Haarausfall ist ein Thema, das viele Menschen betrifft und das bereits seit Jahrhunderten. Tatsächlich leiden allein in Deutschland etwa 80% der Männer und 50% der Frauen im Laufe ihres Lebens unter verschiedenen Formen von Haarausfall. 
Die ayurvedische Medizin betrachtet Haarausfall nicht als isoliertes Problem, sondern als Zeichen eines tieferliegenden Ungleichgewichts im Körper. Das Ziel dieses ganzheitlichen Ansatzes ist es, nicht nur die äußeren Erscheinungen zu bekämpfen, sondern die Ursachen an der Wurzel zu behandeln und das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen.
Dafür gibt es im Ayurveda natürliche Heilmittel, die traditionell zur Stärkung der Haare eingesetzt werden. Früher basierten die Behandlungen oft auf Überlieferungen, doch mittlerweile belegen auch wissenschaftliche Untersuchungen, dass uns gewisse Pflanzen tatsächlich bei Haarausfall helfen können – und das ganz sanft und nachhaltig.
Bevor wir uns jedoch den konkreten Heilpflanzen widmen, ist es wichtig zu verstehen, wie Ayurveda das Haar und seine Gesundheit betrachtet. Denn wenn Sie Ihren individuellen Konstitutionstyp kennen, können Sie mit der für Sie passenden Behandlung optimale Ergebnisse erzielen. In diesem umfassenden Artikel erfahren Sie nicht nur, welche ayurvedischen Heilpflanzen bei Haarausfall unsere Freunde sind, sondern auch, wie Sie diese gezielt für Ihren Haartyp einsetzen können.

Vata-Dosha-Haar: Das Prinzip der Bewegung und Trockenheit

Das Vata-Dosha setzt sich aus den Elementen Luft und Raum zusammen und steht für Bewegung, Leichtigkeit und Trockenheit. Menschen mit einem dominanten Vata-Dosha haben oft naturgemäß trockenes, feines Haar, das zu Bruch und Spliss neigt. Die Kopfhaut kann ebenfalls trocken sein und zu Schuppenbildung neigen.

Typische Vata-Haar-Charakteristika:
Feines, dünnes Haar mit wenig Volumen
Trockene, manchmal juckende Kopfhaut
Haare, die schnell verknoten und schwer kämmbar sind
Tendenz zu vorzeitigem Ergrauen
Haarausfall durch Stress oder unregelmäßige Lebensweise

Was Vata-Haar braucht: Das Vata-Dosha reagiert am besten auf nährende, befeuchtende und erdende Behandlungen. Warme Öle wie Kokosöl, Sesamöl oder Mandelöl sind ideal für die regelmäßige Kopfhautmassage. Diese Öle beruhigen das überaktive Vata und spenden intensive Feuchtigkeit. Auch regelmäßige Routinen sind wichtig, da Vata-Menschen oft zu einem unregelmäßigen Lebensstil neigen, der sich negativ auf die Haargesundheit auswirken kann.

Pitta-Dosha-Haar: Das Prinzip des Feuers und der Transformation

Pitta besteht aus den Elementen Feuer und Wasser und steht für Transformation, Hitze und Intensität. Menschen mit dominantem Pitta-Dosha haben oft kräftiges, glänzendes Haar mit mittlerer Dicke, neigen aber zu vorzeitigem Haarausfall und frühem Ergrauen. Die Kopfhaut kann empfindlich sein und zu Entzündungen oder fettiger Schuppenbildung neigen.

Typische Pitta-Haar-Charakteristika:
Mittlere Haardicke mit natürlichem Glanz
Oft rötliche oder blonde Nuancen
Kopfhaut neigt zu Überhitzung und Entzündungen
Vorzeitiger Haarausfall, besonders am Oberkopf
Empfindlichkeit gegenüber chemischen Produkten

Was Pitta-Haar braucht: Pitta-Haar profitiert von kühlenden und beruhigenden Behandlungen. Kokosöl ist hier besonders wertvoll, da es eine kühlende Wirkung hat und Entzündungen reduziert. Auch Aloe Vera, Hibiskus und andere kühlende Kräuter können helfen, die überschüssige Hitze aus der Kopfhaut zu ziehen. Wichtig ist es, aggressive Chemikalien und übermäßige Hitze durch Föhnen oder Glätten zu vermeiden.

Kapha-Dosha-Haar: Das Prinzip der Struktur und Feuchtigkeit

Kapha setzt sich aus den Elementen Erde und Wasser zusammen und steht für Stabilität, Schwere und Feuchtigkeit. Menschen mit dominantem Kapha-Dosha haben oft dickes, volles Haar mit einer natürlichen Tendenz zu Fettigkeit. Die Kopfhaut produziert viel Talg, was zu fettigem Haar und gelegentlich zu verstopften Poren führen kann.

Typische Kapha-Haar-Charakteristika:
Dickes, volles und kräftiges Haar
Natürlicher Glanz, aber schnell fettend
Kopfhaut produziert viel Talg
Haare wachsen oft schnell und sind sehr widerstandsfähig
Neigung zu fettigen Schuppen oder verstopften Follikeln

Was Kapha-Haar braucht: Kapha-Haar benötigt stimulierende und reinigende Behandlungen. Leichte Öle wie Jojobaöl oder sogar ölfreie Behandlungen sind hier oft besser geeignet als schwere Öle. Reinigende Kräuter wie Neem oder stimulierende Öle wie Rosmarinöl können helfen, die Durchblutung anzuregen und überschüssigen Talg zu regulieren. Regelmäßige, aber nicht zu häufige Haarwäschen sind wichtig.

Mischtyp-Haar: Wenn mehrere Doshas dominieren

Die meisten Menschen haben eine Kombination aus zwei oder sogar allen drei Doshas, wobei meist eines oder zwei dominieren. Ein Vata-Pitta-Typ könnte beispielsweise feines Haar haben, das zu Trockenheit neigt, aber auch empfindlich auf Hitze reagiert. Ein Pitta-Kapha-Typ hat möglicherweise dickes Haar, das zu Fettigkeit neigt, aber auch zu Entzündungen.

So bestimmen Sie Ihren Dosha-Haar-Typ:
Beobachten Sie Ihr Haar über mehrere Wochen hinweg.
Achten Sie darauf, wie Ihr Haar auf verschiedene Behandlungen reagiert.
Berücksichtigen Sie auch Ihre allgemeine Konstitution und Persönlichkeit.

Saisonale Einflüsse auf die Doshas
Ein wichtiger Aspekt im Ayurveda ist, dass sich die Doshas je nach Jahreszeit, Lebensphase und äußeren Umständen verändern können. Im Winter verstärkt sich oft das Vata-Dosha, was zu trockenerem Haar führen kann. Im Sommer dominiert Pitta, was Hitzeschäden und Haarausfall verstärken kann. Diese saisonalen Schwankungen sollten in Ihre Haarpflegeroutine einbezogen werden.

Ungleichgewicht der Doshas: Wenn Haare Hilfe rufen

Haarprobleme entstehen im Ayurveda meist durch ein Ungleichgewicht der Doshas. Stress kann Vata erhöhen und zu Haarbruch führen. Eine ungesunde Ernährung kann Pitta verstärken und Haarausfall verursachen. Ein träger Lebensstil kann Kapha fördern und die Kopfhaut verstopfen.
Die gute Nachricht ist: Durch die richtige Kombination aus äußerer Haarpflege, angepasster Ernährung und einem bewussten Lebensstil können Sie Ihre Doshas wieder ins Gleichgewicht bringen und damit die Grundlage für gesundes, kräftiges Haar schaffen. Die in diesem Artikel vorgestellten Heilpflanzen Amla, Bhringraj und Kokosöl wirken nicht nur direkt auf das Haar, sondern helfen auch dabei, die zugrundeliegenden Dosha-Ungleichgewichte zu korrigieren.

Amla (Phyllanthus emblica)

Amla, die indische Stachelbeere, ist ein Laubbaum, der in den tropischen Teilen Südostasiens wächst. Besonders spannend an der Pflanze sind ihre Früchte, die zu Sirup, Öl oder Pulver verarbeitet werden können. Diese Amla-Produkte werden seit Jahrhunderten im Ayurveda, aber auch in der südindischen Siddha- und in der persischen Unani-Medizin sowie in der tibetischen Medizin zur Stärkung des Haarwachstums eingesetzt.
Amla kann nämlich zu einer signifikanten Verlängerung der Wachstumsphase der Haarfollikel beitragen. (1) Das führt dazu, dass die Haare einerseits länger werden und andererseits mehr Haare gleichzeitig wachsen, wodurch die Haarpracht insgesamt dichter ist.
Wie es genau zu dieser vorteilhaften Veränderung kommt, ist noch nicht ganz klar. Manche Forscher:innen vermuten, dass es durch seine antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften die Kopfhaut gesund hält. Nachdem Antioxidantien auch bei altersbedingtem Haarausfall eine Rolle spielen (2), könnte Amla daher auch zur Vorbeugung von Haarausfall interessant sein. Außerdem könnte es auch hormonelle Prozesse beeinflussen, die mit dem Haarwachstum zusammenhängen. Eine weitere Theorie ist, dass Amla die Aktivität der Haarwurzelzellen anregen könnte. Wissenschaftlich bestätigt sind diese Annahmen bislang jedoch nicht. (1)

Anleitung zur Herstellung von Amla-Öl
Die offensichtlichste Anwendungsmethode von Amla ist die Einnahme von Amla-Pulver oder anderen Zubereitungen. Doch um den Haarfollikel eine Extraportion Amla zu gönnen, eignet sich eine intensive Kur in Form von Amla-Öl besonders gut. Dieses kann entweder fertig zubereitet gekauft oder auch selbst hergestellt werden. Wenn Sie zu den DIY-Menschen gehören, können Sie Amla-Öl folgendermaßen zubereiten:
Kokosöl leicht erwärmen (im Wasserbad oder bei niedriger Hitze).
Amla-Pulver hinzufügen und 5–10 Minuten rühren, bis es leicht dunkler wird.
Abkühlen und dann für maximale Nährstoffextraktion 24 Stunden ziehen lassen.
Durch ein Sieb oder Tuch filtern, um Rückstände des Amla-Pulvers zu entfernen.
In ein dunkles Gefäß füllen, kühl und dunkel lagern und innerhalb von 6 Monaten aufbrauchen.

Anleitung zur Anwendung von Amla-Öl
Nehmen Sie etwa einen Esslöffel Amla-Öl in die Handfläche.
Wenn das Öl noch fest ist, erwärmen Sie es durch Reiben zwischen den Handflächen.
Tragen Sie das flüssige, erwärmte Öl auf die Kopfhaut auf.
Massieren Sie es nun mit sanften, kreisenden Bewegungen ein – umso länger, desto besser.
Lassen Sie das Amla-Öl mindestens 30 Minuten einwirken. Für eine optimale Wirkstoffaufnahme können Sie die Kopfhautkur auch über Nacht einziehen lassen.
Waschen Sie das Öl mit einem milden Shampoo gut aus. Anschließend können Sie wie gewohnt ihre Haare weiterpflegen.
Wiederholen Sie die Behandlung zweimal pro Woche über mindestens acht Wochen, um sichtbare Ergebnisse zu erzielen. In der Kombination von Amla mit Kokosöl haben Sie übrigens gleich zwei starke Helfer vereint. Dazu aber später mehr.

Bhringraj (Eclipta alba/prostrata)

Eclipta alba oder prostrata, auch bekannt als Bhringraj oder Falsches Gänseblümchen, ist eine ayurvedische Heilpflanze, die schon sehr lange für gesunde Haare eingesetzt wird. Der Sanskrit-Name der Pflanze „Kesharaja“, der „König der haarstärkenden Kräuter“, weist schon darauf hin, was sich Anwender:innen von der Pflanze erwarten dürfen. Die Pflanze soll neben mehr Haarwachstum auch für glänzendere Haare sorgen.
Ähnlich wie bei Amla werden auch durch Bhringraj mehr Haare in der Wachstumsphase geführt. Der Pflanzenextrakt sorgt nämlich dafür, dass Haare schneller von der Ruhephase in die Wachstumsphase übergehen. Im direkten Vergleich mit dem bekannten Haarausfallmittel Minoxidil konnten mit Bhringraj sogar ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der Anzahl der Haare in der Wachstumsphase sowie der Länge der Haare erzielt werden. (3) Der einzige Haken an der Sache: Die Pflanze wurde bislang nur an Mäusen untersucht und nicht an Menschen.
Erblich bedingter Haarausfall wird bei Frauen und Männern in erster Linie durch das Hormon DHT (Dihydrotestosteron) verursacht. Es wird angenommen, dass Bhringraj die DHT-Menge reduzieren kann und somit potenziell gegen erblich bedingten Haarausfall wirksam sein könnte – vor allem in Kombination mit anderen Mitteln. (3)

Anleitung zur Anwendung von Bhringraj-Öl
Waschen Sie das Haar vorab mit einem milden Shampoo und trocknen Sie es leicht ab.
Geben Sie etwa zehn Tropfen reines Bhringraj-Öl in die Handfläche und reiben Sie die Handflächen aneinander, bis das Öl lauwarm wird.
Tragen Sie das erwärmte Öl gleichmäßig auf die Kopfhaut auf und konzentrieren Sie sich dabei auf die kahlen oder dünner werdenden Stellen.
Massieren Sie das Öl mindestens fünf Minuten lang mit sanftem Druck ein, um die Durchblutung anzuregen.
Lassen Sie das Öl eine Stunde einwirken oder – noch besser – wickeln Sie die Haare in ein warmes Handtuch und lassen Sie das Öl über Nacht wirken.
Waschen Sie das Öl mit einem milden Shampoo gründlich aus und fahren Sie mit Ihrer gewohnten Pflegeroutine fort.
Wenden Sie das Bhringraj-Öl einmal pro Woche an und setzen Sie die Kur über drei Monate fort, um eine nachhaltige Stärkung der Haarwurzeln zu erreichen.

Kokosöl

Kokosöl wird im Ayurveda häufig bei Kopfhautmassagen verwendet. Es wirkt zwar nicht direkt gegen Haarausfall, allerdings soll es die Haare stärken, Schuppen reduzieren und auch eine  kühlende Wirkung auf die Kopfhaut haben. Kokosöl eignet sich daher besonders für Menschen mit einem dominanten Pitta-Dosha oder einem unausgeglichenen Vata-Dosha. Aufgrund seiner schweren und feuchten Natur kann Kokosöl das Kapha-Dosha verstärken und sollte hier sparsam verwendet werden. (4)
Kokosöl kann den Proteinverlust in den Haaren spürbar verringern und zwar deutlich besser als andere Öle wie Mineralöl oder Sonnenblumenöl. Das liegt daran, dass Kokosöl Laurinsäure enthält, die sich gut mit Haarproteinen verbindet. Dank seiner kleinen Moleküle kann es tief in geschädigtes, aber auch gesundes Haar eindringen. (4)

Anleitung zur Anwendung von Kokosöl
Nehmen Sie einen Esslöffel reines, kaltgepresstes Kokosöl in die Handfläche.
Reiben Sie das Öl zwischen den Handflächen, bis es vollständig schmilzt und lauwarm ist.
Verteilen Sie das flüssige Öl zunächst auf der Kopfhaut und arbeiten Sie es anschließend in die Längen und Spitzen ein.
Massieren Sie das Öl fünfzehn Minuten lang sanft mit kreisenden Bewegungen in die Kopfhaut ein.
Lassen Sie das Kokosöl anschließend mindestens zwei Stunden einwirken oder verwenden Sie eine Duschhaube und lassen Sie es über Nacht wirken.
Waschen Sie das Öl gründlich mit einem milden Shampoo aus.
Wiederholen Sie die Behandlung einmal pro Woche, um Haarbruch vorzubeugen und die Haardichte zu verbessern.


Mit freundlicher Genehmigung von Magdalena Riederer von der Gesundheitsplattform Healthheld, danken wir für die Bereitstellung dieses Artikels.

Fazit

Amla, Bhringraj und Kokosöl sind drei ayurvedische Mittel, die Ihr Haarwachstum unterstützen und für kräftigeres und gesünderes Haar sorgen können. Ob einzeln angewendet oder in Kombination – diese natürlichen Helfer haben das Potenzial, einen sichtbaren Unterschied zu bewirken.

QUELLEN
(1) Akhbari M, Firooz A, Rahimi R, Shirzad M, Esmaealzadeh N, Shirbeigi L. The effect of an oral product containing Amla fruit (Phyllanthus emblica L.) on female androgenetic alopecia: A randomized controlled trial. J Ethnopharmacol. 2024 Jan 10;318(Pt A):116958. doi: 10.1016/j.jep.2023.116958. Epub 2023 Jul 23. PMID: 37487962.

(2) HealthHeld. (2025) Plötzlicher Haarausfall im hohen Alter. Abgerufen von: https://healthheld.de/haarausfall/ploetzlicher-haarausfall-im-hohen-alter, am 22.03.2025.

(3) Roy RK, Thakur M, Dixit VK. Hair growth promoting activity of Eclipta alba in male albino rats. Arch Dermatol Res. 2008 Aug;300(7):357-64. doi: 10.1007/s00403-008-0860-3. Epub 2008 May 14. PMID: 18478241.

(4) Rele AS, Mohile RB. Effect of mineral oil, sunflower oil, and coconut oil on prevention of hair damage. J Cosmet Sci. 2003 Mar-Apr;54(2):175-92. PMID: 12715094.

Magdalena Rieder
Author: Magdalena Rieder

Magdalena Riederer ist Medizinerin. Auf ihrer Plattform HealthHeld informiert sie wissenschaftlich fundiert über gesundheitliche Themen, um die Kluft zwischen medizinischer Forschung und alltäglichen Gesundheitsentscheidungen zu verringern.