Die Yoga -Wissenschaft der Reinigung

Yoga und Ayurveda wollen körperliche und geistige Gesundheit wiederherstellen, stabilisieren und nachhaltig unterstützen. Obwohl sie dabei teilweise unterschiedlichen Auffassungen folgen, ähneln sie sich in den Grundlagen an mancher Stelle. Beide Lehren kennen Reinigungen (panchakarmas und shatkarmas), welche weiterführende Verfahren vorbereiten. Auch bezieht sich Yoga auf Vorstellungen aus der ayurvedischen Lehre, etwa auf das Konzept der drei Doshas. So heißt es über die shatkarmas in der klassischen Schrift Hatha Yoga Pradipika: „Wenn Fett oder Schleim exzessiv vorhanden sind, soll shatkarma geübt werden… Andere Menschen, bei denen die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha ausgeglichen sind, brauchen diese Übungen nicht zu machen.“

Hatha Yoga Pradipika:  Diese Shatkarmas, welche den Körper reinigen, sind geheim. Sie haben mannig-faltige, wunderbare Resultate und werden bei den Yogis hoch geschätzt.    

Die Übungen gelten in Yogaschriften als geheim, weil sie unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers erlernt werden sollen. Manche Shatkarmas sind gefährlich, wenn sie nicht richtig praktiziert werden. Daher ist es immer ratsam, die ersten Schritte nur mit kundiger Begleitung zu gehen.

Reinigung im Yoga

Hatha Yoga beginnt mit Shatkarma: Traditionell waren es zuerst Reinigungsübungen, die einem Schüler bei Eintritt in den Ashram gegeben wurden.

  • als Reinigung aller Körpersysteme
  • durch 6 verschiedene Gruppen von Reinigungstechniken (mit 26 Übungen)
  • bei Ungleichgewicht der drei Doshas (Vata, Pitta, Kapha)
  • zur Reduzierung von Ama (Schlackenstoffe)

Gheranda-Samhita: Der Körper wird mit Hilfe der folgenden 6 Techniken gereinigt: Dhauti, Basti, Neti, Nauli, Trataka, Kapalabhati. Diese sechs müssen durchgeführt werden.

Dhauti

Die Übungsgruppe der dhauti dient der Säuberung des gesamten Verdauungstraktes. Da gibt es beispielsweise Prozeduren zum Durchputzen der Mundhöhle oder des Magens. Eine besonders wirkmächtige Übung der dhauti-Gruppe ist shankaprakshalana zur Reinigung und Entgiftung des Darmes. Der Yogapionier André von Lysebeth beschrieb Shankaprakshalana als eine der wesentlichen Praktiken des Kaya Kalpa, der yogischen Verjüngungskur, deren Zweck es ist, den Alterungsprozess aufzuhalten.

Man trinkt dazu größere Mengen von leicht gesalzenem Wasser. Spezielle Hatha Yoga Übungen treiben die Flüssigkeit sanft durch den Verdauungstrakt. Vorwärts-, Seit- und Rückwärtsbeugen verändern ständig die Druckverhältnisse im Körper, was das Wasser voran drängt und die Peristaltik unterstützt.
Shanka heißt Muschel, die innen eine Spirale besitzt. Ksalana heißt reinigen, waschen: Sinn des Verfahrens ist es, die „muschelförmigen“ Gedärme gründlich auszuwaschen. Der Verdauungstrakt wird hier vom Mund bis zum After gereinigt. Shankaprakshalana spült alte Kotreste und Verkrustungen, faulige Gärungsprodukte und Gase aus dem Darm hinaus.

Die Meister empfehlen, diese Übung zweimal jährlich zu machen: zu Beginn des Frühlings und des Herbstes. Diese Reinigung stärkt das Immunsystems, das zu 80 % in der Darmwand lokalisiert ist. Sie dämpft den Alterungsprozess, indem Giftstoffe ausgeschieden werden. Shankaprakshalana eignet sich auch als Einstieg für ein längeres Fasten.

Kontraindikationen

Hoher Blutdruck, Herzkrankheiten, Magengeschwüre, Nierenleiden, starkes Unter- oder Übergewicht, Personen in der Rekonvaleszenz, sehr junge oder sehr alte Menschen, Frauen während der Mensis und während der Schwangerschaft. Ferner sollte man niemals diese Übung aus Büchern erlernen, sondern nur unter fachkundiger Anleitung durchführen.

Neti – Die Reinigung von Nase und Nebenhöhlen

Hatha Yoga Pradipika: Neti reinigt den Schädel und schenkt Hellsichtigkeit. Es zerstört alle Krankheiten, die sich oberhalb der Kehle manifestieren.

Ärzte und Heilpraktiker empfehlen die Nasenwäsche bei Beschwerden im Kopf- und Hals- bereich. Sie hilft schnell und effektiv, Nasenwege und Nebenhöhlen zu reinigen. Man mischt lauwarmes Wasser mit Salz, bis es ungefähr wie Tränenflüssigkeit schmeckt. Diese Mixtur lässt man aus einem Nasenkännchen durch die Nase fließen. Die Behandlung löst nächtlichen Schleim und Verkrustungen, befreit die Nasenwege und unterstützt so einen beschwingten Start in den erwachenden Tag.

Kapalabhati – Der „Energiebooster“

Hatha Yoga Pradipika: Übe die Aus- und Einatmung schnell wie der Blasebalg eines Schmiedes. Dies wird Kapalabhati genannt und zerstört alle Übel des Schleimes.

Dieses Shatkarma kurbelt das Herz-Kreislauf-System an, vertreibt Müdigkeit und Lethargie. Die Übung besteht aus Folgen von jeweils einer sehr schnellen, energischen Ausatmung, gefolgt von jeweils einer passiven Einatmung. Um möglichst kraftvolle Luftstöße aus den Lungen zu erreichen, kontrahiert man die Bauchmuskeln zum Extrem und entspannt sie wieder. In der Entspannungsphase atmet man dann automatisch wieder ein.

Kapalabhati säubert die Luftwege in Nase, Nebenhöhlen und Kehle. Die rhythmische Spannung und Entspannung befreit die Lungen von überflüssigem Schleim (Kapha), der sich über Nacht angesammelt hat. Kapalabhati stimuliert auch die Organe und Muskeln im Bauchraum und regt sie an, angesammeltes Abfallmaterial hinaus zu befördern.

Kapalabhati reinigt alle zentralen Hohlorgane des Körpers. Es fördert die Bewegung der Doshas hin zum Verdauungstrakt und aktiviert kraftvoll das Blutkreislaufsystem.

Kontraindikationen

Jede Art von Schmerz (bei Unwohlsein sofort aufhören!), Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Magengeschwüre.

Nauli – Das Rotieren des Bauchmuskels

Hatha Yoga Pradipika: Nauli ist die wichtigste der Übungenm Yoga. Es entzündet das Feuer der Verdauung, beseitigt schlechte und langsame Verdauung, alle Unregel-mäßigkeiten der Doshas, und bringt `Glücklichsein` hervor. 

Nauli, das willentliche Rotieren des großen Bauchmuskels bringt schnell und effektiv viel Energie hervor. Es bedarf manchmal wochenlangen Lernens, aber einmal beherrscht ist diese Übung in fünf Minuten absolviert. Hervortreten und Kreisen des Bauchmuskels stimuliert das Verdauungsfeuer. Die starken Druckänderungen im Bauchraum treiben Blähungen und faule Gase aus dem Darm. Nauli regt den Stuhlgang an und unterstützt damit wichtige morgend- liche Reinigungsprozesse.

Trataka – Das Fixieren einer Kerzenflamme

Hatha Yoga Pradipika: Intensiv schauen mit unverrückbarem Blick auf einen kleinem Punkt bis Tränen ausge- schieden werden, ist bei den Acharyas (Lehrern) als Trataka bekannt. Trataka rottet alle Augenkrankheiten, Müdigkeit und Trägheit aus und schließt die Türen, die diese Probleme hereinlassen. Es sollte sorgsam geheim gehalten werden wie ein goldenes Schatzkästchen.

Bei der Trataka-Übung fokussieren die Augen auf ein kleines Objekt, etwa eine Kerzen-flamme. Dadurch kommen Ruhe und Aufmerksamkeit ins Sehen und Schauen. Trataka reinigt den Geist vom verwirrenden Übermaß visueller Eindrücke, denen wir tagsüber ausgesetzt sind, stärkt Augen und Nervensystem. Diese stresslösende und beruhigende Übung eignet sich zur Einstimmung auf eine Meditation oder als Vorbereitung auf einen erholsamen Schlaf.

Basti – Die Reinigung des Enddarms

Basti ist der wohlbekannte Einlauf per Klistier, ein altbewährtes Hausmittel etwa bei Ver- stopfung oder Fieber.

Die Yoga-Schriften schreiben Basti zu, von Beschwerden zu reinigen, die durch übermäßiges Vata, Pitta oder Kapha entstehen. Insbesondere die Gesundung von Vata (Gase) steht bei dieser Prozedur im Mittelpunkt. Ayurveda kennt zur Reduzierung von Pitta unter anderem kühle Einläufe. Spezielle Einläufe spülen auch im Dickdarm angehäuftes Kapha (Schleim), alten Stuhl und zuviel Energie in Form von Hitze aus.

Basti hilft bei Verstopfungen, Blähungen, träger Verdauung und nervösem Durchfall. Basti klärt aber auch die Gedanken und hebt die Energie. Wer einmal von einer Verstopfung oder hartnäckigen Blähung mittels eines Einlaufs befreit wurde, fühlt sich auf ungeahnte und neue Weise leicht und wohl.


Heft 49 – Detox auf ayurvedisch

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