Von allen Therapieformen gehört die Ernährungslehre zu den vielseitigsten Disziplinen des Ayurveda. Schon die alten Schriften des Ayurveda lehren uns, dass die richtige Ernährung ein maßgeblicher Baustein in der ganzheitlichen Ayurveda-Heilkunde darstellt und mindestens 50% des Heilungsprozesses von der täglichen Ernährungs- und Lebensweise des Patienten abhängen.

Die Wirkung der Nahrung umfasst zum einen die subtile Wirkung der Nahrung auf die psychischen Informationsspeicher in den einzelnen Körpergeweben, den therapeutischen Einsatz der Geschmacksrichtungen für das psychische Gleichgewicht und die Grundregeln für eine ganzheitliche Ernährungsweis, die das spirituelle Wachstum fördert.

Die ganzheitlichen Ernährungsempfehlungen für die einzelnen Konstitutionstypen sowie die differenzierte Auswahl von Lebensmitteln stellen ein wirkungsvolles Therapiesystem für das körperliche, geistige und seelische Gleichgewicht im Menschen dar. Die ayurvedische Ernährung eröffnet vielschichtige Dimensionen, um gezielt auf den grobstofflichen Körper mit seinen Dhatus (Gewebe), Srotas (Körperkanäle), Malas (Ausscheidungen) und Doshas einzuwirken und im feinstofflichen Körper die emotionalen und geistigen Aspekte der Chakren und Koshas positiv zu beeinflussen.

Ernährung für Körper und Geist

Im Ayurveda dient die richtige Nahrung nicht nur zum Aufbau gesunder Körpergewebe und eines aktiven Stoffwechsels, sondern ist auch für das emotionale Gleichgewicht und die spirituelle Entwicklung mit verantwortlich. So können die diätetischen Empfehlungen sowohl auf die körperlichen Bedürfnisse und Krankheiten abgestimmt werden, als auch auf die individuelle Persönlichkeit, Charaktereigenschaften und Spiritualität. Entscheidend für die Gesundheit und den Energiestatus des Menschen ist immer das Gleichgewicht seiner Doshas und die Substanz seiner Dhatus (Gewebe). Mit der täglichen Nahrung üben wir einen unmittelbaren Einfluß auf die Qualität unserer Körperfunktionen und Gewebe aus und bestimmen damit über die körperliche, emotionale und spirituelle Kraft in uns.

Entsprechend der Auswahl und Zubereitung der Nahrung können wir die Struktur und Substanz des grobstofflichen Körpers vermehren oder verringern und die energetische Qualität des feinstofflichen Körpers formen. Gemäß der ayurvedischen Psychosomatik werden alle negativen Erfahrungen und bedrückenden Gefühle in den dafür vorgesehenen Geweben einspeichert und manifestieren sich durch krankhafte Veränderungen. Mit Hilfe der richtigen Nahrung, gesunden Lebensempfehlungen, Heilkräutern und Reinigungstherapien erfahren Körper und Psyche eine tiefe Heilung und Transformation. Kennen wir die Wirkung der einzelnen Nahrungsmittel, Gewürze und Kräuter auf die Gewebe, so können wir mit speziellen Ernährungsregeln jedes einzelne Dhatu in seiner körperlichen Vitalität und emotionalen Struktur behandeln.

Rasa als wichtiges Therapeutikum für das psychische Gleichgewicht

Die Grundlage der ayurvedischen Ernährungstherapie basiert auf den sechs Geschmacksrichtungen Rasas, in die alle Nahrungsmittel, Kräuter und Gewürze eingeteilt werden. Die einzelnen Geschmacksrichtungen steuern unmittelbar die Stimmungslage und Gefühlswelt auf der psychischen Ebene. Sprichwörter wie „sauer macht lustig“ oder„ sich das Leben versüßen“ geben eine kleine Ahnung davon, wie die Geschmacksrichtungen auf der emotinalen Ebene wirken können.

In der individuellen Ayurveda Ernährungstherapie können die Geschacksrichtungen sehr differenziert auf die physische und psychische Konstitution und deren Störungen abgestimmt werden.

Das bedeutet in der Praxis, dass zum Beispiel eine Person aufgrund ihrer körperlichen Kapha-Eigenschaften viele bittere Gemüse, gedünstete Blattsalate und herbe Kräuter zu sich nehmen sollte. Wenn nun aber zusätzlich noch ein mentaler Vata-Überschuss vorliegt, der sich in innerer Unruhe, Ängsten und einem labilen Nervensystem zeigt, so müssen die bitteren und zusammenziehenden Nahrungsmittel unbedingt mit dem süßen Geschmack ausgeglichen werden. Der bittere und herbe Geschmack würde auf der psychischen Ebene die Ängste und die emotionale Labilität verstärken. In diesem Fall werden nun alle Salate, Blattgemüse und bitteren Substanzen immer mit etwas Honig* und süßlichen Gewürzen wie Kardamom, Zimt und Muskat abgeschmeckt und verfeinert.Sind alle sechs Geschmacksrichtungen in unserer Nahrung im ausgeglichenen Maße vorhanden, so wirken die Speisen automatisch besänftigend und harmonisierend auf das geistige und emotionale Gleichgewicht. Um die psychische Wirkung der Geschmacksrichtungen zu nutzen, ist es wichtig, die richtige Menge entsprechend der Konstitution und des Stoffwechsels zu dosieren. Essen wir zuviel von einem Geschmack, so schlagen sehr schnell seine negativen Wirkungen durch, nehmen wir hingegen zu wenig, kann sich die Wirkung zum Teil nicht entfalten. Einige ayurvedische Nahrungsmittel und Gewürze haben spezielle Heilwirkungen (Prabhava) und wirken besonders intensiv auf den Gefühlshaushalt oder das Hormonsystem ein. So werden z.B. durch Chili die gleichen Glückshormone ausgeschüttet, wie sie auch durch Schokolade vom Hormonsystem produziert werden. Wer also seinen Liebeskummer und Einsamkeit immer mit Schokolade überfuttert, sollte täglich 1/4 TL Chili in die Speisen geben. Es wirkt sofort!

* Anmerkung der Redaktion: Honig besitzt zwar die Qualität bitter / adstringierend, als Rasayana hat Honig aber auch eine süß ausgleichende Wirkung auf der emotionalen Ebene.


Heft 04 – Essen Sie sich gesund

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