Wichtiger Baustein der Ernährung
Acht Faktoren für eine gute Verträglichkeit

Im Ayurveda ist Weizen ein wichtiger Baustein der täglichen Ernährung. Neben Reis und gelben Mungbohnen zählt er zu den wichtigsten Nährstoffträgern für den Gewebeaufbau und ist in Form von Chapatti (Fladenbrot) oder Süßspeisen in jedem traditionellen Ayurveda-Menü enthalten.
Die ayurvedischen Schriften beschreiben den Weizen als leicht verdauliches Getreide, welches Körper und Psyche stärkt, aphrodisierend wirkt und sich besonders durch seine verbinden-denden und zusammenfügenden Kräfte auszeichnet. Diese heilenden Qualitäten des Weizens finden diätetischen Einsatz in Form von Heilsuppen bei Knochenbrüchen und speziellen Laddhu-Rezepturen zur Steigerung derFruchtbarkeit oder der mentalen Leistungsfähigkeit. Menschen mit zu starkem Verdauungsfeuer und Übersäuerung wird Weizenstärke – wie z. B. Seitan – empfohlen.

Pro und Kontra zum Weizen

Immer wenn ich bei meinen Ayurveda-Vorträgen und Ernährungsseminaren über die ayurvedische Beschreibung und Anwendungsweise des Weizens spreche, löst dies große Kontroversen aus. Der Weizen zählt heute zu den am meisten konsumierten Getreiden, jedoch auch zu den am meisten verpönten Lebensmitteln der westlichen Welt. Weizen macht dick, dumm und krank, so lautet der allgemeine Tenor. Immer mehr Menschen leiden unter einer Weizenunverträglichkeit und beseitigen quälende Verdauungsbeschwerden, chronische Müdigkeit und allergische Symptome allein durch einen strikten Verzicht auf Weizenprodukte.

Wer hat nun Recht? Das Pro und Kontra zum Weizen scheint unüberwindbar. Und doch gibt es aus ayurvedischer Sicht keinen Widerspruch, wenn wir uns die Thematik etwas genauer anschauen. Die ayurvedischen Beschreibungen des Weizens beziehen sich auf die alten Sorten, die seit Tausenden von Jahren der Ernährung des Menschen dienen und heute unter dem Namen Einkorn oder Emmer bekannt sind. Auch Dinkel zählt zu den Urgetreiden, welche mit dem Weizen verwandt sind und über viele ähnliche Eigenschaften verfügen.

Beide zeichnen sich durch einen süßen Geschmack, schwere und ölige Eigenschaften, süßen Geschmack nach der Verdauung und eine kühlende, anabolische Potenz aus. Sie werden in der Vata- und Pitta-regulierenden Ernährung sehr empfohlen. Das Besondere am Weizen ist aber, dass er trotz aufbauender und regenerativer Wirkung sehr leicht zu verdauen ist. Um Dinkel zu verstoffwechseln, braucht es etwas mehr Verdauungskraft. Damit ist Weizen die Nummer 1 für ausgezehrte und kraftlose Menschen, die unter einer Vata-Störung leiden.

Alte und neue Weizensorten

Leider treffen diese positiven Qualitäten nicht mehr auf den modernen Weizen zu. Die agrarwirtschaftlich hochgezüchteten und oftmals genmanipulierten Zuchtformen des heutigen Weizens sind ertragreicher, wachsen schneller und enthalten mittlerweile fast 50 % Gluten. Gegenüber den ursprünglichen Weizensorten hat sich damit der Glutengehalt verzehnfacht und es ist kein Wunder, dass der menschliche Organismus oft nicht mehr in der Lage ist, den modernen Retorten-Weizen zu verdauen. Und so können wir auch aus ayurvedischer Perspektive bestätigen: Ja, das was wir heute unter Weizen verstehen, ist unverträglich und ungesund. Verwenden wir hingegen die „alten“ Weizensorten wie Einkorn oder Emmer, so ist der Weizen ein gut verdauliches Grundnahrungsmittel. Dies können auch viele Patienten bestätigen, die nachweislich keine Zöliakie haben, aber trotzdem unter Symptomen der Gluten-Unverträglichkeit – wie Blähungen, Durchfall, Müdigkeit, Bauchfettansammlung und vielem mehr – leiden.

Achten diese Menschen darauf, konventionelle Weizenprodukte strikt zu meiden und bevorzugen stattdessen die alten Weizensorten (welche oftmals in Demeter- und Biolandprodukten verarbeitet werden), so erfahren sie eine direkte Verbesserung ihres Zustands. Ein Grund mehr also, keine Kompromisse bei der Qualität der täglichen Nahrung einzugehen und stets hochwertige Bioprodukte zu bevorzugen.

Acht Faktoren, um Weizen besser verträglich zu machen

Die Verwendung der richtigen, alten Weizensorten ist für viele Menschen der Schlüssel, um dieses wohlschmeckende Getreide wieder verdauen und genießen zu können. Der Ayurveda beschreibt jedoch insgesamt acht Faktoren der Nahrung, welche über gesund und ungesund entscheiden und speziell bei „kritischen“ Nahrungsmitteln, Unverträglichkeiten und Verdauungsstörungen beachtet werden sollten.

1. Prakriti

Die Eigenschaften der Nahrung
Wie bereits beschrieben, beziehen sich die gesunden Eigenschaften des Weizens auf die alten Weizensorten, welche auf hochwertige Weise ökologisch und ohne Genmanipulation angebaut werden.

2. Karana

Die Zubereitung der Nahrung
Um Weizen gut verstoffwechseln zu können, ist es laut Ayurveda empfehlenswert, ihn stets in gekochter oder gebackener Form zu sich zu nehmen (nicht roh). Ein vorheriges Anrösten steigert die trockenen und leichten Qualitäten und macht ihn noch leichter verdaulich. Auch die Zugabe von Gewürzen verbessert die Verträglichkeit von Nahrungsmitteln: Um die Gluten-toleranz zu verbessern, helfen laut Ayurveda Cumin und Ajwain am besten.

3. Samyoga

Die Kombination der Nahrung

Weizen hat eine nährende, regenerative und gewebeaufbauende Qualität. Diese wird verstärkt, wenn wir den Weizen – z. B. in Form von Gries oder Couscous – mit Milch, Nüssen, Trockenfrüchten, Fett und proteinreichen Nahrungsmitteln zubereiten. Wer den Weizen aufgrund seines Glutengehalts nicht so gut verträgt, sollte ihn vor allem mit etwas Ghee, bitteren Blattgemüsen und stoffwechselanregenden Gewürzen – speziell Cumin und Ajwain – zubereiten.

4. Rashi

Die Menge der Nahrung
Zu viel Essen ist die am meisten verbreitete Ursache ernährungsbedingter Beschwerden. Kein Wunder also, dass viele Menschen unter Weizenunverträglichkeit leiden, wenn in fast jeder Mahlzeit Weizenbrot, Weizenteig, Weizennudeln o. ä. enthalten sind. Stattdessen sollte auf vielfältige Auswahl im Getreidesortiment und eine ausgewogene Menüplanung geachtet werden.

5. Desha

Die Herkunft der Nahrung
Grundsätzlich gilt im Ayurveda: Regionale Nahrungsmittel werden stets am besten vom Organismus  aufgenommen. Wenn wir also die Möglichkeit haben, bei einem regional ansässigen Bio-Bauern die alten Weizensorten zu erwerben, umso besser.

6. Kala

Die Zeit der Einnahme
Nicht nur, was wir essen, sondern auch, wann wir es essen, entscheidet über die gute Ver- träglichkeit. Der chronobiologischen Dosha-Uhr des Ayurveda folgend, sind die optimalen Zeiten für den Weizenverzehr immer dann, wenn das Vata (und ggf. Pitta) hoch und das Agni schwach sind, also besonders am frühen Abend, im kalten Winter und im heißen Sommer.

7. Upeyoga Sanstha

Ort und Atmosphäre beim Essen
Um Nahrung gut zu verdauen, sollten auch psychische und energetische Faktoren berück- sichtigt werden. Nur an einem entspannten, sauberen Ort und ohne unangenehme Gesell- schaft, TV, Handy, Stress oder Streit können die parasympathischen Verdauungsvorgänge optimal arbeiten. Viele Fastfood-Produkte basieren auf Weizen und werden in unange-messener Weise eingenommen. Dies verstärkt häufig die Unverträglichkeit.

8. Upyokta

Emotionen beim Kochen und Essen
Achtsamkeit und liebevolle Emotionen beim Kochen und Essen verbessern die positive Wirkung der Nahrung. Negative Gefühle hingegen verschlechtern die Verträglichkeit. In diesem Sinne kann die negative bzw. angstbesetzte Einstellung zu einem Nahrungsmittel wie Weizen auch einen direkten Einfluss auf den Verdauungsprozess ausüben.

Fazit

Weizenkonsum ist also nicht gleich Weizenkonsum. Im Ayurveda werden viele allgemeine Aussagen differenzierter betrachtet und analysiert. So auch beim Weizen. Zum einen sollte man darauf achten, welchen Weizen man isst. Die ursprünglichen und biologisch
angebauten Weizensorten sind oft besser verträglich und enthalten wesentlich weniger Gluten. Zum anderen ist die Art der Zubereitung, Zeitpunkt und Umstände der Nahrungs-aufnahme, die Kombination mit Gewürzen und nicht zuletzt die Menge der aufgenommen Nahrung entscheidend für Verträglichkeit und Verwertbarkeit der aufgenommen Nahrung.

 


Heft 52 – Glück

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