Wald tut gut – das spüren wir intuitiv. Nach einem ausgiebigen Spaziergang im Wald fühlen sich die meisten Menschen entspannter als vorher. Dennoch macht es einen Unterschied, ob wir „einfach so“ durch den Wald spazieren, vielleicht sogar in ein anregendes Gespräch mit Freunden vertieft, oder ob wir uns bewusst eine kleine Auszeit in der Natur nehmen. Abschalten, entschleunigen und Energie tanken – das funktioniert besonders gut, wenn wir in uns hineinspüren und ganz im Hier und Jetzt ankommen. 

Wandern, Joggen und Mountainbiken – das kennen und lieben wir. Doch beim Waldbaden besucht man den Wald auf eine neue Weise, bei dem der achtsame Aufenthalt in der Natur im Vordergrund steht. Es geht darum, absichtslos ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen durch den Wald zu schlendern und mit allen Sinnen in die Atmosphäre des Waldes einzutauchen.  

© Steven Kamenar auf Unsplash

Waldbaden – das steckt hinter dem neuen Trend

Waldbaden wurde in Japan mit Beginn der 80er Jahre als „Shinrin Yoku“ beliebt. In dieser Zeit begann die staatliche Forstverwaltung in Japan Waldveranstaltungen zu organisieren, mit denen sie den Menschen den Wald näherbringen wollten. Man war überzeugt, dass achtsame Waldaufenthalte Stress effektiv bewältigen könnten und merkte schnell, wie positiv das Waldbaden wirkt. Seit 2004 werden die Auswirkungen von Waldaufenthalten auf den Menschen dort wissenschaftlich erforscht. Inzwischen beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit mit dem Wald aus gesundheitspsychologischer und -physiologischer Sicht und es entstehen immer mehr waldtherapeutische Angebote.  

Doch wie neu ist der Trend wirklich? Lebten unsere gemeinsamen Vorfahren noch mit und eingebettet in die Rhythmen der Natur, so hat uns die heutige technisierte und urbane Welt weitgehend entfremdet von der natürlichen Verbindung zu dieser. Doch seit einigen Jahrzehnten lässt sich ein Umdenken feststellen und Menschen erkennen, wie gut es sich anfühlt, Zeit in der Natur zu verbringen. So kam nun zum Joggen und Mountainbiken – bei denen der Wald eher als Kulisse dient – auch noch das Walderleben hinzu – der Wald selbst wurde zum Hauptdarsteller.  

 

In mehreren Studien kann gezeigt werden, dass Waldaufenthalte sowohl zu einer Reduktion von negativen Gedanken als auch zu gesundheitsförderlichen physiologischen Veränderungen führen. Sie senken z.B. Stresshormone, können zur Deaktivierung einer Gehirnstruktur im präfrontalen Kortex führen, die bei Trauer und depressiven Gedanken pathologisch aktiv ist und führen zur Zunahme der Konzentration des herzschützenden Hormons DHEA (Dehydroepiandrosteron), wie der japanische Mediziner und Immunologe Qing Li aufzeigt. Ein Waldbad kann jedoch auch ein wahrer Immunbooster sein! 

© Michael Vrba auf Unsplash

Baden Sie sich frei!

Baden im Wald – da liegt der Verdacht nahe, in einen kühlen Waldsee zu springen. Doch nein, Badehose und Bikini können getrost zu Hause bleiben. Eintauchen tun wir trotzdem, nämlich in die faszinierende Welt des Waldes. In eine Welt, die uns so willkommen heißt, dass sie uns auf allen Ebenen stärkt und energetisiert. Machen wir uns das einmal bewusst, fällt es uns gar nicht mehr so schwer, langsam zu gehen, zu schlendern, stehen zu bleiben und zu lauschen. Wo es uns gefällt, rasten wir und genießen die Natur um uns herum voll und ganz. Die Langsamkeit, die Entschleunigung, das „Einen-Gang-Herunterschalten“ ist das Besondere am Waldbaden. Es ist ein bewusstes Ankommen in der Natur, statt eines Hindurchlaufens.  

Lösen wir uns einmal von all den wissenschaftlichen Studienergebnissen, so können wir auch einfach festhalten, dass das Waldbaden einen wunderbaren Effekt auf Körper, Geist und Seele hat – egal ob für Vata, Pitta oder Kapha Dosha – die Laune hebt und für ein inneres Gleichgewicht sorgt. Kleine Achtsamkeits- und Atemübungen, einfache Meditationen und Wahrnehmungsübungen für alle Sinne ergänzen das Naturerlebnis und führen zu einer tiefen Ruhe und Entspannung. Wir entdecken das Kleine, Unaufgeregte in der Natur, und können damit auch uns selbst ganz neu entdecken. Der Wald steht uns immer offen und bietet uns Rückzugsmöglichkeiten in der Stille. Hier können wir sein, wie wir wirklich sind und spüren, was wir wirklich brauchen.  

© Oksana Zub auf Unsplash

Achtsame Absichtslosigkeit

Das, was so einfach klingt, achtsam und absichtslos den Wald zu durchstreifen, ist für viele jedoch gar nicht so leicht oder zumindest doch sehr ungewohnt. Wenn man absichtslos unterwegs ist, hat man keinen festen Plan im Kopf, man denkt nicht über morgen nach und treibt keinen zielführenden Sport. Man geht nur – um des Gehens willen. Beim Waldbaden können wir uns treiben lassen, wir müssen nämlich nichts erreichen – wir können alles, was kommt, einfach geschehen lassen und im Geschehen lassen auch annehmen. Das befreit ungemein. Wir erhalten Freiräume, in denen wir uns voll entfalten können. 

Wieder lernen zu Erstaunen 

Zur Absichtslosigkeit gesellt sich das Staunen. Sind wir ohne Ziel im Wald unterwegs und genießen alles, was wir entdecken, bleibt das Staunen nicht lange aus: Wie faszinierend ist das Spinnennetz, so filigran und doch so stark. Oder der Wassertropfen, in dem sich der ganze Wald spiegelt und der ewig und ganz ohne Anstrengung am Blatt hängen kann. Staunen können wir auch über Knospen, Pilze, Düfte, Töne – es gibt unendlich viele Dinge in der Natur, die uns erstaunen lassen. Wir müssen nur neugierig und offen bleiben, wie ein Kind, und uns verzaubern lassen von dem, was da ist. Wir müssen vom Denken ins Fühlen kommen. 

Tipps für Ihr persönliches Waldbad 

Nehmen Sie sich mindestens zwei Stunden Zeit für Ihr Waldbad. Sie sollten nicht mehr als zwei bis drei Kilometer in dieser Zeit zurücklegen. Kommen Sie im Wald an und schließen Sie die Augen, wenn Sie möchten. Nehmen Sie Ihre Atmung bewusst wahr, ohne den Atemrhythmus zu verändern. Einfach nur wahrnehmen: ein – aus – ein – aus. Wie geht es Ihnen? Wie fühlen Sie sich? Öffnen Sie langsam die Augen, nehmen Sie noch ein bis zwei tiefe Atemzüge und beginnen Sie Ihr Waldbad. Schlendern Sie gemütlich den Weg entlang, den Sie sich ausgesucht haben. Aktivieren Sie all Ihre Sinne:  

Sehen:  
Nehmen Sie alle Farben um sich herum wahr. Welche Grün- oder Brauntöne gibt es zu sehen? Nehmen Sie alle Formen wahr. Schauen Sie sich die Borke der Bäume an, welche Muster sehen Sie? Schlendern Sie zum nächsten Ort. Ganz langsam, Schritt für Schritt.  

Riechen:  
Wie riecht der Wald, wie die Blätter, die Rinde und die Wurzeln? Nehmen Sie etwas Erde oder Laub in die Hände und schnuppern Sie daran. Kommen Erinnerungen? Schließen Sie die Augen – verändert sich dabei der Geruch und Ihre Wahrnehmung?   

Hören: 
Lauschen Sie in den Wald, öffnen Sie Ihre Ohren. Was hören Sie mit geöffneten und was mit geschlossenen Augen? Hören Sie auch die Stille zwischen den Geräuschen?  

Tasten und Fühlen: 
Berühren Sie die Rinde der Bäume – warm oder kalt, wie ist ihre Struktur? Fühlen Sie das Moos und streichen Sie sanft über Gräser und Kräuter.  Fassen Sie in das Wasser, wenn Sie an einem Fluss vorbeikommen. Ziehen Sie die Schuhe aus und fühlen Sie den Waldboden unter Ihren Fußsohlen oder das Wasser zwischen den Fußzehen.  

Schmecken:  
Im Freien schmeckt es anders – machen Sie ein gemütliches Picknick unter Bäumen. Was Sie im Wald gut kennen, können Sie natürlich auch gleich direkt probieren: ein frisches Buchenblatt oder die frischgrünen Fichtenwipferl im Mai und Beeren im Herbst.  

Am Ende Ihres persönlichen Waldbades nehmen Sie sich wieder fünf Minuten Zeit zum Reflektieren. Schließen Sie die Augen, lassen Sie das Waldbad auf sich wirken. Wie fühlen Sie sich jetzt, wie geht es Ihnen? Ich wünsche Ihnen wundervolle Erlebnisse in Ihrer achtsamen Waldauszeit!