Ayurveda zählt zu den ältesten Gesundheitslehren der Menschheit und entstand vor Jahrtausenden in Nordindien. Die systematisch beschriebenen Naturgesetze, nach denen Gesundheit und Krankheit sich entwickeln, sind zeitlos und ortsunabhängig.

Der klassische Ayurveda, dessen Inhalte in den berühmten Kompendien von Caraka, Sushruta, Vagbhata u.a. überliefert wurden, fordert uns zur Berücksichtigung zeitlicher (Kala), örtlicher (Desha) und familiär-soziokultureller (Kula) Gegebenheiten in der Anwendung therapeutischer Maßnahmen auf. Somit entsteht eine eigene Ayurveda-Medizinkultur in den jeweiligen Anwendungsländern, die ohne Verlust an klassischer Authentizität bedürfnisorientiert wirkt.

Ich möchte Ihnen in dieser Rubrik praxisnahes Wissen rund um die moderne europäische Anwendung des Ayurveda vermitteln. Dazu zählen künftig u.a. Beiträge zu folgenden Themen: europäische Heilpflanzen und Rezepturen aus ayurvedischer Sicht, moderne europäisch-ayurvedische Ernährungsmedizin, neueste Diagnosemethoden und deren ayurvedische Interpretation, Ayurveda und Psychosomatik, Ayurveda und Chronobiologie, Bewegungs- und Trainingstherapie aus ayurvedischer Sicht und Fallbeispiele aus der täglichen Praxis- und Kurarbeit.

Kommunikation

In jeder Kommunikation gibt es Sender und Empfänger einer Botschaft. Nachrichten werden nach Prof. Schulz von Thun (Kommunikationspsychologe) auf vier Ebenen ausgetauscht und gemäß den persönlichen Erfahrungen wahrgenommen: Sachbotschaft, Appellbotschaft, Beziehungsbotschaft und Selbstoffenbarungsbotschaft.

Veranschaulichen wir uns diese vier Ebenen an einem ganz einfachen Beispiel aus der Praxis: Ihr Patient sagt Ihnen in einer ersten Folgekonsultation vier Wochen nach Therapiebeginn „lch habe es doch qewusst, auch Ihr Ayurveda kann mir nicht helfen“.

Auf der Ebene der Sachbotschaft ist der Inhalt klar, Ihre Therapie hat aus Sicht des Patienten bislang nicht wunschgemäß gewirkt. Auf der Ebene der Appellbotschaft kann die Aufforderung ankommen, „helfen Sie mir!“. Auf der Ebene der Beziehungsbotschaft kann, abhängig von Tonfall, gewähltem Moment und der bereits entwickelten Beziehung, ein versteckter Vorwurf übermittelt werden – „Ayurveda taugt doch sowieso nichts“ oder „auch Sie sind nicht in der Lage, mir zu helfen!“. Auf der Ebene der Selbstoffenbarungsbotschaft kann vermittelt werden „meine Heilung ist nicht eine Frage des Therapiesystems, sondern eine Frage meiner eigenen Einstellung“.

Prüfen Sie Ihre Kommunikation und überlegen Sie, welche Botschaften bei Ihrem Gesprächspartner und bei Ihnen auf den vier Ebenen ankommen können. Somit beugen Sie Missverständnissen vor und schaffen ein vertrauensvolles Gesprächsklima. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie einfach nach.

Im modernen europäischen Ayurveda ist der Patient selbständig und ein gleichwertiger Partner im Behandlungsprozess. Methoden der Befehlserteilung wie etwa „Nehmen Sie diese Medikamente 3x täglich, meiden Sie in der Ernährung XV, arbeiten Sie weniger und entspannen Sie sich mehr“ sind nicht zeitgemäß und wirken mehr als Rat-„Schläge“ mit der Folge, dass Ihr Patient entweder gar nicht erst mit der Umsetzung beginnt, diese nur halbherzig vornimmt oder nach vier Wochen die Nase voll hat. Wie kann Ihre Kommunikation motivierender wirken?

Achtsamkeit – der Schlüssel zu erfolgreicher Kommunikation

Der klassische Ayurveda teilt Diagnostik in die Bereiche der anamnestischen Befragung (Prashna Pariksha) und der Wahrnehmung mittels der fünf Sinnessysteme (Panchendriya Pariksha) ein. In der Erstkonsultation entscheidet sich, ob ein Patient Vertrauen zu Ihnen und Ihrer Methode entwickelt, als Team mit Ihnen im Behandlungsprozess Verantwortung übernimmt und Veränderungsbereitschaft einbringt.

Eine Grundlage achtsamer Kommunikation ist das „aktive Zuhören“. Carl Rogers, einer der führenden Persönlichkeiten der Gesprächspsychotherapie, hat folgende sieben Leitlinien für aktives Zuhören definiert, die in einer Ayurveda-Praxis von großem Nutzen sein können:

  • Lernen Sie, Ihren Gesprächspartner wertzuschätzen und entwickeln Sie Empathie.
  • Beobachten Sie Ihre eigene Körpersprache, Mimik und Gestik und halten Sie stets Blickkontakt.
  • Wenn Sie etwas nicht klar verstanden haben, fragen Sie direkt nach.
  • Paraphrasieren Sie regelmäßig durch Wiederholung des Gehörten, um das Verstandene zu überprüfen.
  • Entwickeln Sie Geduld, lassen Sie Ihren Gesprächspartner ausreden, halten Sie sich mit Ihrer eigenen Meinung zurück und lernen Sie Pausen einzulegen.
  • Interpretieren Sie nicht voreilig das Gehörte und lassen Sie sich nicht durch Vorwürfe aus der Ruhe bringen.
  • Versetzen Sie sich in die Gefühle Ihres Gesprächspartners und achten Sie dabei auf Ihre eigenen Gefühle.

Motivation – der Motor für Veränderung

Ayurveda sieht in der unzuträglichen Ernährung und Lebensführung (Mithyaharavihara) eine zentrale Ursache für die Entwicklung von Krankheit. Durch Meiden ursächlicher Faktoren (Nidana Parivarjana) kann jeder Beschwerde die Grundlage entzogen werden. Jeder Mensch hat seine individuellen Gründe, weshalb er unzuträgliche Gewohnheiten wider besseren Wissens nicht aufgibt. Wie können wir ihn dabei unterstützen? Die Antwort ist einfach: Stärken Sie seine Motivation, ein klar definiertes, emotional aufgeladenes Behandlungsziel in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen. Sie werden sehen, dass ein motivierter Patient Einschränkungen nicht als Verlust an Lebensqualität, Einnahmen unangenehm schmeckender Pflanzen nicht als Qual und aktive Gesundheitshandlungen nicht als Zwang, sondern als effektive Werkzeuge auf dem Weg zu Gesundheit und Lebensfreude wahrnimmt. Wie ist eine derartige Motivationssteigerung zu erreichen? Ich empfehle drei Schritte zu berücksichtigen:

Schritt 1 – Werteorientierung
Ermitteln Sie Werte, Bedürfnisse und Wünsche Ihres Patienten. Wie wichtig ist ihm Gesundheit, welche Motive haben ihn zu einer Konsultation bei Ihnen geführt? Werte sind eine primäre Quelle der Motivation. Wenn die Wertvorstellungen Ihrer Patienten in der Therapie zur Geltung kommen, empfinden diese ein Gefühl der Befriedigung und Harmonie. Achten Sie daher darauf, Ihren Patienten keine eigenen Anschauungen überzustülpen und orientieren Sie sich nach ihnen.

Schritt 2 – Zielorientierung
Definieren Sie gemeinsam Therapieziele und entwickeln Sie Zielbilder. Ziele sollten positiv ausgerichtet, attraktiv, konkret, messbar und erreichbar sein sowie alle damit verbundenen Wirkungen und Nebenwirkungen berücksichtigen. Fragen Sie Ihre Patienten, wie sich der erwünschte Zustand genau anfühlt und lassen Sie diesen mit allen Sinnen beschreiben.

Schritt 3 – Teamorientierung
Stellen Sie umsetzbare Therapieoptionen in verständlicher Sprache vor und wählen Sie unter den Möglichkeiten gemeinsam mit dem Patienten einen individuell ansprechenden Weg aus. Je stärker Ihr Patient aktiv mitwirkt, desto nachhaltiger sind die Therapieerfolge.

Trainieren Sie Ihre Kommunikation

Erfolgreiche Kommunikation bedarf stetigen Trainings. Zeichnen Sie ausgewählte Gespräche audiovisuell auf und analysieren Sie Ihre Körpersprache, Mimik, Gestik, Stimme und Sprache. Die Grundlage therapeutischer Arbeit ist geprägt von Wertschätzung und Empathie. Die „4-M-Formel“ erleichtert den Kontakt zum Patienten – man muss Menschen mögen!


Heft 21 – Anspannung und Stress

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