Im Ayurveda, speziell in der südindischen Kalaritradition nimmt das gezielte und tiefgreifende Arbeiten mit dem sogenannten Marma-Nadi-System, einem Wissen von sensiblen Punkten (Marmas) und Energiebahnen (Nadis) des Körpers, eine ganz besondere und zentrale Stellung ein.

Sushruta, einer der großen Weisen des Altertums, beschrieb 107 Marma-Punkte, die in Gefäßen, Gelenken, Muskeln, Sehnen und Knochen lokalisiert sind. Im Kalari System hat der südindische Weise und Kalarimeister Agasthya dieses System auf über 360 Marma-Punkte erweitert. Dieses uralte System hat auch heute nicht an Bedeutung verloren, sei es für das Erkennen von Blockaden oder zu ihrer wirkungsvollen Beseitigung.

Marmas sind der Sitz der Lebensenergie (Prana), vitale Punkte, die am Körper eine genaue Lokalisation haben. Sie sind Verbindungspunkte von Körper und Geist und sie können als wichtige Konzentrations- und Kreuzungspunkte innerhalb des Nadi-Systems verstanden werden.

  1. Sie zeigen fehlerhafte dynamische Prozesse innerhalb eines Systems an
  2. Durch sie kann das Innere eines Systems relativ leicht und tiefgreifend positiv beeinflusst werden.

Nadis sind Kanälen gleichzusetzen, in denen spezifische aktive Prozesse in einer bestimmten Richtung stattfinden. Es gibt 72.000 Nadis, die den gesamten Körper durchziehen. Das Medium kann grobstofflicher Natur wie die der Lymphe, des Blutes, des Stuhls, des Atems, der Nervenimpulse etc. sein oder wie der „feinstoffliche“ Fluss von Gedanken und Emotionen. Durch die Nadis verteilt sich Prana, die dynamische Lebenskraft, die alles am Leben erhält. Sie ist gemäß ihrer Eigenschaft immer in Bewegung. Sollte dieser natürliche Fluss gestört werden, können die Nadis bzw. Marmas blockiert werden. Es können lokale Beschwerden auftreten aber auch das ganze System kann durch den Rückstau bzw. durch eine geänderte Flussrichtung gestört werden.

Störungen des Marma-Nadi-Systems

Wurden früher, vor ca. 3000 Jahren, diese Punkte und Energiebahnen durch kriegerische Auseinandersetzungen, mittels Pfeilen und Speren verletzt, so finden in der heutigen Zeit die Verletzungen in anderer Art und Weise mit umfassenden Auswirkung statt. Beispiele für störende Einflüsse, die heutzutage „verletzen“ können: „Dis-Stress“ – negativer Stress, Blicke oder Worte, zuviel, zuwenig oder verkehrte Bewegungen bzw. Sportarten, zuviel und schnelles Reden, schlechte Verdauung, Fehlhaltung, langes Stehen, Sitzen und Liegen, Reizüberflutung durch die Medien (Radio, Fernsehen … ), zuviel Reisen, Lesen, am PC sitzen, künstliche Lichtquellen, Essen entgegen der Konstitution, verkehrtes Verhalten in den Jahreszeiten, schlechte Ergonomie am Arbeitsplatz, verkehrte bzw. eingeschränkte Atemtätigkeit, emotionales Ungleichgewicht, finanzielle Sorgen und Ängste.

Und natürlich sind hier auch die ganz „normalen“ Verletzungseinflüsse, wie sie am Bewegungsapparat auftreten können (Knochenbruch, Fehlhaltungen, Zerrungen … ), als Blockaden zu erwähnen.

Behandlungsmöglichkeiten

Der Ayurveda bietet hierfür sehr effektive und oft überraschend schnell wirkende Behandlungsmöglichkeiten an. Was aber wie in allen Naturheilsystemen und auch in der Allopathie das Allerwichtigste ist, ist das eigene Erkennen des Betroffenen, dass er selber aufgefordert ist, in diesem Gesundungsprozess aktiv mitzuhelfen, damit eine möglichst lang anhaltende Gesundheit an Körper und Geist gewährleistet ist.

Um Blockaden im Marma-Nadi-System zu bearbeiten, bedient man sich im Manualtherapiebereich ganz bestimmter Massagestriche, die in bestimmten Ausgangsstellungen ausgeführt werden, welche öfters verändert werden, um so den Fluss im Marma-Nadi-System zu aktivieren. Wichtig ist es, in den Massageabläufen Dehnungen einzubauen, in denen dann ganz gezielt die Problemstelle bzw. im gestörten Nadiverlauf gearbeitet wird. Ferner stellt die Ölauswahl, das Erarbeiten eines Ernährungs- und Bewegungsplans eine große Rolle für die Behandlung. Weitere Behandlungsangebote können sein: Kräuterbeutel (Kizhi), Kräuterauflagen (Lepa), lokale, äußere Öleinläufe (Katibasti). Atem- und Entspannungstechniken können den überaktiven Geist zur Ruhe bringen.

Fallbeispiel (Kurzform)

  • Patient, 50 Jahre, eigene Gärtnerei
  • Beschwerdebild: chronischer Kopfschmerz verstärkt im Herbst und Winter, Durchschlafprobleme, starke Erschöpfung und schnell gereizt, immer häufiger auf Zug und Kälte im Nacken empfindlich.
  • Ernährung: jeden Abend eine große Portion Salat, Hartkäse und Vollkornbrot, morgens Kaffee und Vollkornbrot, mittags Salat, Kohlenhydrate und sehr hastiges Essen. Trinkmenge 1 – 1 1/2 Liter Wasser
  • Schulter-Nackenbereich weist massiven Muskelhartspann auf, Arm- und Handbereich ist sehr muskulär versteift, Brustmuskel ist verkürzt, Kopf- und Schulterbewegungen sind sehr eingeschränkt
  • Grundkonstitution (Prakriti): Pitta/Vata
  • Erhöhung/Störung (Vikriti): Pitta Vata sind erhöht
  • Blockaden folgender Marmas: Ansatzbereich vom Kopfseitwender, oberer Trapeziusanteil, Mitte Achselhöhle, Brustmuskel, Mitte Unterarm, Mitte Handgelenksspalt und dazugehörende Nadis
  • Behandlung: Kalari Massage, Arbeiten mit einem reduzierenden Kräuterbeutel, Auflegen von Lepas, Ernährungsumstellung (abends Rohes und tierisches Eiweiß meiden, Erlernen von Atemtechniken, Bewegungsübungen für den Alltag, Selbsteinölung der betroffenen Gebiete, Schutz vor Zug, Nässe und Kälteeinwirkung.
  • Behandlungsergebnis: Nach 3x Ayurveda Behandlungen beschwerdefrei, hält sich weiterhin an die Empfehlungen und kommt 2-3x im Jahr weiterhin zu Behandlungen, um den gebesserten Zustand zu erhalten.

Heft 23 – Ayurveda und Ökologie

Eine ayurvedische Ernährung beinhaltet eine frische und liebevolle Zubereitung der Lebensmittel. Inwiefern eine ökologische Erzeugung der Lebensmittel die positive Wirkung der Nahrungsmittel unterstützt behandelt das Ayurveda Journal 23 – Ayurveda und Ökologie.