Die ayurvedische Heilkunde hat sich über einen Zeitraum von ca. 2500 – 3000 Jahren entwickelt und beruht letztlich auf noch älterem Wissen. Damit gehört es zu den ältesten heilkundlichen Systemen der Menschheit. Die praktischen Erkenntnisse wurden in den klassischen Grundwerken (Samhita) in eine Ordnung gebracht, die noch heute die Basis des Ayurveda bilden. Sie stellen die Vollendung eines Medizinsystems dar, das die indische Heilkunde im Altertum weit über die Grenzen Indiens hinaus berühmt gemacht hat. Diese Texte sind zwischen 400 v. Chr. bis 700 n. Chr. entstanden. Innerhalb der letzten 2000 Jahre hat sich eine umfassende medizinische Literatur entwickelt, die einerseits die klassischen Konzepte beibehalten hat, andererseits aber auch eine kon­tinuierliche Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung des Systems aufweist. Die klassischen Texte zeigen eine systematische Theoriebildung, die auf der genauen klinischen Betrachtung von Gesundheit und Krankheit entfaltet wird.

Die Brhattrayi – die großen Drei (autoritativen Schriften)

Die klassischen Texte sind uns in Form von umfassenden Leitfäden (Samhita = Sammlung) überliefert:

  • Caraka-samhita
    die Sammlung des Caraka (des Wanderers)
  • Sushruta-samhita
    die Sammlung des Sushruta (des Berühmten)
  • Ashtangahridaya-samhita
    die Sammlung, die das Herzstück des achtgliedrigen (Heilkunde-) Systems beschreibt

Es handelt sich dabei um umfangreiche Lehrbücher, die auswendig gelernt wurden. Parallel dazu fand der praktische Unterricht bei einem persönlichen Lehrer statt, in dem die Bezüge zwischen den Lehrsätzen und der Diagnose bzw. Therapie hergestellt wurden. Entsprechend dem traditionellen indischen Lehrsystem haben die Schüler mit ihrem Lehrer zusammen gelebt und alle Arbeitsschritte des ärztlich Wissenden (vaidya) nachvollzogen. Der traditionelle Ayurveda-Arzt war gleichzeitig auch Pharmazeut, d.h. er hat die Heilpflanzen selbst gesammelt und verarbeitet, um sie dann beim Patienten einzusetzen. Oftmals haben sich Familientraditionen gebildet, so dass das Wissen vom Vater auf den Sohn übertragen wurde. Diese Traditionen sind teilweise bis heute lebendig geblieben.

Grundregeln im Ayurveda

Alle drei Lehrbücher beginnen mit einem Grundlagenabschnitt, dem Sutra-sthana. Ein Sutra ist ein Merksatz, ein Aphorismus, eine Regel. Die ayurvedischen Texte beginnen mit grundlegenden Aussagen, die im gesamten Lehrbuch ihre Gültigkeit behalten und als Regeln bei einzelnen Themen angewendet werden müssen.

Wenn es z. B. heißt:

„Körper und Psyche sind die Bereiche der Krankheiten, aber auch der Freuden. Die ausgewogene Lebens­führung (sama yoga) ist die Ursache der Freuden.“

(Caraka-samhita 1.1.55)

Dann wird damit definiert,

  1. dass Krankheiten auf der körperlichen und auf der psychischen Ebene, nicht aber im Bereich des Selbst (atman) auftreten können,
  2. wird deutlich gemacht, dass es ursächlich möglich ist, Leiden zu vermeiden,
  3. werden Therapie und Lebensführung (Yoga kann im Ayurveda beides bedeuten) auf das Prinzip der Ausgewogenheit (sama) festgelegt. Sama heißt wörtlich „gleich, identisch, glatt, gerade, aufrichtig, passend, ganz, vollständig“.

Eine extreme Änderung von Lebensgewohnheiten kann aus Sicht des Ayurveda ein Ungleichgewicht hervorrufen, auch wenn diese Änderung in eine gute Richtung erfolgt; gleiches gilt für die Therapie, die eben angemessen (hita) und zuträglich (satmya = dem Selbst entsprechend) sein soll. Diese Regel ist grundlegend für alle praktischen Therapieanwendungen, sie muss gewisser­maßen immer mitgedacht werden, wenn ein Behandlungsplan erstellt wird.

Die Caraka-samhita

Dies ist der älteste erhaltene Text der Ayurveda-Tradition. Er besteht aus 9035 Versen und 1111 Prosa-Abschnitten. Das Werke ist gegliedert in 8 Hauptteile:

  • Sutra-sthana – der Abschnitt der grundlegenden Regeln 30 Kapitel
  • Nidana-sthana – der Abschnitt der Diagnose 8 Kapitel
  • Vimana-sthana – der Abschnitt der spezifischen Charakteristika Kapitel
  • Sharira-sthana – der Abschnitt des menschlichen Körpers 8 Kapitel
  • Indriya-sthana – der Abschnitt der sinnlichen Wahrnehmungen 12 Kapitel
  • Cikitsa-sthana – der Abschnitt der Therapie 30 Kapitel
  • Kalpa-sthana – der Abschnitt der pharmazeutischen Zubereitungen 12 Kapitel
  • Siddhi-sthana – der Abschnitt der erfolgreichen Praxis 12 Kapitel

Zentrale Themen bei CarakaIm

Sutra-sthana werden nicht nur allgemeine Regeln und die Definition von grundlegenden Begriffen gegeben, sondern auch ein Überblick über die Themen, die später genauer behandelt werden, so werden die Geschmacksrichtungen, die verschiedenen Substanzklassen und auch wichtige Rezepturen aufgezählt. Kapitel 5 befasst sich mit der richtigen Ernährung und dem Tagesrhythmus, Kapitel 6 mit der Anpassung des Lebensrhythmus an die Jahreszeiten, Kapitel 7 mit dem Nicht-Unterdrücken von natürlichen Bedürfnissen, Kapitel 8 mit der Funktionsweise der Sinne und Kapitel 11 mit den Lebenszielen des Menschen. Gedanken über Therapie und die Qualifikation des Therapeuten finden sich im Kapitel 9 und 10.

Die Doshas werden im Kapitel 12 genauer betrachtet, worauf dann verschiedene Therapie­verfahren folgen: der Einsatz von Fetten und Wärme-An­wen­dungen, ausleitende und nährende Therapien. Nach den Grundlagen für die richtige Ausrüstung bei den Therapieanwendungen folgen Krankheitsbilder wie Krankheiten am Kopf, Beschreibung von Dosha-Störungen, Verringerung der Lebensenergie Ojas, Schwellungen und innere Erkrankungen, die den Schwerpunkt in der Caraka-Tradition bilden. Des wei­teren folgen Abschnitte über das Blut, die Geschmacksrichtungen, den Verdauungsprozess und die Lebensmittel mit ihren spezi­fischen Wirkungen. Das letzte Kapitel behandelt noch einmal die Lebensenergie, einige grundlegende Fragen des Ayurveda und gibt eine Inhaltsangabe über das gesamte Werk. Das Wissen dieser Texte wird auf einen göttlichen Ursprung zurückgeführt und damit einer Inspiration von Weisen der Vorzeit zugeschrieben. Dabei geht man von einem Urzustand aus, in dem die Menschen noch nicht von Krankheiten heim­gesucht wurden. Durch das Entstehen krankhafter Leiden wurde in den Weisen der damaligen Zeit das Mitgefühl für alle Wesen geweckt, so dass sie sich um die Erkenntnis heilkundlichen Wissens bemühten.


Heft 18 – Ayurveda bei unerfülltem Kinderwunsch

Unerfüllter Kinderwunsch – keine Seltenheit und kaum natürliche Behandlungsmöglichkeiten. Die weibliche Fruchtbarkeit besser verstehen und ayurvedisch unterstützen und auch in den Wechseljahren die Balance finden.

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