Katja S. war eine Sonnenanbeterin. Sie liebte die täglichen Spaziergänge in freier Natur und Aufenthalte an der See, das gab ihr zeitlebens Kraft, Frische und psychisches Wohlbefinden. Vor Beginn der neuen Sonnensaison kam sie im Februar in unsere Praxis mit Wunsch nach Behandlung ihrer „Pigmentstörungen“ und fragte nach ayurvedischen Möglichkeiten der Prävention vor diesen „lästigen Flecken“. Nach eingehender Untersuchung leiteten wir sie direkt an einen spezialisierten Dermatologen weiter, der unseren Verdacht nach sofortiger Entfernung leider bestätigte: Frau S. hatte Hautkrebs im Gesicht. Sie hatte Glück, der Krebs war noch im Frühstadium – aber mit der Diagnose zerbrach zunächst ein Lebensgefühl, die von ihr geliebte Natur unbeschwert genießen zu können.

Schon den alten Griechen, Ägyptern und Indern war die Kraft der Sonne bekannt und sie suchten einen gesunden Umgang mit dem Feuerplaneten. Auch die heutige Wissenschaft kennt Wirkungen und Gefahren des Sonnenlichtes, wobei häufig einseitig und nicht immer wissenschaftlich korrekt vor letzteren gewarnt wird.

Ist gesunde Bräunung überhaupt möglich? Welche Regeln gilt es aus ayurvedischer Sicht zu beachten? Wie findet man einen geeigneten Lichtschutz? Was kann man von innen tun?

Bräunung – eine Frage der Kultur

In Nord- und Mitteleuropa wurde die gebräunte Haut nach dem zweiten Weltkrieg zur körperlichen Visitenkarte, die über den erreichten sozialen Status informierte. Wer es sich privilegiert leisten konnte, in einem fernen Urlaubsland zu bräunen, der hatte es geschafft. Bis Ende der 70er Jahre, als der Massentourismus begann, war diese Urlaubsbräune ein teures Gut. Aber auch danach galt sie noch als Zeichen von Gesundheit, Genußfähigkeit, Schönheit und Fitness. Erst allmählich lässt sich in Teilen unserer Gesellschaft eine Rückkehr zur edlen Blässe erkennen, die einst Grundlage von Ästhetik war.

Es ist wie so oft: man will haben, was einem fehlt. Für dunkelhäutige Einwohner der Dominikanischen Republik gibt es nichts Edleres als eine weiße Hautfarbe – während sich hellhäutige europäische Touristen an den dortigen Stränden in praller Sonne braten.

Die Sonne aus ayurvedischer Sicht

Surya, die Sonne, hat im Ayurveda eine große Bedeutung. Sie ist die Grundlage des Feuerelementes im menschlichen Organismus und somit für unsere Körpertemperatur sowie alle Umwandlungsvorgänge im Rahmen der Verdauung und des Stoffwechsels zuständig. Ihre Eigenschaften sind heiß, trocken, leicht und penetrierend.

Therapeutisch kommen Sonnenbäder zur Reduktion überschüssiger Gewebe und „Verschlackungen“ zum Einsatz. Vor allem Kapha und Vata Konstitutionen profitieren von den Qualitäten der Sonne, da ihnen das Feuerelement nur in geringem Maße zur Verfügung steht. Aufpassen müssen hingegen Pitta dominierte Naturelle, die durch übermäßige Sonneneinwirkung systemisch überhitzen und bsp. Hautprobleme entwickeln können.

Vata Konstitutionen weisen eine dünnere, trockenere Haut auf und neigen zu vorzeitiger Hautalterung, die durch übermäßigen Sonneneinfluß verstärkt wird. Pitta Konstitutionen neigen zu geröteter Haut, Pigmentflecken und entzündlichen Reaktionen. Sie müssen besonders achtsam mit der Sonne umgehen, um Sonnenbrand und Pigmentveränderungen vorzubeugen. Die Haut von Kapha Konstitutionen weist eine stärkere Dicke auf und ist gut durchfeuchtet. Sie hat somit das stärkste eigene Schutzsystem und kann die Sonne besser tolerieren.

Grundsätzlich warnt der Ayurveda vor unkontrollierter Sonnenbestrahlung. Eine von drei zentralen Krankheitsursachen stellen klimatische Einflüsse dar, zu denen nebst Kälte, Trockenheit, Feuchtigkeit und Wind auch die Hitze der Sonne zählt. Jegliche Extreme dieser fünf Klimafaktoren begünstigen die Entwicklung von Krankheit. Die Sonne spendet nicht nur Wärmeenergie, sie raubt uns auch Kraft – im Sommer ist die Verdauung geschwächt und wir verspüren einen geringeren Appetit. Übermäßiger Sonneneinfluß stellt ayurvedisch zudem eine Ursache für „gereiztes Blut“ dar, aus dem sich zahlreiche Entzündungsprozesse und Blutungen entwickeln können.

In Indien kennt man die heilende und auch zerstörende Kraft der Sonne aufgrund der dortigen Strahlungsintensität und weiß sich vor ihr zu schützen. Europäer unterschätzen diese Kraft hingegen häufig und verbringen zu lange Zeiten täglich in der direkten Sonne während einer Ayurveda Kur. Das schwächt den Körper unnötig.

Entsteht Hautkrebs durch Sonnenlicht?

Die Formel „Sonnenlicht verursacht Hautkrebs“ ist ein weltweit rezitiertes Mantra, welches kontinuierlich Ängste vor der Sonne schürt und dringend einer Relativierung bedarf. Gefährliche Melanome treten am häufigsten an Stellen auf, die kaum der Sonne ausgesetzt werden – z.B. an den Fußsohlen. Auch Schleimhäute oder innere Organe können Melanome entwickeln, was einen kausalen Zusammenhang mit Sonnenstrahlung ausschließt. Büroangestellte entwickeln sogar häufiger Hautkrebs als Menschen, die im Freien arbeiten.

Die Art und Dosis macht das Gift: übermäßiges und falsches Sonnenbaden mit wiederholten Sonnenbränden (v.a. im Kindesalter) fördert das Krebsrisiko, angemessen dosierte Strahlung kann hingegen sogar eine Schutzwirkung haben.

Sonnenlicht ist wichtig für unsere Gesundheit

Licht beeinflusst unsere innere Uhr und bringt uns in den richtigen Takt. Sonnenlicht verbessert die Durchblutung und Sauerstoffversorgung der Haut und angrenzenden Gewebe. Vitamin D wird in der Haut unter Einwirkung von UV-Licht gebildet. Eine Unterversorgung begünstigt die Entwicklung zahlreicher Erkrankungen und ausreichend gebildetes Vitamin D gilt als wirksame Substanz zur Prävention vor Krebs.

Sonnenlicht fördert die Bildung des „Glückshormons“ Serotonin, welches bei Mangel als eine der Ursachen von Depressionen angesehen wird. Zugleich steigt bei Lichtmangel der Spiegel des Schlafhormons Melatonin an, was zu vermehrter Müdigkeit führt und ebenso depressive Verstimmungen fördern kann.

Ob gebräunte Haut gefällt oder nicht ist Geschmackssache und wird von Kultur zu Kultur unterschiedlich bewertet. Im Alter geht sie auf jeden Fall mit vorzeitiger Alterung durch Kollagenverlust und zunehmender Verdickung einher. Die Bräunung ist eine Schutzreaktion der Haut und das bräunliche Pigment Melanin wirkt als Radikalfänger. In Maßen dosiert fördert die leichte Bräunung somit unseren Selbstschutz.

Der passende Sonnenschutz

Der Einsatz von Lichtschutzmitteln ist ein komplexes Thema. Trotz mancher Versprechen der Kosmetikindustrie konnte eine signifikante Senkung der Hautkrebsrate durch Sonnenschutzcremes der früheren Generation bis heute nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil: durch die scheinbare „Schutzwirkung“ werden Konsumenten zu längeren Sonnenbädern verleitet.

Es werden zwei Arten von Lichtschutzfiltern unterschieden:

  • Chemische Filter zersetzen sich unter Einwirkung von UV-Licht, welches sie absorbieren und dessen Energie in Hitze umwandeln. Über deren toxisches Potenzial ist noch wenig bekannt, manche Filter wurden bereits vom Markt genommen.
  • Physikalische Filter wie Zinkoxid und Titandioxid wirken als Breitbandschutz durch Reflektion sowohl des UV-A als auch UV-B Lichtes. Diese Technik machten sich schon Urvölker zunutze.

Aus ayurvedischer Sicht ist den physikalischen Filtern klar der Vorzug zu geben.

Oft wird mit den Aussagen „wasserfest“ oder „langanhaltender Schutz“ geworben. Lassen Sie sich nicht verleiten, kein Sonnenschutzmittel behält seine Wirkung einen ganzen Tag lang und widersteht den Einflüssen von Meerwasser beim Baden oder Schweiß beim Sport. Tragen Sie daher bei Bedarf mehrmals täglich Ihren Lichtschutz in ausreichender Menge auf. Auch zu dünn aufgetragene Creme reduziert die Schutzwirkung.

Der Lichtschutzfaktor (LSF) gibt Aufschluß darüber, wie viel mal länger als die Eigenschutzzeit man sich mit Sonnenschutzmittel in der Sonne aufhalten kann, ohne einen Sonnenbrand durch UV-B zu entwickeln. Wenn bsp. die Eigenschutzzeit bis zur Rötung 10 Minuten beträgt und der LSF 30, kann man sich theoretisch bis zu 300 Minuten pro Tag in der Sonne aufhalten – was natürlich das gesunde Maß überschreitet. Der Eigenschutz hängt vom Hauttyp ab und beträgt 5-45 Minuten. Lassen Sie diesen vor dem Kauf eines Produktes professionell bestimmen. Ein moderner medizinischer Lichtschutz berücksichtigt zudem auch die Langzeitwirkung der UV-A Strahlen.

Wenden Sie vor einem Sonnenbad keine ölhaltigen Kosmetika an und vermeiden Sie ätherische Öle, bsp. in Parfums – diese bilden in Verbindung mit UV-Licht teils schwere Hautreaktionen.

Ayurvedische Prävention von innen

Durch UV-Strahlung kommt es zur Bildung freier Radikale in den Hautzellen, die durch „Radikalfänger“ unschädlich gemacht werden müssen. Hier kommt auch die Ernährung ins Spiel. Die ayurvedische Kost zeichnet sich durch ein hohes Maß an Gemüsen und Früchten aus, die zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe mit antioxidativer Wirkung beinhalten.

Die Nahrung unterstützt den Eigenschutz der Haut. Hier spielen v.a. das Betakarotin und Lycopin eine zentrale Rolle. Verzehren Sie daher regelmäßig Karotten, Süßkartoffeln, Aprikosen, Spinat, Broccoli, Kürbisse und maßvoll in Ghee gedünstete reife Tomaten.

Manche Substanzen steigern die Lichtempfindlichkeit und sollten in Zeiten erhöhter Sonnenbestrahlung gemieden werden. Hierzu zählen bsp. Johanniskraut, Zitrusfrüchte und zahlreiche Arzneimittel. Informieren Sie sich daher ggf. vorab bei Ihrem Therapeuten.

Besondere Vorsicht ist beim zeitgleichen Einfluß von UV-Strahlen und dem hohen Konsum an Pflanzenölen mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z.B. Sonnenblumen-, Walnuß- oder Leinöl) geboten, da diese leicht oxidieren und sich somit zahlreiche freie Radikale bilden. Das im Ayurveda verwendete Ghee ist stabiler und wird daher vor allem in sonnenreichen Jahreszeiten empfohlen.

Auch der Einsatz gezielter ayurvedischer Nahrungsergänzungen ist vor Beginn und während der Sonnensaison empfehlenswert. Hierzu zählen Pflanzen wie Amalaki, Granatapfel, Aloe Vera, Guduchi und Manjishta.

Katja S. hatte vorübergehend das Vertrauen in ihren Körper und seine Abwehrkräfte verloren. Heute, drei Monate später, sucht sie nach einem neuen, bewussteren Umgang mit der Sonne. „Ein bisschen Farbe“ wünscht sie sich noch immer. Zwei wichtige Erkenntnisse hat sie erworben: a) nicht die Sonne allein hat sie krankgemacht, sondern das Wechselspiel innerer und äußerer Faktoren; b) es gibt einen gesunden Mittelweg. Die Narbe im Gesicht erinnert sie jeden Tag daran. Sie hat Ihre Gewohnheiten umgestellt: „Zwischen 11 und 15 Uhr meide ich die direkte Sonne und achte mehr auf meine Ernährung. Außerdem ist es draußen am Morgen und am Abend ohnehin viel schöner…“


Heft 34 – Diabetes

Ein Heft rund um Ernährung – ernährunsbedingte Krankheiten verstehen, sowie sie ayurvedisch behandeln und vorbeugen.