Im Ayurveda wird eine große Anzahl von pathologischen Hauterscheinungen unter einem einzigen Krankheitsbegriff (kushtha) zusammengefasst. Diese sind nur bedingt auf moderne Krankheitsbilder übertragbar. Die Haut bildet die äußere Hülle des menschlichen Körpers. Neben ihrer Sinnes- und Schutzfunktion bezüglich äußerer Reize erfüllt sie wichtige regulatorische Aufgaben, die das Überleben und die innere Homöostase sichern, so wie die Steuerung des Temperatur- und Flüssigkeitshaushalts.
Angewandte Anatomie und Physiologie
Der Ayurveda hat bezüglich des Aufbaus und der funktionierender Haut (tvak, tvaca) außergewöhnliche Konzepte hervorgebracht, die sich therapeutisch gut nutzen lassen. Die Haut ist reich bestückt mit unterschiedlichen Sinnesrezeptoren, über die Sinnesreize von außen wahrgenommen werden. Somit wird sie als ein „Sitz“ von vata angesehen, insb. von vyana-vata.
Die kosmetische Bedeutung der Haut ist nicht zu unterschätzen, zumal das Aussehen einen starken Einfluss auf die Psyche nimmt. Nach ayurvedischem Dafürhalten sorgt bhrajaka-pitta für eine normale Färbung und Ausstrahlung der Haut. Zudem reguliert dieser pitta-Aspekt die Resorption von Substanzen, die auf die Haut aufgetragen werden. Im Ayurveda gab es nie die Auffassung, dass die Haut semipermeabel sei und ihr somit nur eine Ausscheidungsfunktion zukommt. Die Haut als größtes menschliches Organ wurde im Ayurveda immer als Zugang für therapeutische Impulse genutzt. Dies zeigt sich an der Fülle von Heilölrezepturen, die im Ayurveda auch für viele nicht dermatologische Indikationen entwickelt wurden.
Ferner bildet die Haut den Endpunkt des Transportsystems schweißpflichtiger Stoffe (sveda-vaha-srotas). Mithilfe der Schweißausscheidung werden nicht nur die Körpertemperatur, sondern auch der Wasser- und Elektrolythaushalt reguliert. Die schweißtreibenden Therapiemaßnahmen (svedana) stellen für den Körper eine wichtige Möglichkeit dar, pathoqenetisch aktive Abfallstoffe abzusondern, andererseits gelten manualtherapeutische Anwendungen als externe Ausleitungsverfahren. Somit haben Ölmassagen, Ölgüsse, Dauerölanwendungen, Packungen und Abreibungen immer auch eine ausleitende Wirkung.
Die Haut stellt den sog. „äußeren Krankheitspfad“ (bahya-roga-marga) dar, auf dem sich eine Vielzahl von Krankheiten manifestieren. In den ayurvedischen Texten werden die Entstehung der Haut(zellen) und die Regeneration der einzelnen Hautschichten mit der Hautbildung auf kochender Milch verglichen.
Kushtha – klassische Pathologien der Haut
Die 18 Unterformen von kushtha werden in den klassischen Texten beschrieben, wobei gleichzeitig erwähnt wird, dass sich aus der Kombination der pathogenetischen Faktoren unendlich viele Hautsymptome ergeben können (Caraka, Ni. 5.4). Trotz vieler Erscheinungsformen ist die ayurvedische Ätiopathogenese und Basistherapie für die meisten Hauterkrankungen ähnlich.
Kushtha auf einen Blick
klassische Bezeichnung: kushtha
deutsche Übersetzung: Hautkrankheiten
klassische Referenzen: Caraka, Ci. 7, Ni. 5
Wichtigste Faktoren:
- vata
- pitta
- kapha
- tvak
- rakta
- mamsa
- lasika
Hauptursachen:
- fettig-ölige und schwerverdauliche Nahrung
- salzige und saure Nahrungsmittel
- Fehlverhalten im Umfeld der Nahrungsaufnahme
- unverträgliche Nahrungsmittelkombinationen (viruddhahara)
- nicht regelgerecht durchgeführte Reinigungstherapien (shodhana)
- Unterdrückung der natürlichen Reinigungsreflexe, insb. des Brechreizes
- ethisches Fehlverhalten & psychische Faktoren
Hauptsymptome:
Je nach Art der Hauterkrankung variierend
Therapiestrategie:
- intensive Ausleitung (shodhana)
- Emesis (vamana)
- Purgieren (virecana)
- Blutentzug (rakta-mokshana)
- Blutreinigung (rakta-shodhana)
- pitta-Reduktion
- Packungen (lepa)
- Bevorzugung bitterer, leicht verdaulicher Heil- und Nahrungsmittel
- Meiden von sauren, scharfen, frittierten und schwerverdaulichen Nahrungsmitteln
- Harmonisieren der Psyche
Pathogenetische Faktoren
Generell sind bei Hautkrankheiten alle drei dosha aktiv und vier Gewebe als dushya betroffen (Caraka, Ci. 7.9). Allerdings sollten anhand der Symptomatik des individuellen Falles die jeweils dominierenden Faktoren ermittelt und entsprechende therapeutische Maßnahmen ausgewählt werden.
Symptome der Haut und deren dosha-Zuordnung
Vata
trocken, rau, schmerzhaft, stechender Schmerz, abgemagert, zusammengezogen, (aus)geweitet, Cutis anserina, zyanotisch, bräunlich
Pitta
gerötet, brennend, feucht, nässend, eiternd, nekrotisch, fauliger Geruch
Kapha
fettig, kühl, erhaben, juckend, fixiert, schwer, weißlich
Therapiemaßnahmen
Im Vordergrund der Behandlungsstrategie bei kushtha steht die Ausleitung (shodhana). Sie sollte unter Einbeziehung aller drastischen Verfahren (vamana, virecana) so intensiv wie möglich gestaltet werden.
Die Einhaltung der allgemeinen ayurvedischen Ernährungsempfehlungen ist für die Behandlung von Hautkrankheiten ebenfalls sehr wichtig, v. a. die Lehre von den richtigen Kombinationen von Nahrungsmitteln. Zum Beispiel ist bei Hautpatienten streng darauf zu achten, dass Milch nicht mit sauren oder salzigen Speisen kombiniert wird.
Hautpatienten sollten bittere, leicht verdauliche Nahrungsmittel bevorzugen und saure, scharfe, frittierte sowie schwerverdauliche meiden. Häufig spielen psychische Aspekte eine Rolle bei der Entstehung von Hautkrankheiten. Entsprechende psychotherapeutische Ansätze sind demnach nicht zu vernachlässigen.
Bei Hautkrankheiten sollte stets eine maximale Ausleitungsintensität angestrebt werden. Klassische Aussagen und die praktische Erfahrung stützen diesen Grundsatz. Der Einsatz von reinigenden Einläufen (niruha-basti) bei Hautkrankheiten wird im Ayurveda kontrovers beurteilt. Laut Caraka (Si. 2.14) sind sie kontraindiziert; von Sushruta (Ci. 35.22) werden sie empfohlen. Die praktischen Erfahrungen stützen Sushrutas Aussage, wobei sich die Anwendung von niruha-basti bei Hautkrankheiten besonders bewährt hat. Vor allem wenn die drastischen Verfahren (vamana, virecana) kontraindiziert sind, bilden die Einläufe eine sichere, aber dennoch effektive Methode zum Zwecke der Ausleitung.
Ein weiteres Konzept bei der Therapie von Hauterkrankungen ist die „Blutreiniqunq“ (rakta- shodhana). Dies wird zum einen bei systemischen Erkrankungen durch Blutentzug mittels Aderlässen (sira vedha) erreicht und bei lokal begrenzten Prozessen mittels Blutegeln (jalauka). Zum anderen wirken bittere Substanzen (tikta) blutreinigend. Schweißtreibende Dampfbehandlungen (svedana) sind neben ihrer Funktion als Vorbereitung für die Ausleitung (purva-karma) besonders bei kapha-dominierten Hauterkrankungen eine eigenständige Therapie.
Äußere Anwendungen
Verschiedene Packungen (lepa), Salben (mala- hara) und Öle (taila) werden je nach Symptombild äußerlich angewendet. Schwefel (qandhaka) verdient besondere Erwähnung als eine der wichtigsten Substanzen sowohl für die äußerliche als auch innerliche Behandlung von Hautkrankheiten. Gängige äußere Anwendungen sind:
- Packungen (lepa) und Salben (mala-hara)
- Ganzkörperölmassagen (abhyanga)
- Dampfbäder (svedana)
Klassisches Schema für die Zeiten der Ausleitung mit Modifikationen
Verfahren | klassisch (Vagbhatta, Ci.19.92 ff.) | bei gutem Allgemeinzustand | bei Kontraindikation von vamana | bei Kontraindikation von vamana und virecana |
Emesis (vamana) | alle 2 Wochen | alle 2 Wochen | – | – |
Purgieren (virecana) | alle 4 Wochen | alle 4 Wochen | alle 4 Wochen | – |
Dekokteinlauf (niruha) | – | 1-2 Wochen lang 1x tägl. | 1-2Wochen lang 1x tägl. | 1-2Wochen lang 1x tägl. |
Blutentzug (rakta-mokshana) | alle 6 Monate | je nach Intensität der Symptome: 2x pro Woche, 1x pro Woche, alle 2 Wochen, 1x im Monat | je nach Intensität der Symptome: 2x pro Woche, 1x pro Woche, alle 2 Wochen, 1x im Monat | je nach Intensität der Symptome: 2x pro Woche, 1x pro Woche, alle 2 Wochen, 1x im Monat |
Packungen (lepa) | alle 4 Tage | 1x tägl. | 1x tägl. | 1x tägl. |
Die Phytotherapie spielt im Ayurveda eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Hautkrankheiten. Neben den Bitterdrogen gibt es eine Reihe von Heilmitteln im Ayurveda, die generell „hauttherapeutisch“ (kushtha-ghna) wirken. In der Tabelle links werden die wichtigen Einzeldrogen für die Behandlung der Haut mir ihren wichtigsten Wirkungen aufgeführt.
Sanskrit-Bezeichnung | botanische/deutsche Bezeichnung | allgemeine Wirkung |
Dhanyaka | Coriandrum sativum, Koriander | appetitanregend; pitta-reduzierend; unterstützend bei allen pitta-Symptomen; bei Akne Verwendung als Packung (lepa) |
Mishreya | Foeniculum vulgare, Fenchel | pitta-reduzierend,; unterstützend bei allen pitta-Symptomen; kühlend |
Kumkuma | Crocus sativus, Safran | Reduktion aller 3 dosha; Förderung der Schönheit der Haut (varnya); aromatisch; Verwendung in Salben & Packungen (lepa) |
Haridra | Curcuma longa, Gelbwurz | „blutreinigend“ (rakta-shodhana); Bitterdroge; leber- und galleanregend; antiseptisch, v.a. auch bei offennen Verletzungen |
Shatapatri | Rosa centifolia, Zentifolienblüten | pitta-reduzierend; kühlend; Förderung der Schönheit der Haut (varnya); aromatisch |
Candana | Santalum album, Sandelholz | kühlend; pitta-reduzierend; auch äußerliche Anwendung als aromatisches Hautpflegemittel und bei kleineren Entzündungen |
Japa | Hibiscus rosasinensis, rote Hibiskusblüten | haarwuchsfördernd als lokale Anwendung bei Alopezie |
Kumari | Aloe vera, Echte Alore | kühlend, choleretisch; lokal entzündungshemmend und gut als Erstversorgung von Verbrennungen |
Yashtimadhu | Glycyrrhiza glabra, Süßholz | gut für die Haare (keshya); wundheilungsfördernd, juckreizlindernd |
Amalaki | Emblica officinalis, Indische Stachelbeere | generelles Rasayana; bestes pflanzliches Mittel zur Reduktion von pitta; Verwendung als Haaröl und für Packungen der Kopfhaut |
Shatavari | Asparagus racemosus, Wilder Spargel | gut für die Haare (keshya); Rasayana |
Brahmi | Bacopa monnieri, Kleines Fettblatt | hilfreich bei psychisch bedingten Hautkrankheiten (medhya) |
Madukaparni | Centella asiatica, Indischer Wassernabel | hilfreich bei psychisch bedingten Hautkrankheiten (medhya); „blutreinigend“ (rakta-shodhana) |
Guduci | Tinospora cordifolia, Guduchi | Rasayana; Bitterdroge; „blutreinigend“ (rakta-shodhana) |
Nimba | Azadirachta indica, Niembaum | antiseptisch; Bitterdroge; „blutreinigend“ (rakta-shodhana); lokale Anwendung bei Mykosen |
Khadira | Acacia catechu, Gerber-Akazie | laut klassischer Aussage: „bestes Hauttherapeutikum“ (kushtha-ghna) |
Bhumyamalaki | Phyllanthus niruri, Bitterer Stachelbeerbaum | kühlend; hauttherapeutisch (kushtha-ghna) |
Bhringaraja | Elicpta alba, Mehlblume | gut für die Haare (keshya) |
Daruharidra | Berberis ariastata, Indische Berberitze | hauttherapeutisch (kushtha-ghna) |
Bakuci | Psoralea corylifolia, Harzklee | Hauptmittel bei der Behandlung von Vitiligo |
Kakodumbara | Ficus hispida | hilfreich bei Vitiligo |
Cakramarda | Senna tora, alt: Cassia tora | hauttherapeutisch (kushtha-ghna); juckreizlindernd; hilfreich bei Mykosen |
Dosha-Zuordnungen
Über die wahrnehmbare Symptomatik lassen sich die Doshas den Hautproblemen zuordnen. Diese Sichtweise unterscheidet sich von der modernen Einteilung nach verschiedenen Erkrankungen. Dem Ayurveda geht es darum, die zugrunde liegende Störung zu erfassen.
Vata | Pitta | Kapha |
trocken rau schmerzhaft stechender Schmerz abgemagert zusammengezogen (aus)geweitet Cutis anserina zyanotisch bräunlich | gerötet brennend feucht nässend eiternd nekrotisch fauliger Geruch | fettig kühl erhaben juckend fixiert schwer weißlich |
Kombinationspräparate für die Behandlung der Haut mit ihren wichtigsten Wirkungen
Sanskrit-Bezeichnung | Klassifikation | allgemeine Wirkungen |
Triphala-Curna | Pulverkombination aus drei Früchten mit Haritaki (Terminalia chebula) | mildes bewährtes Abführmittel; generelles Rasayana |
Manjishtadi-Kvatha | Dekokt mit Manjishta (Rubia cordifolia) | berühmtes blutreinigendes Mittel; Basistherapeutikum der meisten Hautkrankheiten. |
Samshamani-Vati | Extrakt von Guduci (Tinospora cordifolia) | Rasayana; Bitterdroge; „blutreinigend“ (rakta-shodhana) |
Kaishora-Guggulu | Präparat mit Guggulu (Commiphora mukul) und Guduci (Tinospora cordifolia) | Basismittel für die meisten Hautkrankheiten und Rakta-Dhatu-Störungen. Vereinzelt wurden allergische Reaktionen beobachtet. |
Ernährung und Verhalten
Zuträgliche Ernährung
- bittere, leicht verdauliche Substanzen bevorzugen
- warme Mahlzeiten
- „alter“ Reis, Gerste, Weizen, Mudga (Phaseolus radiatus, Mungbohnen bzw. -linsen), Masura (Lens culinaris, Hindi: Masur, rosafarbene Linsen), Adhaki (Cajanus cajan, Hindi: Tuver, große gelbe Linsen), bittere Gemüse, alle Kürbisgewächse inkl. Zucchini und Gurken, Ghie, süße Früchte, Kurkuma, Ingwer, bittere Kräuter
Abträgliche Ernährung
- saure, scharfe, salzige, frittierte Nahrung
- schwerverdauliche und srotas-blockierende Nahrung
- verstopfende Nahrungsmittel
- Zucker bzw. Rohrohrzuckermasse (guda; engl.: Jaggery)
- Tomaten, saure Früchte
- nichtvegetarische Kost (Eier, Fleisch, Fisch, Wurst)
- Sesam, Masha (Phaseolus mungo, Hindi: Urid oder Urad)
- unverträgliche Nahrungsmittelkombinationen besonders mit Milch (viruddhahara)
- Nahrungsaufnahme, bevor vorangegangene Mahlzeit verdaut ist
- kalte Getränke sofort nach Sonneneinstrahlung, Hitze oder körperlicher Anstrengung
Zuträgliches Verhalten
Schwitzen
Abträgliches Verhalten
- Tagesschlaf
- Unterdrückung der natürlichen Reinigungsreflexe bes. des Brechreizes (vega-dharana)
- negative Gefühle (bes. Ängste und Aggressionen)
- Körperliche Belastung nach einer schweren Mahlzeit
- Sonneneinstrahlung oder Hitze nach einer schweren Mahlzeit
- Geschlechtsverkehr während der Verdauungsphase
- Nicht regelgerecht durchgeführte Reinigungstherapien (Shodhana)
Heft 20 – Unsere Haut
Unsere Haut – der Spiegel unserer Seele. Im Ayurveda Journal 20 gibt es Tipps rund um das größte Organ unsere Körpers. Schönheitstipps für Zu Hause, die richtige Ernährung – alles um die natürliche Schönheit unserer Haut zu unterstützen.