Das Herz ist gleichbedeutend mit dem Leben selbst. Deshalb nimmt es im Denken und Fühlen der Menschen – und somit nicht nur körperlich – schon immer einen zentralen Platz ein. Fragt man Menschen, wo sie sich Selbst, ihre Seele oder ihren Spirit fühlen, dann deuten sie fast immer aufs Herz. Deshalb sieht der Ayurveda den Atman, das Selbst im Herzen lokalisiert. Wenn wir hier also von der Gesundheit des Herzens sprechen, dann müssen wir beide Aspekte betrachten, den körperlichen und den seelischen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Störungen des Herzens ayurvedisch klassifiziert werden und was wir tun können, um diese präventiv vorzubeugen und unsere Gesundheit zu stärken.

Das Herz und seine häufigsten Störungen

Erkrankungen des Herzens sind eine Zivilisationserscheinung. Im Vordergrund stehen meist Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße. In leichteren Fällen äußern sich diese in der Angina pectoris, die zu Herzschmerzen bei Belastung führt. In schweren Fällen führen die verstopften Gefäße zum Herzinfarkt. Zu den Ursachen für die Durchblutungsstörungen zählen erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes. Diese lassen sich in aller Regel auf Fehlernährung, Bewegungsmangel und Stress zurückführen, wobei erbliche Faktoren verstärkend wirken können. Sie zählen deshalb zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten, da sie maßgeblich durch unseren Lebensstil bedingt sind. Die gute Nachricht also: Mit einem gesunden Lebensstil, der uns körperlich wie geistig fit hält – und uns außerdem glücklich macht –, können wir Störungen im Herz-Kreislauf-System gezielt vorbeugen.

Herzkrankheiten aus ayurvedischer Sicht

Das Herz spielt im Ayurveda eine zentrale Rolle, sowohl in physischer als auch in psychischer Hinsicht. Die verschiedenen Arten von Störungen des Herzens (Hrd-roga)werden im Ayurveda je nach Dosha-Dominanz eingeteilt. Ungleichgewichte können durch erhöhtes Vata, Pitta und Kapha entstehen und müssen dementsprechend immer individuell therapiert werden.

Kapha-dominierte Formen gehen oftmals mit Übergewicht und erhöhten Blutzucker- und Blutfettwerten einher. Die meisten Erkrankungen des Herzens sind auf erhöhtes Kapha und auf das Vorhandensein von Ama (unverdaute Nahrungsmittelbestandteile) zurückzuführen. Störungen wie Arteriosklerose, Thrombose oder auf Übergewicht beruhender Bluthochdruck zählen beispielsweise dazu.

Ursache von Vata-dominierten Herzbeschwerden sind häufig unregelmäßige, nicht konstitutionsgerechte oder mangelhafte Nahrungsaufnahme und Flüssigkeitszufuhr, Überanstrengung und Stress. Typische Störungen sind Herz-Rhythmus-Störungen oder Bluthochdruck, bei welchem seelische Belastungen zentrale Auslöser sind.

Pitta-dominierte Herzbeschwerden gehen oft z. B. mit Übersäuerung oder Entzündungsprozessen einher und können auf unpassender Ernährung und dem übermäßigen Konsum von Genussmitteln und Stress beruhen. Typische Störungen, bei denen Pitta eine dominante Rolle spielt, sind chronische Entzündungen des Gefäßsystems oder Entzündungen des Herzmuskels.

Die Ursachen sind jedoch komplex und können nur von einem erfahrenen Ayurveda Mediziner angemessen diagnostiziert und behandelt werden. Unnötig zu sagen, aber bei bereits bestehenden Erkrankungen des Herzens müssen Sie zunächst immer einen Arzt aufsuchen. Sie haben nur ein Herz und damit sollte man nicht im Selbstversuch experimentieren!

Wenn wir an ein gesundes Herz denken, dann geht es in erster Linie um gesunde Gefäße. Die Schädigung der Gefäße beginnt grundsätzlich mit einer Reizung ihrer inneren Auskleidung. Entstehen kann diese durch erhöhten Blutdruck, durch Entzündungen, wie sie häufig beim Diabetes auftreten aber auch durch andere Stoffwechselprobleme oder freie Radikale. Versuche des Körpers, den Schaden zu reparieren – hier spielen auch die Blutfette eine Rolle – führen dann langsam zu der gefürchteten Verengung der Gefäße, der Arteriosklerose.

Störungen des Herzens mit Ayurveda ganzheitlich vorbeugen

Mit einem gesunden Lifestyle kann jeder von uns jedoch präventiv das Risiko von Störungen im Herz-Kreislauf-System mindern.

Allgemeine Tipps für ein gesundes Herz:

Achten Sie auf Ihre natürlichen körperlichen Bedürfnisse und gehen Sie auf diese ein:

  • Sie fühlen sich chronisch erschöpft, unzufrieden, gestresst oder müde? Lassen Sie von Dingen los, die Ihnen Energie rauben und schaffen Raum für alles, was Sie wieder mehr in Ihrer Mitte fühlen lässt.
  • Sie haben Hunger oder Durst? Essen Sie, bis Sie angenehm gesättigt sind und trinken Sie, wenn Sie durstig sind. Sie haben keinen Hunger? Dann warten Sie mit der nächsten Mahlzeit, bis Sie wieder hungrig sind oder stärken Ihre Verdauungskraft.
  • Sie fühlen sich unflexibel, schwer und träge? Machen Sie jeden Morgen einen dynamischen Spaziergang an der frischen Luft oder Sport, der Ihnen gefällt. Versuchen Sie sich täglich zwischen 30 bis 45 Minuten zu bewegen.  Sie lieben Sport und gehen gerne an Ihre Grenzen und darüber hinaus? Seien Sie achtsam mit sich und Ihren Reserven. Wenn Sie „innerlich noch lächeln“ können, während Sie Sport treiben, und sich nach dem Sport nicht ausgezehrt oder vollständig überhitzt fühlen, ist alles im grünen Bereich.

Etablieren Sie einen Tages- und Nachrhythmus, der Ihnen nachhaltig gut tut:

  • Stehen Sie etwas zur Zeit des Sonnenaufgangs auf nach 6-8 Stunden erholsamen Schlafs.
  • Kurze Power naps (15 min) sind erlaubt, aber vermeiden Sie regelmäßigen Tagesschlaf.

Essen Sie Lebensmittel, die herzstärkend wirken:

  • Alle Getreidearten, am besten die vollwertigen.
  • Frisches Gemüse, besonders grüne Blattgemüse und Salate. Sie enthalten wichtige Stoffe, wie das Vitamin K oder Nitrate, die den Blutdruck reduzieren und das Innere der Gefäße schützen.
  • Früchte wie Weintrauben, Beeren, Granatapfel, Avocado, Mango oder Datteln.
  • Nüsse und Saaten wie Walnüsse, Pistazien, Pekannüsse oder Mandeln.
  • Hülsenfrüchte, wie Linsen und Erbsen, sind eine wichtige Säule ayurvedischer Ernährung, können die Blutfette normalisieren, den Blutdruck balancieren und Entzündungen in den Gefäßen abbauen.
  • Ganz vorne stehen die Stars unter den indischen Gewürzen, der Ingwer und Kurkuma. Sie reduzieren Entzündungen, senken das Cholesterin und beugen einer Verhärtung der Gefäße vor. Eine ähnliche Erfolgstory für die Gefäße kann der Knoblauch vorweisen. Er kann den Blutdruck senken und die Blutfette normalisieren. Damit ist die Liste natürlich nicht vollständig. Erwähnenswert sind noch der Zimt mit seiner positiven Wirkung auf den Blutzucker, Chili und Koriander. Letzterer regt die Nieren an und hat eine Wirkung auf den Blutdruck und das Cholesterin.
  • Hochwertige Fette wie Olivenöl, Leinöl oder Ghee (bei Kapha vermeiden).

Essen Sie überwiegend warme und frisch gekochte Speisen und ernähren Sie sich vielseitig. Vermeiden Sie außerdem den übermäßigen Konsum von Genussgiften wie Alkohol und Nikotin.

Verwenden Sie herzstärkende Nahrungsergänzungsmittel:

Wer noch mehr für sein Herz tun möchte oder muss, dem stehen eine Reihe von ayurvedischen Supplements zur Verfügung.

  • Triphala, bestehend aus drei Wildfrüchten, entschlackt und schützt die Gefäße.
  • Guggulu, die indische Myrrhe, baut Entzündungen ab, entschlackt ebenfalls und senkt deutlich das Cholesterin. Eine bekannte Zubereitung ist das Triphala-Guggulu.
  • Arjuna ist ein wichtiges Herztonikum und wirkt bei vielen Herzleiden sowie bei leichter Hypertonie unterstützend
  • Alant bzw. Pushkaramula wirkt bei einer Verengung der Herzgefäße unterstützend.
  • Um Stress abzubauen, gibt es eine Reihe von Kräutern, wobei Brahmi am bekanntesten ist.

Herz und Psyche – Herzgesundheit ganzheitlich betrachten

Sie sehen also – es ist mehr als machbar, das Herz über Lebensstil und Ernährung gesund zu halten. Wie aber verhält es sich nun mit der emotionalen Seite des Herzens? Der Ausdruck „Es geht etwas zu Herzen“ zeigt schon, dass wir im Alltag eine Vielzahl von Gefühlszuständen erleben, die wir mit dem Herzen in Verbindung bringen oder am Herz spüren. Wie fein der Organismus in diesem Zusammenhang reagiert, kann man gut mit der Pulsdiagnose spüren, wo oft kleinste emotionale Belastungen den Puls in der Herzregion verändern. Für das eigene Wohlbefinden, aber auch für das Herz als Organ, ist es deshalb sinnvoll, eine grundlegende emotionale und seelische Hygiene zu betreiben.

Psychohygiene betreiben, bedeutet herzgesund zu leben

Für einen grundlegenden Hausputz bietet der Ayurveda so wunderbare Methoden wie Yoga und Meditation an. Die damit verbundene Entspannung baut Stress ab, so dass Emotionen leichter an den richtigen Plätzen abgelegt werden können. Der Geist wird ruhiger und fokussierter, die Energie fließt wieder frei und es man kommt wieder ein Stück weit in die eigene Mitte.

In Verbundenheit leben – das Herz als spirituelles Zentrum

Aber das Herz bietet noch mehr. Es gilt im Ayurveda als Sitz des Atman, des Selbst, dass sich grundlegend vom Ego unterscheidet. Das Ego entspricht der im Laufe des Heranwachsens konstruierten Persönlichkeit, während der Atman das repräsentiert, was man in seiner Essenz ist und was im Leben seinen Ausdruck finden möchte.

Und während das Ego sich über das Denken immer neu positioniert, erfolgt die Kommunikation mit dem Atman über das feinste Empfinden. In der alten deutschen Sprache gibt es dazu noch einen schönen Ausdruck „Es deucht mir“. Es ist ein leises Gefühl, es ist die Art, wie sich der Atman oder die Seele mitteilt, wenn das Leben eine neue Richtung nehmen soll.

Das Herz und damit der Atman sind eingebettet in das Energiesystem des Körpers, das sich über verschiedene Energiewirbel, den sieben Chakren ausdrückt. Das erste Chakra sitzt im kleinen Becken, das siebte auf der Scheitelhöhe. Jedes Chakra hat seine eigenen Funktionen, wobei zwei davon auf unterschiedliche Weise mit Gefühlen zu tun haben. Das ist einmal das zweite Chakra, das im Unterbauch sitzt und das darstellt, was man allgemein unter Bauchgefühl kennt. Und es ist das Herzchakra, das für unbedingte Liebe bzw. bedingungslose Akzeptanz steht. Dabei handelt es sich um diese unbedingte Liebe, wie sie zwischen einer Mutter und ihrem neugeborenen Baby sichtbar wird.


Dagegen sind die normalen Liebesbeziehungen des Lebens selten bedingungslos. Vielmehr sind sie mit Vorstellungen verknüpft, wie der Partner sein soll, um sich selbst wohl zu fühlen.  In dem Maße, wie der einzelne beginnt, in seinem Herzen zu ruhen und sich selbst zu lieben, kann er den anderen zunehmend so annehmen, wie dieser ist. Dies ist oft ein weiter Weg. Meditation oder allgemein ein spiritueller Lebensweg sind dabei hilfreich.

Vasant Lad schreibt dazu in seinem Buch über ayurvedische Pulsdiagnose :

„Relationship has such a great value. It is responsibility and commitment. But these days people have lost the true significance of relationship.  A relationship in turmoil affects the pericardium and a feeling of rejection may lead to constrictive pericarditis.“

Ausgleich zwischen Geben und Nehmen als Garant für Balance

In diesen Zusammenhang ist es interessant, den Sanskritbegriff für das Herz zu betrachten.
Das Herz heißt dort Hridaya. Die drei Silben Hri-da-ya bedeuten wörtlich geben-nehmen-für immer.
Damit ist sowohl die Funktion des Herzens als Pumpe perfekt beschrieben, aber auch seine übergeordnete Bedeutung. Wenn das Geben und Nehmen im Leben in einem wechselseitigen Gleichgewicht sind, laufen nicht nur Partnerschaften rund, sondern das Leben selbst.

Ein Beispiel mag das erläutern. In Partnerschaften unterscheidet man grundlegend den Nehmenden, der die Verantwortung für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse beim Partner sieht und den Umsorgenden,  der sich selbst  verantwortlich für die Gefühle und Glücks des anderen sieht.
Man kann mit einem Blick erkennen, dass bei beiden Reaktionsmustern das Gleichgewicht von Geben und Nehmen gestört ist. Praktisch jeder Mensch findet sich hier in der einen oder anderen Form wieder.  Wenn man leise in sich hinein spürt, wie sich dieses Ungleichgewicht im Herzen anfühlt, kann man einen wichtigen Schlüssel für die Herzgesundheit entwickeln.

Es zeigt sich also, dass das Herz in seiner emotional-geistigen Ausdrucksform sehr komplex ist.
Aus eigener Erfahrung und durch Beobachtung an Patienten bin ich zu der tiefen Überzeugung gekommen, dass das Selbst, die Seele, der Atman oder der Spirit einen Plan beinhalten, der sich in jedem individuellen Leben ausdrücken möchte. Das Selbst kommuniziert über das Empfinden. Je mehr man durch eine ganzheitlich gesunde und spirituelle Lebensweise in sich ruht, desto mehr bekommt man ein Bewusstsein für die inneren Überzeugungen und Fähigkeiten, auf deren Grundlage sich das Leben ausdrückt. Für viele Menschen läuft dieser Prozess unbewusst und dadurch schicksalhaft. Es lohnt sich also, die inneren Glaubenssätze und Konzepte soweit zu erkunden, dass man eine gewisse Meisterschaft über das eigene Schicksal erreicht.
Ein weiterer Schritt ist es dann, ein Gefühl für den eigenen Lebenszweck und Lebensplan zu bekommen. Kann es noch etwas Besseres geben, als mit sich selbst zunehmend im Einklang zu leben? Das ist in der Regel ein lang anhaltender, kontinuierlicher Prozess, für den man aber schließlich auch ein ganzes Leben Zeit hat. Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass dieses langsame Ertasten des Seelenplans die beste Voraussetzung für ein stabiles Herz ist.