dosha stark ausgeprägt, was auch zu körperlicher und mentaler Instabilität führen kann. Doch während der Lebensmitte brennt das Pitta stark und kraftvoll.

Seinen Höhepunkt hat es im Alter zwischen 34 und 36 Jahren. Hier erleben viele Frauen nochmals einen großen Transformationsprozess, in dem sie ihre eigene Stärke entdecken und das Leben nach neuen, selbstbestimmteren Kriterien ausrichten.

Das Alter, die von Vata bestimmte Lebensphase, beginnt mit dem hormonellen Wechsel der Menopause. In dieser Phase des Lebens blickt die Frau auf viele Erkenntnisse zurück und benötigt das Gefäß der Reinigung nicht mehr, weil sie alles in sich trägt. Von ihrer natürlichen Mutterfunktion befreit, kann sie nun ihr spirituelles Potenzial voll entfalten. Die mit dem Alter ansteigenden Vata-Qualitäten machen ihren Körper zwar etwas schwächer und gebrechlicher, doch die geistigen Kräfte in Form von Intuition, innerer Weisheit und spirituellen Fähigkeiten werden stärker.

Damit schließt sich das universale Rad und Frauen können auf ein Leben zurückblicken, in dem sie Rechtschaffenheit, Reichtum, Überfluss und viele andere Aspekte der Schöpfung erleben durften.


Heft 57 – Wohlfühlgewicht

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit dem Schwerpunkt Wohlfühlgewicht.