Kitchari ist ein Gericht aus dem Ayurveda, das sich in den letzten Jahren im Westen zunehmender Beliebtheit erfreut. Dem einfachen Gericht aus Reis und Mungbohnen werden diverse Heilwirkungen zugesprochen, es wird als das Detox-Gericht schlechthin bezeichnet und scheint einen enorm wichtigen Platz im Ayurveda einzunehmen. Doch ist das wirklich so?

Zur Herkunft von Kitchari

Das Wort Kitchari [oder Khichdi or Khichuṛī] stammt vom Sanskritwort khiccā ab, was ein Gericht aus Reis und Hülsenfrüchten ist. In Indien ist Kitchari ein Gericht, das seit Jahrhunderten traditionell in vielen Regionen zubereitet wird. Es gibt jedoch diverse regionale Unterschiede zu verzeichnen. Im nordindischen Gujarat ist Kitchari vor allem im ländlichen Bereich ein Grundnahrungsmittel und wird z. B. oft zum Ende einer Mahlzeit serviert, während es in den Bengalen oftmals das Herzstück der Mahlzeit ist. In Nordindien wird viel Langkornreis verwendet und das Gericht ist relativ luftig, während im Süden oft kurzkörnige Reissorten wie Sona Masoori verwendet werden und das Kitchari ist dichter mit einer butterartigen und reichhaltigen Textur. In einigen Regionen wird es als Frühstück und in anderen als Abendessen gegessen und dazu viel Buttermilch serviert. Kitchari ist also fester Teil der indischen Esskultur und recht beliebt, da es sättigend, günstig, einfach zuzubereiten und wohlschmeckend ist. Auch im traditionellen Ayurveda wird Kitchari verwendet – wie genau es klassifiziert und beschrieben wird und ob es wirklich als Detox-Gericht gelten kann, klärt dieser Beitrag.

Zur Popularität von Kitchari im Westen

Dass Kitchari in den letzten Jahren geradezu geboomt hat, mag verschiedene Ursachen haben. Viele moderne ayurvedische Sekundärtexte beschreiben Kitchari als Detox-Gericht und in den meisten westlichen Weiterbildungen ist Kitchari das erste Gericht, was im Rahmen der ayurvedischen Ernährungslehre gelehrt wird. Hinzu kommt, dass viele Menschen positive Erfahrungen mit Kitchari machen. Im Vergleich zu einer typischen westlichen Diät mit einem hohen Anteil an Backwaren und tierischen Produkten oder eine gesunden, aber nicht konstitutionsgerechten Ernährung, kann Kitchari eine wahre Wohltat darstellen. Das simple Gericht entlastet dann den Verdauungstrakt und führt dazu, dass sich viele Abläufe und Prozesse, körperlich und geistig, harmonisieren. Viele Menschen, die solch positive Erfahrungen mit Kitchari gemacht haben, möchten diese teilen – und inzwischen lassen sich zahllose Beiträge über Kitchari im Internet finden und das Gericht wird für jede Tages-, und Jahreszeit als das ayuvedische Detox-Gericht schlechthin bezeichnet. Doch welche Rolle spielt das Gericht im klassischen Ayurveda wirklich?

Eigenschaften und Wirkung von Mungbohnen und Reis

Bevor wir auf die Wirkung von Kitchari eingehen, beschreiben wir zunächst die Eigenschaften und die Wirkung der einzelnen Hauptzutaten des Gerichts.

Grüne Mungbohne

Süßer und zusammenziehender Geschmack (rasa), trocknende und leicht verdauliche Eigenschaften (guṇa), kühlend (virya), sie hat einen scharfen Effekt nach der Verdauung (vipāka), senkt Kapha und Pitta und erhöht Vata nicht oder nur leicht. Grüne Mungbohnen wirken nährend, verleihen Kraft, wirken Fieber senkend und verbessern die Sicht. Im Gegensatz zu anderen Hülsenfrüchten wirken Mungbohnen kaum blähend. Suppen, die aus Mungbohnen zubereitet werden, sind leicht und gelten als grāhi, was bedeutet, dass sie den Appetit anregen und die Verdauung fördern. Sie werden für ein breites Spektrum an Dysbalancen empfohlen, wie u. a. Appetitverlust, geschwächte Verdauung oder Hyperazidität. Eine Besonderheit der Mungbohne ist, dass sie zwar trocknend und scharf wirkt und eine katabolische Wirkung auf den Körper hat, aber trotzdem nährend und aufbauend ist, was am süßen Geschmack liegt. Das macht sie zu einem besonderen Nahrungsmittel.

Reis

Jede Reissorte besitzt unterschiedliche Eigenschaften. Roter Reis (Raktaśāli) ist süß, kühlend, stärkend und leicht verdaulich, senkt alle Doshas und wird für den regelmäßigen Konsum empfohlen. Die Reissorte Ṣaṣṭikā-śāli ist leicht, mild und stärkend, senkt alle Doshas und wird ebenfalls besonders hervorgehoben. Diese beiden Sorten werden als die besten Reissorten beschrieben. Sona Masoori ist eine gute Alternative, die es hierzulande in vielen indischen Lebensmittelgeschäften gibt. Der Reis hat einen geringeren Stärkeanteil und ist leichter verdaulich. Insgesamt ist gereifter, alter Reis besonders leicht verdaulich, während junger und ungereifter Reis als schwerer verdaulich gilt und verschleimend wirken kann. Ungereifter Basmatireis gilt als weniger hochwertig. Die empfohlenen Reissorten besitzen in der richtigen Zubereitung jedoch die Eigenschaft, Feuchtigkeit aus dem Körper zu entfernen (viśada).

Ernährungsphysiologische Bewertung von Kitchari

Auch aus ernährungsphysiologischer Sicht ist Kitchari ein Gericht, das einen hohen Nährwert hat:

100 g der grünen Mungbohne liefern 334 kcal Energie. Sie ist reich an Kohlenhydraten (56,7 g/100 g) und ist eine sehr gute Quelle für Mineralien wie Kalium (843 mg/100 g), Magnesium (127 mg/100 g), Kalzium (124 mg/100 g), Phosphor (326 mg/100 g) und Eisen (4,4 mg/100 g). Vitamine wie Carotinoide, Thiamin (Vitamin B1), Niacin (Vitamin B3), Riboflavin (Vitamin B2), Ascorbinsäure (Vitamin C) und Folsäure sind ebenfalls in Mungbohnen enthalten. Sie gilt als eine der besten Eiweißquellen und enthält eine Reihe von essentiellen Aminosäuren wie Arginin, Histidin, Lysin, Tryptophan, Phenylalanin, Leucin, Isoleucin, Tyrosin, Valin, Threonin, Cystin und Methionin. Bestimmte chemische Komponenten wie Flavonoide, Phenolsäuren und organische Säuren, die in den letzten Jahren aus Mungbohnen isoliert wurden, unterstützen ihre gesundheitsfördernde Wirkung, so wie sie in den Klassikern beschrieben wird.

Bei Reis lassen sich von der Verarbeitung Naturreis oder Vollkornreis, Parboiled Reis und polierter Reis unterscheiden. Während Naturreis noch nahezu alle Nährstoffe enthält, verliert der Reis im Parboiled-Verfahren rund 20 % der Inhaltsstoffe. Polierter Reis ist aus ernährungsphysiologischer Sicht am wenigsten wertvoll – im Ayurveda gilt er als leicht verdaulich und wird bei schwacher Verdauung empfohlen. Reis besteht insgesamt zu etwa 75-80 % aus Stärke, 7-9 % Eiweiß und 0,5-3 % Fett. Er enthält aber auch Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium, Eisen und Zink.

Durch die Kombination von Hülsenfrucht und Getreide enthält Kitchari ein vollständiges Aminosäurespektrum und ist eine gute Quelle für pflanzliches Eiweiß.

Referenzen zu Kitchari in den klassischen ayurvedischen Texten

Kitchari wird in mehreren der klassischen Texte des Ayurveda erwähnt und als Kṛśarā bezeichnet. In der Caraka Saṃhitā und Suśruta Saṃhitā wird das Gericht z. B. an einigen Stellen erwähnt und eine vollständige Beschreibung gibt der Autor Bhāvamiśra in seinem Werk Bhāvaprakāśa:

तण्डुला दालिसंमिश्रा लवणार्द्रकहिङ्गुभिः | संयुक्ताः सलिले सिद्धाः कृसरा कथिता बुधैः || कृसरा शुक्रला बल्या
गुरुः पित्तकफप्रदा | दुर्जरा बुद्धिविष्टम्भमलमूत्रकरी स्मृता ||

(Bhāvaprakāśa von Bhāvamiśra Band 1, Kapitel Kṛtānna varga)

Das bedeutet übersetzt so viel wie: Reis wird mit Hülsenfrüchten und in Wasser zu einem Brei gekocht und dann werden Salz, Ingwer und Hing hinzugefügt. Das Gericht wird von den Weisen als Kṛśarā genannt. Kṛśarā erhöht Sperma, Stärke, ist schwer für die Verdauung, erhöht Pitta und Kapha, ist nicht leicht verdaulich, stumpft den Intellekt, verursacht Blähungen, und hilft, Kot und Urin zu beseitigen.

In dem ayurvedischen Text Kṣēmakutūhalam wird sogar ein konkretes Rezept gegeben. 12 Teile Reis werden mit 8 Teilen Mungbohnen in Wasser gekocht und mit Ingwer, Hing und Kurkuma, der vorher in Ghee aromatisiert wurde, gewürzt. Auch hier wird Kitchari als schwer verdaulich, aber sehr nährend beschrieben.

(Kṣēmakutūhalam von Kṣema Śarmā, Kapitel The Sixth Utsava)

Eigenschaften und Wirkung von Kitchari in den klassischen Texten des Ayurveda

Eigenschaften: Schwer verdaulich, wird langsam verdaut.
Wirkung: Nährend und gibt dem Körper Kraft, wenn die Verdauungskraft (Agni) der Person stark genug für die Verdauung von Kitchari ist; es erhöht śukradhātu (Fortpflanzungsgewebe) und trägt zur Stuhlbildung bei, kann aber zu Verstopfung führen.
Dosha: Senkt Vata, kann Pitta und Kapha erhöhen.

Ist Kitchari also ein Detox-Gericht?

Laut den klassischen Texten ist Kitchari ein gutes Gericht, um den Körper zu stärken, da es als nährend und aufbauend bezeichnet wird. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Kitchari gut verdaut werden kann. Bei ausgeprägter Verdauungsschwäche oder Verstopfung ist Kitchari somit nicht das richtige Gericht.

An dieser Stelle ist sicherlich anzumerken, dass leicht oder schwer verdaulich Eigenschaften sind, die wir in einen Vergleich setzen müssen. Im Vergleich zu einem fleischlastigen Gericht stellt Kitchari definitiv eine leicht verdauliche Alternative dar. Doch bei Krankheit oder sehr geschwächter Verdauung empfiehlt der Ayurveda Varianten, die noch leichter verdaulich sind, als Kitchari, wie u. a. dünne Reissuppe und Mungbrühe bzw. -suppe. Umso schwacher das Agni, umso höher ist der Wasseranteil in diesen Gerichten, umso stärker es wird, umso höher die Menge an festen Zutaten. Weitere Zutaten, wie Gemüse, Saaten oder viele Gewürze werden dann vermieden – dies gilt allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum, bis die Verdauung wieder stärker wird.

Dass Kitchari nicht als Detox-Gericht und somit als ausleitend oder reinigend beschrieben wird, mag an der Kombination von Mungbohnen mit Reis liegen. Die Wirkung von Lebensmitteln wird durch Kombination verändert. Außerdem hat Reis keine ausleitenden, sondern gegenteilige Eigenschaften, ist nährend und kann im Rahmen einer aufbauenden Therapie (bṛṃhaṇa) verwendet werden. Mungbohnen hingegen besitzen sehr wohl ausleitende Eigenschaften und können im Rahmen einer reduzierenden und reinigenden Therapie (laṅghana und śodhana) genutzt werden. Da allerdings der Reisanteil relativ hoch ist und durch die Kombination der beiden Lebensmittel, gilt Kitchari eigentlich nicht als Detox-Gericht.

Doch wenn die Verdauung stark genug ist und keine Verdauungsstörungen durch Kitchari entstehen, kann man es sicherlich nutzen, um im Rahmen einer kurzen Kur den Körper und Geist zu entlasten. Dann kann Agni noch stärker werden, so dass der Körper ausleiten kann, was vorher nicht ausgeleitet werden konnte. Diese Wirkung können aber je nach Konstitution auch andere Gerichte erzielen.

Fazit

Die Vorteile von Mungbohnen und dem richtigen Reis in der entsprechenden Zubereitung sind vielfältig. Und auch wenn Kitchari für sich genommen nicht als ausleitend gilt, so kann das Gericht in der richtigen Zubereitung und angepasst an die individuelle Konstitution und dem aktuellen Zustand Teil einer Fasten– und Ausleitungskur sein und somit helfen, Ama und überschüssige Doshas aus dem Körper zu entfernen. Zu diesem Zweck wird Kitchari eher wie eine Suppe zubereitet, mit den richtigen Gewürzen und dem passenden Verhältnis von Mungbohnen und Reis. Während Panchakarma die tiefste Form der Reinigung ist, bietet eine Heimkur mit Kitchari für viele eine schöne Möglichkeit, Ama zu entfernen und Essgewohnheiten aufzubrechen.