Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) ist eine weitesgehend unbekannte Erkrankung, von der immer mehr Menschen betroffen sind. Oder ist es die Suche nach einer Erklärung für eine multiple Symptomatik, die in kein bisher bekanntes Krankheitsbild passt? Die Unterschiedlichkeit in der Symptomatik der Betroffenen lässt keine übliche Klassifizierung zu. Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle wie z.B. von Prof. Kobal von der Universität Erlangen. So stellte er bei der Messung von bestimmten Hirnströmen (P300) fest, dass bei MCS Patienten hier Auffälligkeiten im Vergleich zu gesunden Patienten zu beobachten sind.

Diese Hirnströme zeigen, dass Geruchswahrnehmungen das Bewusstsein erreichen und vom Verstand verarbeitet werden. Ein weiteres Modell geht von entzündlichen Vorgängen im Nervensystem aus, welche dann typische Symptome wie Abgeschlagenheit, Schlafstörungen, Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen hervorrufen, um nur einige zu nennen. Entzündungseiweiße konnten jedoch nicht nachgewiesen werden.

Der amerikanische Arzt Dr. M. Cullen hat versucht MCS zu definieren:

„Die Symptome treten nach Kontakt mit Schadstoffen auf. Es ist mehr als ein Organ betroffen. Die Symptome erscheinen und verschwinden im vorhersehbaren Zusammenhang mit bestimmten Auslösern. Unterschiedliche Chemikalien lösen die Symptome aus. Nur ein Hundertstel der für Gesunde unverträglichen Menge löst Beschwerden aus. Mit den bekannten Organfunktionstesten sind die Symptome nicht zu erklären.“

Eine psychische Beteiligung, wie z.B. Angststörungen ist wahrscheinlich. Die Geruchswahrnehmung ist häufig hypersensibel. Farbgerüche werden schon in sehr niedriger Konzentration als unangenehm, beißend und stechend empfunden. Ausdünstungen aus Büchern, Textilien können zu Konzentrationsproblemen und Schlafstörungen führen. Verschiedene Nahrungsmittel führen zu Störungen der Darmfunktion und zu Geschmacksstörungen. Emissionen von Baustoffen, Wand-, Bodenbeläge, Anstrichen, Möbel und Bedarfsgegenständen lösen unterschiedlich starke Symptome aus. Besonders durch haushaltsbedingte Gerüche fühlen sich die Betroffenen stark belästigt. Die Auswirkungen gehen von der lästigen Schnupfensymptomatik bis zur Bewusstseinseintrübung. Den Kontakt mit den auslösenden Stoffen zu vermeiden, behindert die Teilnahme am Alltagsgeschehen erheblich und ist deshalb bei der Vielzahl der chemischen Stoffe kaum eine Lösung des Problems. Bei stärkster Ausprägung zwingt MCS den Betroffenen zum ständigen Aufenthalt in schadstofffreien Räumen und kann so zur sozialen Isolation führen. Da bis jetzt eine fundierte schulmedizinische Diagnosestellung nicht möglich ist, kann auch keine wirksame Therapie konzipiert werden. Bei einer ayurvedischen Diagnosestellung fallen das vermehrte Pitta- und Vata-Dosha im Nervensystem auf. Psychisch erscheinen die Patienten Rajas dominiert. Daher sind mögliche Behandlungen wie Pancha-Karma, insbesondere Virechana (Ausleitung über den Darm) zur Pitta- Ausleitung und Nasya (Behandlung über die Nasenschleimhäute) zur Beruhigung der Sinnesorgane und des Nervensystems angezeigt.

Basti (Einläufe in den Dickdarm) beruhigen Vata-Dosha. Shirodhara (Ölstirnguss) ist durch seine beruhigende Wirkung ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Da es sich bei MCS um eine sehr komplexe, chronische Erkrankung handelt, ist je nach Schwere der Symptomatik, eine Wiederholung der Pancha-Karma-Behandlung nötig. Eine medikamentöse Behandlung findet zwischen den Pancha-Karma-Kuren und im Anschluss statt. Besonders wirksam sind Guduci, Aristhas (eine Art Kräuterweine) und Ghritam (mediziniertes Ghee). Die Nahrungsmittel der auf Konstitution und Vata/Pitta-Doshas abgestimmten Diät, sollten aus biologischem Anbau stammen, frei von Zusätzen und möglichst naturbelassen sein. Rohkost sollte nur einen kleinen Teil der Nahrung ausmachen.

Gekochte Mahlzeiten sind zu bevorzugen. Die Geschmacksrichtung süß (z.B. Kohlen-hydrate, Eiweiße) besänftigt Vata und Pitta gleichermaßen und sollte deshalb vermehrt in der täglichen Nahrung vorkommen. Nahrung die bitter, sauer und scharf ist, sollte nur stark reduziert Verwendung finden. Können Arbeit und soziale Kontakte wieder aufgenommen werden, hat der Patient auch wieder eine neue Lebensperspektive.

Abschliessend kann gesagt werden, dass die ayurvedische Medizin auch bei einer Erkrankung wie MCS Behandlungsmöglichkeiten aufzeigt. Auf der Basis des Tridosha-Systems ist eine Diagnosestellung möglich, aus der sich dann eine individuelle Therapie entwickeln lässt.

Natürlich erfordert MCS eine längere Behandlung. Schnelle Erfolge sind nicht zu erwarten. In Anbetracht des Leidensdrucks und des kaum vorhandenen Therapieangebotes, ist jede mögliche Therapie für die Betroffenen akzeptabel, die die Symptomatik reduziert. Den Begriff Heilung in Verbindung mit MCS zu verwenden, heißt, sich in die Bereiche Hoffnung und Spekulation zu begeben und sind damit nicht Grundlage des ayurvedischen Medizinsystems. Die mögliche Wiedereingliederung in einen Arbeitsprozess und die Neubelebung der sozialen Kontakte öffnet dem Patienten eine Tür zu neuer Lebensfreude.


Heft 05 – Das Frühjahr

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