Ayurvedische Öle werden in der Pharmazie als Taila bezeichnet und sind Fettpräparate, bei denen Öle zusammen mit bestimmten wässrigen Auszügen (Kashaya), Pasten (Kalka), Frischpresssäften (Svarasa) oder anderen Zutaten gekocht werden. Dieser langwierige Prozess stellt das Resorbieren der Wirkstoffe über die Haut sicher.

Das Wort Taila kommt von Tila, was Sesamsaat bedeutet, denn größtenteils wird in der Herstellung von Taila das Sesamöl verwendet. Aber auch Rezepte mit Mischungen von Rizinus-, Kokos-, Distel-, Hanf- oder Sonnenblumenöl und Butterfett (Ghee) sind möglich. Grundsätzlich regulieren alle Taila überschüssiges Vata – erhöhen aber Pitta sowie Kapha. Wenn Taila mit Pitta oder Kapha besänftigenden Kräuterauszügen gekocht werden, dann können sie auch zur Behandlung von Kapha-Vata oder Pitta-Vata Störungen eingesetzt werden. Idealerweise sollten Taila in Glasflaschen in dunklen, kühlen Räumen gelagert werden. Die Wirksamkeit bleibt für ca. zwei Jahre erhalten. Generell sollte es wie beim Essen gehalten werden – je frischer die Energie, je besser.

Im Praxisalltag arbeite ich mit etwa 17 verschiedenen Ölen. Sie kommen beim Pancakarma, bei Medical Wellness oder bei spezifischen Indikationen zum Einsatz. Seit 2001 arbeiten wir bei Panca Karma und bei den täglichen Massagen in den ambulanten Betrieben fast ausschließlich mit in Europa hergestellten Ölen. Mit dem Biogedanken und dem Wissen, dass Mutter Natur mit den Produkten der nahen Umgebung für uns die beste Wirkung erzielt, stellten wir auf rein biologische Grundstoffe um und holten uns die Information von den Biobauern in der Region, welches Pflanzenmaterial sie anbauen.

Vom Zusammenmischen und Abkochen des wunderbaren Ausgangsmaterials bis hin zur Massage am Kunden bereitet es uns immense Freude, die feine Energie und trotzdem starke Wirkkraft der Taila tagtäglich zu beobachten. Die frischen, biologischen und uns vertrauten Kräuter besitzen enorme energetische Wirkkraft (Virya). Zudem zeigte sich, dass im Gegensatz zu den exotischen Ölen bisher keine allergischen Reaktionen aufgetreten sind.

Zusammen mit Dr. C. R. Karnick, einem der größten Experten indischer Heilpflanzen, begann ich 1988 die Suche nach europäischen Alternativen zu indischen Heilpflanzen. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ein beachtlicher Teil der europäischen Pflanzen irgendwo in den verschiedenen Klimazonen Indiens eine Schwester, einen Bruder hatte oder gar selbst gedieh. Der umfangreiche Wissensschatz der europäischen Kräuterkunde liegt in der griechisch-arabischen Medizin mit einem erwiesenen Bezug zum Ayurveda begründet. Wir nutzten auch modernste Erkenntnisse der Phyto-medizin und schlüsselten diese nach ayurvedischem pharmazeutischen Modell auf.

Zahlreiche eigene Versuche bestätigten oder widerlegten unsere literarischen Thesen. Ein Teil dieser Funde sind in 3 Büchern zusammengefasst: Das aus 2 Volumen bestehende „Pharmacopoeial Standards of Herbal Plants“ von C. R. Karnick (1994 bei Shri Satguru Publications Delhi) beschreibt 330 Heilpflanzen und mein Buch „Heilpflanzen im Ayurveda“ (2006 AT Verlag Baden/München) über 100 europäische Pflanzen. Mit viel Liebe und Handarbeit entwickeln wir weiter neue Formeln – abgestimmt auf die Bedürfnisse europäischer Kunden. So produzieren wir zum Beispiel ein hautstraffendes Öl mit Extrakten aus Schachtelhalm, ein Notfallöl mit Zwiebelsaft, das Mundspülöl mit Salbei und Steinsalz oder ein stark nährendes Taila mit Hanf- und Distelöl. Das Herstellen eines Taila dauert in der Regel 6 bis 7 Tage. Dabei muss der Prozess 24 Stunden am Tag genau überwacht werden. Die Fertigung entscheiden letztlich immer die Sinne des Koches und nicht irgendeine Maschine, denn selbst wenn in 20 Töpfen das gleiche Öl gekocht wird, so reift das Öl zum Teil völlig unterschiedlich in jedem Gefäß.


Heft 19 – Europäische Heilpflanzen

Das Ayurveda Journal 19 beschätigt sich mit den Heilkräutern, die auch unter europäischen Klimabedingen wachsen. Unterstützende Heilwirkungen von Brennnessel, Thymian, Salbei & Co. aus dem heimischen Garten.