Kommunikation ist komplex. Menschen senden ständig Botschaften – bewusst und oft auch unbewusst. Sie reagieren stärker auf nonverbale Signale als auf das Gesagte.
Der klassische Ayurveda machte bereits vor 2.000 Jahren auf die gesundheitliche Bedeutung einer zuträglichen Kommunikation aufmerksam. Verbunden mit dem heutigen Wissen der Kommunikationspsychologie entsteht eine wertvolle Symbiose mit vielfältigem Nutzen: in der ayurvedischen Diagnostik und Therapie, zur Förderung geistiger Gesundheit und zur Regulation zwischenmenschlicher Beziehungen.
Drei Arten von Kommunikation
Das lateinische Verb communicare steht für zwei wichtige Aspekte von Kommunikation: teilen oder mitteilen und vereinigen, gemeinsam machen. Doch wie übermitteln wir anderen unsere Botschaft? Auf drei Wegen gleichzeitig:
- Das gesprochene Wort = verbale Kommunikation.
- Durch unsere Stimme = paraverbale Kommunikation.
- Durch unsere Körpersprache = nonverbale Kommunikation.
Die verbale Kommunikation erfolgt direkt oder indirekt durch unsere Sprache und das geschriebene Wort. Wichtige Merkmale sind die Wortwahl, der Wortschatz und das Formen von Sätzen. Logische Gedankengänge lassen sich verbal gut erfassen. Die paraverbale Kommunikation enthält sprachliche (unsere Stimme) und nichtsprachliche Anteile in Form von Sprechpausen. Das Spektrum der Stimme umfasst unsere Stimmlage, Lautstärke, Betonung, die Artikulation, das Sprechtempo und die Sprachmelodie. Die Stimme übermittelt die jeweilige mentale Stimmung des Sprechenden.
Die nonverbale Kommunikation umfasst die Teilaspekte Blick, Mimik, Gestik, Habitus und Körperhaltung. Wichtige Merkmale sind der Blickkontakt / die Blickabwendung, die Kontraktion unserer Mimikmuskulatur, die Gestikulation unserer Hände, das Auftreten und Benehmen sowie die Symmetrie, Aufrichtung und Standsicherheit. Kommunikation dient der Verständigung. Durch sie werden pausenlos Informationen ausgetauscht.
„Man kann nicht nicht kommunizieren“
Paul Watzlawick
Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge beträgt der verbale Anteil der Gesamtbotschaft maximal 10 Prozent, der paraverbale 30 bis 40 Prozent und der nonverbale über 50 Prozent. Das bedeutet, wir empfangen nicht primär, was unser Gesprächspartner sagt, sondern vor allem, wie er stimmlich und körperlich kommuniziert!
Der erfahrene Ayurveda-Diagnostiker achtet deshalb nicht nur auf die sprachliche Mitteilung des Patienten, die häufig vorbereitet oder einstudiert ist. Vielmehr beobachtet und interpretiert er die Signale des Körpers und der Stimme, die weit mehr über den Zustand des Menschen verraten.
Deshalb ist eine ayurvedisch-diagnostische Erstaufnahme immer nur im direkten persönlichen Kontakt möglich, da in der telefonischen Kommunikation die Körpersprache und im Email- bzw. Schriftverkehr zudem die Stimme fehlt.
Aus ayurvedischer Sicht
Die verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikation wird durch unseren Geist gesteuert, der durch drei Eigenschaften (Triguna) geprägt ist: Sattva, Rajas und Tamas: Sattva steht für Erkenntnis, Intelligenz und Harmonie. Unter seinem Einfluss kann der Geist seine Funktionen optimal ausführen.
Rajas ist das Spannungsfeld von Anhaftung (Verlangen) und Abneigung, aus dem Energie gewonnen wird. Unter seinem Einfluss funktioniert der Geist selektiv. Tamas drückt die Unwissenheit und den Widerstand des Geistes aus. Unter seinem Einfluss verliert der Geist seine Fähigkeiten und arbeitet fehlerhaft. Die Aufgaben unseres Geistes liegen in der Wahr-nehmung, der Kontrolle unserer Sinnesorgane und Handlungsorgane. Im Geist entstehen Emotionen und lösen sich dort auch wieder auf. Die drei wichtigsten Fähigkeiten sind das Unterscheidungsvermögen (Buddhi), die Entschlossenheit (Dhriti) und das Erinnerungs- vermögen (Smriti). Der Geist kontrolliert den Körper durch die Sinnes- und Handlungsorgane und beeinflusst unser gesamtes Verhalten hinsichtlich Ernährung und Lebensstil. Vata, Pitta und Kapha sind Funktionsaspekte unseres Körpers, deren Zustand maßgeblich durch den Geist bestimmt wird.
Das Wissen um die Verbindung und Interaktion von Geist und Körper zählt zu den groß-artigsten Erkenntnissen der Ayurvedamedizin. Auf diesem Wissen basiert die ayurvedische Diagnostik, Prävention und Therapie. Sattva, Rajas und Tamas beeinflussen Vata, Pitta und Kapha – modern nennt man dies Psychosomatik. Und umgekehrt beeinflusst das körperliche Milieu den Geist, der im Körper residiert – was mit dem Begriff der Somatopsychologie beschrieben werden kann.
Kommunikation aus der Perspektive von Vata, Pitta und Kapha
In den Beschreibungen körperlicher Konstitutionen geben die klassischen Ayurveda-Kompendien konkrete Hinweise auf Merkmale der Kommunikation.
Vata dominierte Konstitutionen nehmen Informationen schnell auf, reden gern und viel, aber nicht immer überlegt und zusammenhängend. So verlieren sie sich manchmal in Details oder kommen vom „Hölzchen auf’s Stöckchen“. Die Stimme ist oft heiser, trocken und eher tief. Das Sprechtempo ist hoch, sie können sich schnell begeistern – sind aber genauso schnell irritiert oder desillusioniert. Mimik und Gestik sind ausgeprägt, die Körpersprache übermittelt deutlich das Prinzip von Bewegung, das Vata steuert.
Pitta dominierte Konstitutionen fallen durch ihren scharfen Intellekt und die klare, deutliche Sprache auf. Ihre Botschaften sind immer strukturiert und zielgerichtet. Die Lautstärke ist oft erhöht, zuweilen wirken sie unangenehm belehrend. Ihre Kommunikation verkörpert das Feuerelement, das Pitta steuert.
Kapha dominierte Konstitutionen fallen durch ihre Ruhe und Gelassenheit sprachlich, stimmlich und körperlich auf, die durch die schweren Elemente Erde und Wasser erzeugt werden. Das Sprechtempo ist langsam, die Botschaft friedvoll und gut verständlich. Zeitweilig kann die Darstellung langweilig wirken, da ihr die manchmal nötige Spannung fehlt.
Kommunikation aus der Perspektive von Sattva, Rajas und Tamas
Bringen wir die Erkenntnisse moderner Kommunikationspsychologie mit den geistigen Eigenschaften des Ayurveda zusammen, ergibt sich folgende Einteilung:
Die Sattva dominierte Kommunikation basiert auf einfühlsamem Zuhören und vermittelt mit wenigen Worten tiefgründige Inhalte unter Einsatz einer wohltuenden Stimme ohne angreifende oder bewertende Äußerungen bei höchstmöglicher Empathie.
Die Rajas dominierte Kommunikation verfolgt monologisiert das Ziel der Überzeugung und Belehrung ohne Widerrede unter Einsatz aggressiv-verletzender Worte bei harter Stimme und angespannter, kampfbereiter Körpersprache. Die Tamas dominierte Kommunikation besticht durch Desinteresse, deplatzierte Wortwahl, mangelhafte Satzbildung und intelligenzarme Inhalte bei Artikulationsschwäche und spannungsarmer Körpersprache.
Alle Menschen werden von Vata, Pitta und Kapha körperlich und von Sattva, Rajas und Tamas geistig gesteuert. Deshalb treten die genannten Merkmale gemäß der individuellen Kombination abgeschwächt und vermischt auf. Darüber hinaus gibt es eine Kommunikationsebene, die im Ayurveda über die wissenschaftlich dokumentierten drei Ebenen hinausgeht: unsere Gedanken. Durch sie senden wir jeden Moment Botschaften aus, die für uns selbst und unsere Mitmenschen heilsam oder schädlich sein können.
Unsere Kommunikation drückt unser inneres Befinden aus. Umgekehrt können wir durch bewusste Änderung unserer Sprache, Stimme und Körpersprache einen Rückkopplungseffekt auf unser Befinden erzielen. Die Chinesen sagen:
Lächle nur lange genug, dann geht es Dir wieder gut.
Sind unsere Gedanken von sattvischer Natur (friedvoll, wohlwollend, klar und empathisch), kann Sattva ganz natürlich in unsere verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikation eintreten – zum Wohle aller.
Heft 44 – Demenz
Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit Demenz.