Die Verantwortung für die eigene Gesundheit stellt das Individuum vor große Herausforderungen. Immer mehr Menschen werden einen achtsameren Lebensstil pflegen müssen, so lauten Studienergebnisse des Zukunftsinstituts von Trendforscher Matthias Horx. In den kommenden Jahren geht es daher um Kraft, Lebensenergie und das Wissen darum. Eine ayurvedische Lebensweise kann bei dieser Aufgabe sehr gut helfen.

Im komplexen Leben des 21. Jahrhunderts benötigt der moderne Mensch mehr Energie als je zuvor. Da aber die Selbstverantwortung des Individuums steigt, erhöht sich auch der Druck auf den Einzelnen enorm, gerade im Bereich Gesundheit. Immerhin: Heute führen deutlich mehr Menschen eine gesunde Lebensweise als noch vor ein paar Jahrzehnten. Viele Menschen achten auf ihre Ernährung, bewegen sich. Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen gibt an, regelmäßig Sport zu treiben. Auch die Anzahl der Raucher verringert sich kontinuierlich.

Dennoch gibt es auch eine große Gruppe von „hartnäckigen“ Menschen, die sich nie bewegen und schlecht ernähren. „Einige von ihnen setzen blind auf die technische Medizin, die beschädigte Organe im Krankheitsfall dann schon irgendwie versorgen wird“, sagt der bekannte Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx.

Der Graben zwischen gesundheitsbewussten und gefährdeten Menschen vergrößere sich also: „Es gibt mehr Fitte, aber auch mehr chronisch-multiple Kranke, die es eigentlich nicht sein müssten. Das traditionelle, „technische“ Gesundheitssystem ist da bisweilen auch unfreiwilliger Komplize falscher Lebensweisen.“

Ein weiteres, ebenso gewichtiges Problem: Immer mehr Menschen haben heute das Gefühl, nicht belastbar genug zu sein. Sie fühlen sich ermüdet, häufig ohne den genauen Grund dafür zu wissen. Auch deshalb stellt das Zukunftsinstitut in seiner Studie „Healthness. Die nächste Stufe des Megatrends Gesundheit“ die wichtige Frage: Woher werden die Menschen in Zukunft ihre Energie bekommen, um nicht dauergestresst und grunderschöpft durchs Leben zu gehen?

Die Autoren der Studie zeigen auf, wie in unserer modernen Gesellschaft die Verantwortung für Gesundheit immer näher zum Individuum rückt. Das bewirkt zwar zunächst mehr Stress, ist aber unumgänglich, weil Risiken und Wiederherstellungskosten – soweit Heilung denn möglich ist – zunehmend nicht mehr über die Gemeinschaft allein finanzierbar sind. Der Körper und seine Kräfte also werden wieder „in den Mittelpunkt gerückt“ – ganz im Sinne des Ayurveda, dem die Eigenverantwortung für das persönliche Wohlbefinden schon immer ein zentrales Anliegen war:

„Investiere in Deine Gesundheit und nicht in Krankheit.“

Nun werden Gesundheit und verstärkte Kenntnisse über den eigenen Körper auch in westlichen Gesellschaften „zum Taktgeber für das eigene Verhalten“, so die Forscher. Die digitale Revolution habe die Medizin erreicht und prägt die Gesundheit von morgen: „Die Arzt-Patienten-Kommunikation verändert sich radikal, Diagnosetools werden mobil.“ Einher mit diesen Veränderungen geht der Trend zur „Präventivgesellschaft“, der die Verbreitung der Do-It-Yourself-Medizin fördert.

„Es ist eine interessante Entwicklung“, sagt Anja Kirig, eine der Autorinnen der „Healthness“-Studie. „Vor allem körperliche und geistige Fitness werden künftig stärker im Fokus sein. Das Interesse an alternativen Heilmethoden, an fernöstlichen Philosophien wird weiter zunehmen.“ So hätten zum Beispiel mittlerweile alle großen Unternehmen im kalifornischen Silicon Valley Meditationszentren für ihre Mitarbeiter. Heute ist es auch Männern nicht mehr peinlich, Yoga zu machen, das allgemeine Interesse auch am Ayurveda steigt.

Doch dem modernen Menschen reicht heute nicht mehr, ein neues Knie oder einen Herzschrittmacher implantiert zu bekommen. Die komplexe Welt von heute mit allzeit zugänglichen Wissensquellen bringt neue Wünsche mit sich. Die Art unserer Bedürfnisse hat sich also verändert. Stand früher die Befriedigung unserer Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlafen, Fortpflanzung und die Gewährleistung von Sicherheit im Vordergrund, so streben wir heute zunehmend nach persönlichem Wachstum und individueller Verwirklichung.

Der bekannte Sozialpsychologe und Begründer der humanistischen Psychologie, Abraham Maslow (1908 – 1970), war davon überzeugt, dass der Mensch vor allem fünf zentrale Bedürfnisse hat. Sind die physiologischen Bedürfnisse befriedigt, beginnen wir nach Sicherheit und Stabilität zu streben. Ist auch das erreicht, will der Mensch soziale Kontakte, Anerkennung und Wertschätzung – und sich schließlich selbst verwirklichen.

Dynamische Darstellung der Bedürfnishierarchie von Abraham Maslow

Auch im Ayurveda werden vergleichbare Bedürfnisse und Lebensziele beschrieben (Purushartha), die von sinnlicher Begierde über materiellen Wohlstand, ethisch-moralischer Rechtschaffenheit bis zur spirituellen Verwirklichung reichen.

Die vedische Bedürfnisevolution der vier Purushartha

  1. Dharma bedeutet Pflichterfüllung und entspricht daher sowohl physiologischen wie sozialen Bedürfnissen.
  2. Artha ist das Streben nach Sicherheit durch Wohlstand
  3. Kama oder Sinnesfreuden und Leidenschaft passen ins Konzept der Individualbedürfnisse
  4. Moksha ist nichts anderes als das Streben nach Selbstverwirklichung

Gesundheit ist aus ayurvedischer Sicht die Voraussetzung und Basis zum Erreichen der vier Lebensziele.
Was sich aktuell geändert und sowohl für die Studie des Zukunftsinstituts wie für Ayurveda-Fachleute große Bedeutung besitzt, ist die Tatsache, dass der moderne Mensch diese Zyklen, die Motivationen, die ihn antreiben, nicht mehr nur einmal, sondern gleich mehrmals durchläuft. Besonders haben sich die Lebensläufe der weiblichen Bevölkerung verändert. Die moderne Frau teilt ihre Energie zwischen Partnerschaft, Kindern und Karriere auf, und Männer müssen sich oft mehrerer beruflicher und mitunter auch familiärer Neustarts unterziehen. Das kostet einen unglaublich großen Aufwand an Lebensenergie.

Doch woher soll diese kommen? Wie kein anderes Konzept garantiert das ayurvedische Gesundheitssystem mit seiner auf die individuelle Konstitution angepasste „Life-Design-Matrix“ nicht nur ein volles Ausschöpfen der eigenen Lebensenergie, sondern sorgt auch gleich für deren Erhalt.

Zusammenfassend sieht der ayurvedische Gesundheitsansatz folgende Konzepte vor

1. Die Gesundheitsverantwortung verbleibt beim Individuum und ist der Schlüssel für die individuelle wie auch die kollektive Bedürfnisevolution.
2. Die ayurvedische Tagesroutine (Dinacarya) sorgt für eine konstitutionelle Work-Life-Balance.
3. Eine auf die Konstitution, Lebensabschnitt und Arbeit angepasste Ernährung liefert frische Energie und schützt die Stoffwechselprozesse.
4. Therapien für Gesunde (Rasayana & Vajikarana) reinigen das psychosomatische System, kompensieren Verschleiß, regenerieren und immunisieren Körper und Psyche.
5. Die medizinische Kompetenz von Ayurveda heilt Krankheiten anhaltend und ohne schädliche Nebenwirkungen.
6. Das ayurvedische Bau- und Wohnkonzept (Vastu) bringt den äußeren Raum (Zimmer, Wohnung, Haus, Garten) mit dem inneren Raum (Körper) in Einklang.
7. Meditative Praktiken erwecken das Bewusstsein, wirken psychoimmunisierend und schaffen klare Lebensperspektiven.

„Wir sehen ganz eindeutig, dass inzwischen in allen Bereichen des Lebens das Kriterium Gesundheit eine Rolle spielt – im Wohnen, beim Reisen, beim Sex – und natürlich bei der Ernährung“, sagt Zukunftsexperte Horx. So steigt auch die Verantwortung derjenigen, die Hilfe anbieten können.
Ob Medien, Ayurveda-Therapeuten, Heilpraktiker oder Ayurveda-Ärzte – sie sind wichtig als Wissensvermittler. Dieses neue Wissen wird insbesondere durch die digitale Vernetzung gefördert und führt zu einer breiteren Diskussionsmöglichkeit. Patienten sind heute oft gut informiert. Ayurvedische Ganzheitsmediziner und Therapeuten müssen sich deshalb als Lebensbegleiter in allen Bereichen verstehen, die die Instrumente ihrer Klienten optimieren und ihnen damit den Zugang zu mehr Lebensenergie ermöglichen.


Heft 41 – Die Hausapotheke

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich als Titelthema in Heft 41 mit ayurvedischen Kräutern und Gewürzen für die Hausapotheke.