Wir verarbeiten heute an einem Tag so viele äußere Reize, wie ein Mensch im Mittelalter vermutlich während seines ganzen Lebens. Um bei dieser hohen Kadenz die richtigen Entscheidungen zu treffen, müssen wir mental und physisch gesund und stark sein – ansonsten drohen Überlastung, Burnout und die Entgleisung des Energiehaushaltes. Genau hier setzt das Eisbaden an. Denn unter professioneller Anleitung kann die im Trend liegende Kältetherapie einiges mehr, als Schnappatmung hervorzurufen und Adrenalin-Kicks zu verschaffen: Sie stärkt nicht nur die geistige und körperliche Widerstandskraft und weckt die Lebensgeister, sondern hilft auch, sich selbst und das eigene Bauchgefühl wieder wahrzunehmen und Stress abzubauen.

Der Körper unter Stress

Ohne Frage stellt Eisbaden aufgrund der thermischen Belastung akuten Stress dar. Schon ein bis fünf Minuten in eiskaltem Wasser aktivieren das sympathische Nervensystem mit seiner „Kampf oder Flucht“-Reaktion und führen vor allem zu einer erhöhten Noradrenalin-, und Dopamin-Ausschüttung des Körpers. Doch immer, wenn wir unsere eigenen Grenzen überschreiten, ist dies zunächst „Stress“ für den Körper – ob wir nun das erste Mal Joggen gehen oder eine eiskalte Dusche nehmen. So wie sich beim Laufen mit der Zeit der Körper der Tätigkeit anpasst und sich Muskeln bilden und unsere Ausdauer verbessert, so profitieren wir auch beim Eisbaden langfristig vor allem von der Anpassungsreaktion. 

Kälteexposition als Therapie

Aus diesem Grund wird Eisbaden auch als Therapie genutzt. Die Wissenschaft zeigt, dass Kältetherapie die Fettverbrennung anregt, das Immunsystem stärkt, Depressionen lindert und Schwermut auflöst, allgemein widerstandsfähiger macht und einfach Freude bereitet. Wer einmal ein Eisbad genommen hat, weiß, wie energievoll, wach und fast schon ein wenig euphorisch man sich danach fühlt. Das liegt auch an der Ausschüttung des Hormons Noradrenalin. Schon seit den 70er Jahren werden Eisbäder erfolgreich auch bei Rheumapatienten eingesetzt. Diese berichten, dass Entzündungen, Schmerzen und Schwellungen abklingen und sich die Beweglichkeit in den Gelenken wieder erhöht. Später fand man heraus, dass Kälte auch systemisch eine entzündungshemmende Wirkung hat. Unmittelbar spürbar für jeden von uns ist auch, dass das Nehmen von Eisbädern uns hilft, besser mit Stress umzugehen. Mit jedem Eisbad setzen wir uns freiwillig Stress und Schmerz aus – wenn wir das überstehen und darin Frieden finden, können wir im Alltag auch mit ganz anderen Situationen umgehen. Man lernt die eigenen mentalen Grenzen zu überschreiten und geht gestärkt als Mensch daraus hervor.

Ist Eisbaden für Jeden geeignet?

Es kommt immer wieder vor, dass Menschen Bedenken haben und nicht sicher sind, ob Kälteexposition für ihren Körpertyp wirklich das Richtige ist. Trotzdem fasziniert es sie ja scheinbar. Der beste Rat, den man dann geben kann ist: Probieren Sie es einfach aus. Kälte ist eine kostenfreie Ressource und man kann sie wunderbar dosieren – fangen Sie einfach morgens an, für 30 Sekunden Ihre Waden kalt abzuspülen oder nehmen Sie eine kalte Dusche. Wenn sich das gut anfühlt, können Sie es auch mal mit einem kurzen Eisbad versuchen. Jeder Mensch ist unterschiedlich und am besten ist es immer, es einfach mal auszuprobieren und auf sein Körpergefühl zu hören. Letzten Endes gilt für Eisbaden dasselbe, wie auch für Sport oder die Ernährung: In der richtigen Dosis kann es heilsam sein, in zu hoher Dosis aber auch negative Wirkungen zeigen.

Die richtige Atmung

Die ausgebildeten Instruktorinnen und Instruktoren sind jedoch nicht nur geschulte „Bade-Meister“: Sie zeigen auch wie der Aufenthalt im eisigen Nass mit speziellen Atemtechniken und einem fokussierten Mindset genutzt werden kann, um extremen Temperaturen erfolgreich standzuhalten und zunehmend Kontrolle über Körper und Geist zu erlangen. 

Durch bewusstes, tiefes Ein- und Ausatmen wird dem Körper beispielsweise vermehrt Sauerstoff zugeführt, der zu einer Aktivierung des Stoffwechsels in den Zellen führt. Gleichzeitig verringert sich die Kohlendioxid-Konzentration, das Blut wird alkalischer und der Säuren-Basen-Haushalt gleicht sich aus. Das Hormonsystem sorgt zudem für Glücksmomente, indem es Endorphine freisetzt.

Wie in wissenschaftlichen Experimenten mit dem Begründer des weltweiten Eisbadetrends, dem „Iceman“ Wim Hof, belegt wurde, beeinflussen diese spezifischen Atemübungen auch das vegetative Nervensystem und tragen so zu kontrollierten Stressreaktionen bei. 

Regelmäßig Atemübungen zu praktizieren, führt jedoch auch dazu, dass wir dieses Bewusstsein mit in unseren Alltag nehmen. Wir nehmen wahr, wenn sich im Tagesverlauf unsere Atmung verändert – vielleicht atmen wir plötzlich mehr durch den Mund oder atmen flacher und merken, dass wir angespannt sind – die Atmung ist ein gutes Tool, uns zurück in den aktuellen Moment zu bringen und unser Körpergewahrsein zu steigern.

Gestärkt für das Leben

Kälteexposition, Atemtechniken und Fokusübungen sind ein Powerpaket, das rasch zu positiven Effekten führt. Sie sind jedoch kein Wettbewerb und keine Leistungsdisziplin. Die Übungen bedürfen einer professionellen Einführung und erfordern Geduld und Hingabe. Die Exposition sollte achtsam und langsam, unter Befolgung der Sicherheitshinweise angegangen und allmählich gesteigert werden. So kann die Kraft, die aus der Kälte kommt, zu einem hervorragenden Sparringspartner für einen gestärkten Sprung ins Abenteuer Leben werden. 

Tipps für das erste Eisbad

1. Extreme Kälte kann ein Schock für den Körper sein. Deshalb sollte die Kälteexposition langsam begonnen und allmählich gesteigert werden – zum Beispiel indem der tägliche Duschvorgang jeweils mit kaltem Wasser beendet und die Dauer langsam gesteigert wird. Starten Sie erst mit einem Eisbad, wenn Ihnen die morgendliche Dusche leicht fällt.

2. Werden Sie sich über Ihre Intention klar. Aus welchem Grund möchten Sie sich der Kälte aussetzen – aus gesundheitlichen Gründen, möchten Sie wacher und glücklich werden oder vielleicht einfach etwas „abspülen“ im Leben?

3. Leiden Sie unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, starkem Bluthochdruck, Epilepsie, schwerer Diabetes oder starkem Asthma sollten Sie auf das Eisbaden verzichten. Ebenso während einer Schwangerschaft. Im Zweifelsfall sollten Sie vor einer Kälteexposition unbedingt einen Arzt konsultieren.

4. Befolgen Sie beim Eisbaden immer die 2-er Regel: Gehen Sie immer nur zu zweit und nie alleine, fangen Sie mit maximal zwei Minuten an und gehen Sie zu Beginn nicht öfter als 2 mal pro Woche.

5. Eisbaden in der freien Natur sollte in ruhigen Gewässern praktiziert werden.

Hinweis: Eisbaden und Kältetherapie ist kein Bestandteil der klassischen ayurvedischen Therapie.