„Am Ende zählen die inneren Werte. Das beweist die Geschichte vom Elefantengott Ganesha, der sich nach einem grausamen Schicksalsschlag seine sattvisch helle Natur erhalten konnte und mit seinen freundlichen, lustigen Augen in die Seele anderer Lebewesen blicken kann. Er ist eine Frohnatur und verkörpert Lebensfreude, Weisheit und Spiritualität. Ganesha hat viele Freunde. Er liebt und wird geliebt – was für ein Geschenk!“

Dies ist seine Geschichte
neu und modern interpretiert von Irene Rhyner

Wie so oft im gemeinsamen Leben von Mann und Frau können durch fehlende oder falsche Kommunikation große Missverständnisse passieren. Im Fall von Ganesha war es mehr als ein Missverständnis, es war eher ein fatales Unglück. Shiva, der Göttervater, beobachtete sehr gerne, aber heimlich, seine Ehefrau Parvati beim Baden. Aber auch für eine liebende Ehefrau gibt es Zeiten, wo sie einfach abschalten und relaxen möchte. Da mit ihrem Mann keine Einigung möglich war, suchte sie nach einem Geschenk und einer Ablenkung für ihn. Sie formte aus Lehm die hübsche Figur eines Jungen, der sie mit einem Ritual und einer Taufe mit Gangeswasser Leben einhauchte. Der Junge sollte für sie und Shiva wie ein Sohn sein. Sie nannte ihn Ganesha.

Da Shiva nicht zu Hause war, setzte sie Ganesha vor die Eingangstür des Badehauses und erklärte ihm, dass er niemanden hereinlassen dürfe. Shiva, der nach einem anstrengenden Götterarbeitstag nach Hause kam, suchte seine Frau. Die Dienerin zeigte auf das Badehaus und wollte ihn gerade noch wissen lassen, dass Familienzuwachs da war und ein Junge auf ihn wartete. Doch Shiva hörte nicht zu, stürmte hinaus und lief auf das Badehaus zu. Dort stellte sich ihm ein junger Mann in den Weg. Rasend vor Eifersucht und voller Zorn schlug er dem Jungen den Kopf ab.

Parvati hörte den Lärm und lief aus dem Badehaus. Als sie sah, was ihr Mann getan hatte, schrie sie laut auf und war verzweifelt. Sie rief ihn an, dass er sofort eine Gegenmaßnahme ergreifen müsse, um ihren gemeinsamen Sohn zu retten.

Shiva geriet in große Panik und begriff erst jetzt, was für ein Unglück er angerichtet hatte.
Er schickte seinen Diener los und befahl ihm, so schnell wie möglich den Kopf des ersten Lebewesens zu bringen, das ihm über den Weg lief.
Der arme Diener hastete den Weg entlang und traf auf einen Elefanten. Diesem schlug er den Kopf ab und schleppte ihn zum Haus, wo Shiva und Parvati ungeduldig warteten.

Parvati sah den Elefantenkopf und weinte bitterlich. Shiva überlegte nicht lange und setzte den Elefantenkopf auf den Köper seines Sohnes. Und siehe da, die Transplantation gelang auf Anhieb und schon lächelte das Elefantengesicht so friedlich und froh, dass Parvati den neuen Ganesha sofort in die Arme schloss, dankbar, dass das Leben ihres Sohnes gerettet worden war.

Ganesha hatte alle positiven Eigenschaften einer Gottheit erhalten. Er verkörpert die Glückseligkeit und kann allen Situationen etwas Gutes abgewinnen. Außerdem erhielt er einen gesegneten Appetit. Mit einem Lächeln auf den Lippen und in den Augen hat er kein Problem mit seinem runden Bäuchlein, das seine Vorliebe für Süßigkeiten zeigt. Er teilt seine Naschereien mit einer Ratte, seinem Reittier. Das klingt ungewöhnlich, weil ein Elefant so viel schwerer als eine kleine Ratte ist. Genau das zeigt aber die große Sanftmut von Ganesha. Er nimmt Rücksicht auf sein Reittier und macht sich ganz leicht, sodass die Ratte sein Gewicht ohne Probleme tragen kann. Sein Motto lautet:

Alles ist möglich!

Er ist weise, intelligent und stark, liebt den Genuss und ist trotzdem sehr sorgsam. Er gilt als Schutzpatron zur Überwindung aller Hindernisse und darf bei Ritualen nicht fehlen. Beim Beginn neuer Lebensabschnitte leistet er Hilfe und glättet den Weg, sei es der Eintritt in die Schule bzw. in einen neuen Job, eine Heirat oder ein wichtiger geschäftlicher Abschluss. Gleichzeitig achtet er darauf, dass die göttliche Urnatur eines jeden Menschen geschätzt und respektiert wird. Wer dies nicht einhält, dem kann Ganesha in umgekehrter Weise große Hindernisse in den Weg legen, denn er sorgt für Gerechtigkeit.

Ganesha ist eine Gottheit, vor der sich niemand fürchtet. Er liebt die Freuden des Lebens. Die einen sagen, er lebe im Zölibat, die anderen Geschichten erzählen von den Wonnen mit seinen drei Frauen. Seine Darstellung kann sitzend, stehend oder tanzend auf einem Bein sein. Meist sitzt er auf einer Lotusblüte, die als Zeichen geistiger Wiedergeburt gilt. Er trägt in einer Hand eine Schale mit Milchreis als Symbol der Belohnung für spirituelle Suche und Gläubigkeit, in einer anderen ein Elefantenseil, mit dem er weltliche Probleme wegziehen kann. In einer weiteren Hand trägt er eine Axt, mit deren Hilfe er falsche Bedürfnisse, Anhaftungen und Bindungen durchtrennt. Ganesha, der Menschenfreund, lädt uns zu einem fairen, selbstbewussten Leben ein, in dem jeder Mensch die volle Berechtigung zum Glücklichsein erhält.

Dabei sind Aussehen, Hautfarbe und Herkunft gleichgültig. Möge Ganesha weiter Hindernisse aus dem Weg räumen und uns das Leben versüßen.

Om Shri Ganeshaya Namaha


Heft 57 – Wohlfühlgewicht

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit dem Schwerpunkt Wohlfühlgewicht.