Dr. Ajay, der Chefarzt meiner damaligen Ayurveda-Klinik in Bangalore, wollte unbedingt seine weissen Pigmentflecken am rechten Schienbein loswerden. Die ayurvedischen Klassiker – und so wird es auch an den Ayurveda-Hochschulen gelehrt – empfehlen eine äusserliche Behandlung von Vitiligo mit der Frucht der Anarkadienherznuss (Bhallataka – Semecarpus anarcadium). Dieser Baum ist in den Western Ghats, dem Küstengebirge, das sich südlich von Bombay bis nach Kanykumari hinzieht, recht weit verbreitet.

Dr. Ajay schnitt die Nuss in zwei Teile und begann die weissen Hautstellen damit kräftig einzureiben. Dabei spürte er weder ein Brennen noch ein Kribbeln. Zwei Wochen später entstanden grössere Blasen an den behandelten Stellen. Seine Beine schwollen immer mehr an, die Wunde wurde septisch und erst eine kräftige Gabe Antibiotika und 2 Wochen Krankenstand schufen Abhilfe. Schliesslich entstand neue Haut an den behandelten Stellen. Aber die weissen Flecken waren immer noch da und gleich gross wie zuvor. So viel zum tapferen Selbstversuch von Dr. Ajay. Bhallataka ist bekannt für seine mächtige Heilwirkung aber auch für seine ebenso starken unerwünschten Nebenwirkungen.

Zu dieser Zeit war ich schon ein grosser Bewunderer von Bhallataka und sammelte Erfahrungen mit einem getreu der ursprünglichen Rezeptur hergestellten fettigen Präparat (Gulgulutikktakaghritam), um Autoimmunerkrankungen damit zu behandeln – vorausgesetzt: Bhallataka ist im besagten Präparat auch drin. Seit bald 20 Jahren werden Gulgulutikktakaghrita oder ähnliche Präparate bei Autoimmungeschehen wie Morbus Hashimoto, Morbus Crohn oder rheumatischen Erkrankungen erfolgreich von mir eingesetzt.

Seit rund 5 Jahren setze ich Semecarpus bei verschiedenen bösartigen Tumoren, insbesondere bei Prostata-Tumoren ein. Die Resultate haben mich einmal mehr von dieser wunderbaren Pflanze überzeugt. Dabei erhebe ich keinen Anspruch darauf, dass diese Erfahrungen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, es handelt sich um Fallbeispiele. Es gibt bereits verschiedene Wissenschaftler, die Studien über den Einsatz von Semecarpus anarcadium bei malignen Tumoren veröffentlicht haben. Einige Experten sind sogar der Meinung, dass Semecarpus Chemotherapie und Bestrahlung in gewissen Fällen ersetzen kann. Zudem setzt sich eine Internistin im Rahmen ihrer Diplomarbeit für das Studium der Ayurveda Medizin in einer wissenschaftlichen Arbeit mit Krankheitsverläufen auseinander.

Robert – ein Fallbeispiel

Nun aber zur Geschichte des Klienten Robert (Name frei erfunden). Er ist 50 Jahre alt, 185 cm gross, 82 kg schwer, arbeitet als technischer Angestellter bei einem grossen Industriebetrieb. Seit 8 Jahren ist er geschieden und lebt mit seinen beiden Söhnen und neuen Lebensgefährtin in einer Großstadt in Mitteleuropa. Roberts eigentliche Leidenschaft sind Philosophie und Motocross! Die Doppelbelastung aus dem Job, der nicht zu ihm passt, um den er trotzdem ständig Angst haben muss, da eine Entlassungswelle nach der anderen die Firma im Weltmarkt konkurrenzfähig halten soll, sowie die alleinige Verantwortung für seine beiden Söhne nagen seit Jahren an seiner Immunität.

Diagnose – Prostata Krebs

Bei einem Gesundheitscheck im Juni 2003 war der Tumormarker der Prostata (PSA) deutlich erhöht. Als dieser später weiter anstieg, wurde eine Biopsie durchgeführt. Sie ergab, dass 1 von 10 Proben Krebszellen enthielt. Daraufhin empfahlen ihm die Ärzte, die Prostata spätestens im Oktober 2009 entfernen zu lassen.

Robert besuchte die Praxis erstmals im August 2009. Er hatte seine Ernährung, so gut er konnte, bereits auf ayurvedische Küche umgestellt. Seine körperliche Konstitution (Dehaprakriti) zeigt sich als von Pitta bestimmt, sowie seine psychische Konstitution (Manasaprakriti) von Sattvika vermischt mit Rajas und Tamas. Vata und Kapha waren beide deutlich erhöht. Die Psychopathologie zeigte, Rajas und Tamas waren aus der Balance geraten, d.h. er machte einen ruhelosen, deprimierten Eindruck. Als geschwächte Systeme (Srota) konnte ich primär das Urogenitalsystem (Mutravaha Srota und Shukravaha Srota = Prostata Hyperplasie und Karzinom) sowie Nervensystem (Pranavaha Srota = essentieller Tremor, auch Udanavata) feststellen.

Die Klassiker des Ayurveda nennen eine Vergrösserung der Prostata im Anfangsstadium Ashtila und Pratyashtila (Sushruta Nidana 1, 90), ein Prostata-karzinom als Tumor des Unterbauchs – Gulma. Die Ursache liegt in jedem Fall bei Vata und den Faktoren, die zu einer Ansammlung von Vata führen. Das ist auch bei Robert offensichtlich: Die andauernde berufliche wie private Belastung, der Motorradsport, der bei jeder Runde über raues Terrain den Körper durchschüttelt und zu Verletzungen führt, besonders auch im Bereich des Damms (Perineum). Weiter weist auch der essentielle Tremor von Robert auf einen starken Vata-Überschuss hin.

Ambulante ayurvedische Behandlung

Die empfohlene Therapie ist wie bei Gulma (Sushruta Cikitsa 5, 27) und Vata Erkrankungen: Öl- und Wärmebehandlungen (Sneha und Sveda), Abführkur (Virecana), Öleinläufe (Anuvasana Vasti) sowie verschiedene Heilmittel, unter ihnen auch Semecarpus anarcadium und Commiphora mukul. Erschwerend für den therapeutischen Spielraum war der Fakt, dass sich Robert eine stationäre Ayurveda-Kur nicht leisten konnte. So musste ein Konzept erstellt werden, das seinen finanziellen wie persönlichen Möglichkeiten entsprach:

Strikte Befolgung der Anweisungen war nun gefragt, was einen beträchtlichen Aufwand und Disziplin erfordert. Seine Ernährung wurde auf eine Pitta regulierende Ernährungsweise umgestellt – mit der Auflage, sehr regelmässig und nur warme Speisen und Getränke zu sich zu nehmen. Eine Selbstmassage von Kopf bis Fuss mit warmem Ayurveda Rhyner Bio Vata Öl 1 x in der Woche gehörte zu seinem Pflichtprogramm. Das gleiche Öl sollte er sich 7 Tage nacheinander 1 Std. nach dem Abendessen als Einlauf verabreichen. Danach sollten 7 Tage Pause folgen und danach wieder 7 Tage je einen Einlauf. Zudem sollte er sich auch jeden Abend Damm, Leisten, Hoden und Analgegend mit dem gleichen Öl einreiben.

Dazu wurden ihm Semecarpus anarcadium Kapseln als 5:1 Konzentrat sowie Commiphora mukul 5:1 Konzentrat je 2 x 1 Kapseln vor den Mahlzeiten mit warmem Ingwerwasser verordnet. Beide Präparate wirken „spitz“ – intensiv und erhitzend (Tikshna Guna). Deshalb können sie Allergien oder andere Unverträglichkeiten wie Hautreaktionen bewirken. Robert hat sie gut vertragen und so wurde die Dosis nach 2 Wochen auf je 3 x 1 Kapsel pro Tag erhöht.

Zufriedenstellende Ergebnisse

Bei der Kontrolluntersuchung im Oktober waren die PSA Werte deutlich gefallen. In Folge wurde der Operationstermin verschoben. Anfang 2010 wurde nochmals eine Biopsie angeordnet. Sämtliche Proben waren ohne Befund. Der PSA Wert hat sich in der Norm stabilisiert. Robert ist noch nicht über dem Berg, denn seine Stressfaktoren bleiben weiterhin ungelöst. Zum Glück unterstützt ihn seine Partnerin voll und ganz bei der konstitutionellen Ernährungsweise.

Ähnliche Fälle haben ebenfalls Besserung erzielt. In 2 Fällen war eine operative Entfernung der Prostata unumgänglich. Auch im Ayurveda muss ein Tumor – wo notwendig und möglich – entfernt werden. Sushruta hat solche Behandlungen vor 3500 Jahren beschrieben. Grundsätzlich ist der Ayurveda nicht gegen operative Eingriffe. Die Behandlung von Tumoren mit ayurvedischen Massnahmen bietet praktisch erprobte Möglichkeiten und sollte deshalb von allen Instanzen im Gesundheitswesen gefördert werden.


Heft 28 – Reinigen und Entschlacken

Im Ayurveda Journal Heft 28 dreht sich alles um die Reinigung des Körpers. Die Vor- sowie Nachbereitung und Stellungnahmen zur Durchführung von Therapeuten und Patienten.

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