Wer hat sich nicht schon gute Vorsätze für ein gesünderes Leben, für mehr Sport oder ähnliches genommen und bei wie vielen bleibt es beim guten Vorsatz?! Was geschieht, ayurvedisch-psychologisch gesehen, bei diesen Vorgängen, bei denen sich alte Gewohnheiten, Lust und Süchte gegenüber der Intelligenz durchsetzen?
Wenn wir in der ayurvedischen Psychologie Erklärungen für Verhaltensphänomene wie dem obgenannten und Lösungen für Probleme finden wollen, gehen wir in der Regel vom folgenden Strukturmodell der Psyche aus, welches im Buch: Jean-Pierre Crittin, „Ayurvedische Psychologie“, 2010, Windpferd Verlag, Oberstdorf, ausführlich erläutert ist: Im Rahmen dieses Artikels können wir die einzelnen Elemente nur kurz und grob erklären: Jivatman ist die unveränderbare, unverletzbare, göttliche Seele, das wahre Selbst. Im Chitta lagern die Prägungen, die schließlich die Eigenart einer Person ausmachen.
Buddhi ist die natürliche, kosmische Intelligenz, die einen unterscheiden lässt, was gut und was nicht gut für die betreffende Person ist. Die Buddhi stellt den Filter zwischen dem äusseren und dem inneren Selbst dar, welcher entscheiden sollte, welche Eindrücke ins Chitta hereingelassen werden und welche Prägungen aus dem Chitta nach außen eine Wirkung zeigen sollten und dürften.
Ahamkara ist unser Ego, welches uns in Beziehung setzt zur Welt, dafür sorgt, dass es uns aus der Sicht der Lüste und Ängste gut geht. Manas ist unser Intellekt. Hier ist alles versorgt, was wir gelernt haben. Wir beschreiben Manas auch oft als „Alltagsintelligenz“, wobei hier auch die Gefühle beheimatet sind. Ahamkara und Manas spielen in der Dynamik so eng zusammen, dass sie sich kaum auseinanderhalten lassen, weshalb wir sie vertikal, übereinander stehend darstellen. Mit den Sinnesorganen nimmt der Mensch die Reize aus dem Umfeld auf, mit den Handlungsorganen vollbringt er seine Taten.
Zwischen diesen Elementen spielt sich das gesamte, sehr komplexe psychische Geschehen ab. Davon möchten wir ein Phänomen herausgreifen, welches für die meisten, bei uns lebenden Menschen sehr wichtig ist: Das überwertige Ahamkara- Manas-Gebilde. Es ist nach außen gerichtet und bestimmt weitgehend unsere Wahrnehmung und unser bewusstes Verhalten, immer im Sinne von Lustbefriedigung, Vermeiden von Ängsten, Anhaftung (z.B. Vermehrung von materiellen Gütern) und intellektueller Bewältigung von Situationen. Dieses stark ausgeprägte Ahamkara-Manas-Gebilde führt insgesamt dazu, dass äußere Reize eine überwertige Rolle spielen und unsere Sinne anziehen.
In letzter Konsequenz resultiert daraus ein Erleben und Verhalten, welches ausschließlich in der „äußeren Realität“ stattfindet. Die tiefer liegende, natürliche, kosmische Intelligenz und das wahre Selbst bleiben dabei so ziemlich auf der Strecke und können sich als gesundes Potential überhaupt nicht entfalten. Das fast ausschließliche Funktionieren in der äußeren Realität und das Vernachlässigen der natürlichen, kosmischen Intelligenz, sowie des wahren Selbst, ist äußerst ungesund und nota bene unseres Erachtens u.a. der Grund für die vielen Burnouts aber auch für das Entstehen von Gewohnheiten.
Wie entstehen Gewohnheiten?
Bei Gewohnheiten haben sich bestimmte Abläufe im Ahamkara- Manas-Gebilde festgesetzt, indem sich die am einfachsten erscheinende, bewährte Lebensbewältigung, die uns den geringsten Aufwand bringt, eingenistet hat. Die Suche nach möglichst großer Lustbefriedigung vermischt sich dabei mit der Vermeidung von angstmachenden Situationen. Zudem schleichen sich – mehr oder weniger unbewusst – Prägungen aus dem Chitta ins Verhalten mit ein.Beispiel: Viele Menschen in unserer Gesellschaft planen das Essen um das Fleisch herum; z.B. „ich koche heute Hackbraten, was passt dazu?“ Das habe ich als Kind schon so erlebt, hat sich im Laufe des Lebens weiter entwickelt, ich habe nichts Anderes gelernt und es macht Freude so zu essen.
Gewohnheiten machen das Leben einfacher. Das Denken wird uns dabei weitgehend abgenommen und planen müssen wir schon gar nicht mehr; da läuft alles automatisiert – so automatisiert, dass wir die Gewohnheiten schon gar nicht mehr hinterfragen. Und: Automatismen sind schnell – schneller als das bewusste Überlegen.
Weshalb fällt es so schwer Gewohnheiten zu verändern?
Aufgrund einer eigenen Einsicht, eines äußeren Einflusses oder eines Ratschlags einer Freundin, eines Partners oder einer Fachperson, kommt der Gedanke, sich ein neues Verhalten anzueignen, z.B. gesünder zu essen, fleischlos zu essen, das Rauchen aufzugeben oder mehr Sport zu treiben… Dieser Gedanke setzt sich im Ahamkara-Manas Gebilde fest. Die Person fasst den Entschluss, die alte Gewohnheit fallen zu lassen und sich neu zu orientieren. Es wird viel Wille zur Veränderung mobilisiert. Normalerweise fängt die Person auch wirklich mit dem neuen Vorsatz an und merkt im Idealfall auch, dass das Neue Spaß machen kann oder Erfolg bringt. Das Problem dabei ist nur, dass man sich jedesmal überwinden muss, sich entgegen der alten Gewohnheit zu verhalten.
Dies ist der innere Kampf gegen die Anhaftungen des Ahamkara.Beispiel: Ich plane das Essen um das jahreszeitengerechte Gemüse herum. Dabei muss ich mich immer wieder zwingen, das Fleisch zu „vergessen“. Ideal ist es dann wenigstens, wenn einem das Essen hinterher schmeckt. Wenn einem dann aber das Fleisch fehlt, sinkt die Motivation, weiterhin fleischlos zu essen, relativ schnell.
So lange ein wirklicher Erfolg des neuen Verhaltens bemerkbar ist, solange es positive Konsequenzen aufweist, bleibt die Motivation für das Neue erhalten. Sobald jedoch keine Veränderungen mehr spürbar werden, ist die Chance relativ groß, dass sich die alte Gewohnheit wieder einschleicht, weil sie halt trotzdem bequemer ist und weil die mühselige Überwindungsarbeit nicht mehr geleistet werden muss. Dann hat sich die Anhaftung wieder durchgesetzt. Das mangelnde Hinterfragen von Gewohnheiten, die Schnellheit der Automatismen, der Lustgewinn und die Anhaftungen machen es aus, dass es so schwierig wird, zum Teil lieb gewonnene Gewohnheiten zu ändern, obschon man überzeugt ist, dass gesünderes Verhalten viel besser, ja sogar dringend nötig wäre
Wie findet man zu neuen Verhaltensweisen?
Zu neuen Verhaltensweisen gelangt jemand, indem er erstens lernt, mehr auf sein Inneres, auf seine natürliche Intelligenz zu hören, die genau weiß, was für einen gut ist, diese Stimme zu verstehen und diese stärker zu bewerten als die laute und gesellschaftlich geprägte Stimme des Ego (Ahamkara). Zweitens braucht es eine Aufl ösung von Prägungen im Chitta, die zu den Gewohnheiten beitragen. Beides erreicht man vorerst durch das Praktizieren von spirituellen Methoden (Meditation, Mantras; in der ayurvedisch-psychologischen Therapie auch der Körperdialog), die einem helfen, von der dominierenden Außenwelt zur diskreteren aber authentischeren Innenwelt zu gelangen. Diese Nähe zum „wahren Selbst“ trägt dazu bei, Prägungen aufzulösen.
Weiter trägt das Sankalpa zu einer Gewohnheitsveränderung bei. Ein Sankalpa ist ein innerer, positiv formulierter Entschluss, der eine besondere Wirkung zeigt, wenn er in einem tiefen Entspannungszustand (Yoga-Nidra) vor Augen geführt wird. Dann muss das Sankalpa – ohne Unterbrechung – 42 Tage lang wiederholt werden. Am besten morgens vor dem Spiegel (z.B. beim Zähneputzen) und abends beim Zähneputzen die Kontrolle, ob es gelungen ist, dieses Vorhaben umzusetzen. Wir gehen in der ayurvedischen Psychologie davon aus, dass ein neues Verhalten auf diese Weise nach 42 Tagen (ohne Unterbrechung) in die Gewohnheit über gegangen ist.
Das Sankalpa heißt: „Ich esse Früchte, Gemüse, Brot und Teigwaren“. Falsch wäre: „Ich esse kein Fleisch mehr“, weil unser Unbewusstes keinen Unterschied zwischen einer positiven und einer negativen Aussage macht. In der Aussage „ich esse kein Fleisch“, steckt so gesehen eben die Möglichkeit des Fleischessens schon wieder drin.