Wir alle suchen innerhalb der permanenten Reizüberflutung und der zahllosen Angebote der modernen Welt irgendwann in unserem Leben nach einer Art Ordnung, einem roten Faden. Wir wünschen uns Erkenntnis, inneren Frieden und schließlich wollen wir vor allem eines: optimale Ergebnisse für bestimmte persönliche Ziele, allem voran sind dies in der Regel Gesundheit, Glück und Vitalität.

Es ist daher faszinierend für uns alle, wenn entsprechende Lösungsansätze sich als gut fassbar und leicht anwendbar erweisen. Wenn sich die Logik derselben glasklar vor uns ergibt, ein Zahn in den anderen greift, und wir eine komplexe Struktur dahinter erkennen, die verlässlich in jeder Lebenslage weiter hilft und uns bei regelmäßiger Praxis zu bestem Wohlbefinden führen kann. All dies bitte möglichst nicht übermäßig teuer und einfach in den Alltag zu integrieren. Damit sind wir bei den sich gegenseitig in idealer Weise ergänzenden Wissenschaften des Yoga und Ayurveda angekommen und deren individueller Anpassbarkeit an den Einzelnen.

Gegenseitig inspirieren und begünstigen sich die beiden jahrtausende alten Systeme, die ihren gemeinsamen Ursprung in der indischen Samkhya Philosophie haben, mit dem Ziel vollständiger Bewusstheit, Selbstverwirklichung und damit Befreiung (moksha), feinmaschig. Das eine schützt und heilt, das andere zeigt Wege zum Glück, die Grenzen zueinander sind fließend und die Symbiose daraus kann für den erfüllenden Lebensweg des Menschen eine Offenbarung sein.

Yoga heute

Wie auch im stetig sich entwickelnden Ayurveda: keine Starre, kein Dogma, sondern Adaptation an aktuelle Bedürfnisse. In der Neuzeit bildeten sich verschiedene Yoga Traditionen heraus, die auf die Lehren einzelner Gurus zurückgehen. In den letzten hundert Jahren wurde v.a. durch die Pionierarbeit des Yoga Gelehrten Tirumalai Krichnamacharya und seiner Schüler auch im Westen Yoga mehr und mehr bekannt und schließlich ein ‚Renner‘ weltweit. Weitere, moderne Yogaformen (z.B. kreative Vinyasa Stile) und unzählige Yogaschulen entstanden. Stellt man der Yoga-Praxis dann noch ayurvedisch maßgebende Parameter voran, wie Jahreszeit, Lebensalter, Konstitution, Beschwerden etc., ist eine sehr stimmige und persönlich perfekt angepasste Übeweise möglich, die Wirkung potenziert sich um ein vielfaches.

„Jeder Yoga-Schüler ist ein besonderes Geschenk, eine Gnade Gottes“.

Richtig verstanden habe ich die Tiefe und Wahrheit dieser alten yogischen Aussage erst im Laufe meiner eigenen Lehrtätigkeit: meine Yoga-Teilnehmer zählen tatsächlich in jeder Hinsicht zu meinen besten Lehrern. Ich sage ihnen das öfters und manchmal glauben Neu-Ankömmlinge, das sei ein Marketing Gag, aber es ist so.

Eine Yoga-Szenerie im Frühling

Ich sitze im Überaum meines Studios und höre die Menschen bereits vor dem Gebäude heftig niesen und ins Taschentuch blasen. Im Vorraum angekommen dauert das Ablegen der Garderobe extra lang, das Ausziehen der Schuhe und Verstauen der Taschen währt im Vergleich ewig. (Anmerkung: ich habe in der Mehrzahl eine sehr gesundheitsbewusste und disziplinierte Klientel. Zähe Ausdauersportler, Trainer, Studenten, junge Mütter, topfitte Senioren, also keineswegs pathologisch). Allgemeines Schniefen. Dann fallen die ersten Kommentare: heute Abend kaum von der Couch hochgeschafft, den ganzen Tag schon müde, im Kopf‚ irgendwie dumpf‘. Die ersten Teilnehmer betreten den Überaum, Begrüßung eher matt. Ich sehe verträumte, abwesende Blicke, auch wässrige oder geschwollene Augen und sogar meine sonst leichtfüßigen Vata-Gazellen schlurfen als seien die Füße mit Blei gefüllt.

Kritisch werden hartnäckige kleine Winterspeck-Überbleibsel am Bauch registriert und nasal beklagt. Unter Gähnen wird eine Phalanx von Tempo-Packungen neben den Matten aufgebaut. Der kreuzbeinige Sitz am Boden ist nicht wirklich aufrecht, wie dutzendfach besprochen und geübt, sondern fällt eine satte Nuance in sich zusammen. Na, sage ich aufmunternd, was wünscht Ihr Euch denn heute? Die Antwort: Am liebsten 90 min. Savasana (die klassische regenerative Haltung im Liegen).

Meine Schüler haben mir gerade wieder einmal bestätigt: Es ist Kapha-Zeit!

Wenn uns die Zusammenhänge der Erscheinungen mithilfe des Ayurveda klar werden, dann können wir wunderbar damit umgehen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das im Winter aggravierte zähe Kapha verflüssigt sich in den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings und überflutet den Körper. Ein Stau entsteht in den feinen Körperkanälen und es kommt zu den o.g. typischen Auswirkungen: Allergien, Ödeme, Lethargie, Müdigkeit, Verschleimung, Schwere etc.

Wie hilft der Yoga, möglichst sofort?

‚Alles Große ist einfach‘ sagte Goethe. So auch hier: das Kapha sollte in Bewegung kommen und da es das von alleine nicht schafft, brauchen wir Vata, ohne das sich kein Dosha vom Fleck rührt. Nicht sinnvoll sind daher z.B. ausgedehnte Sitz-Aktionen oder mehrere Positionen hintereinander im Liegen, all dies lässt uns noch schwerer, noch ‚erdiger‘ werden. Ideal sind: kraftvolle Übungen im Stehen, Drehhaltungen, Rückbeugen, dynamische, fließende, schweißtreibende Abläufe und erhitzende Atemübungen (Pranayama). Somit Kapha Anhäufung im Bauch und im Brustkorb auflösend. Allgemein befreiende und ausleitende Asanas (Yoga-Haltungen).

Der folgende stark stoffwechselaktivierende Anti-Kapha-Yoga- Flow ist exemplarisch und sollte anfänglich möglichst durch eine persönliche Einweisung bei einem Yogalehrer unterlegt werden.

Genießen Sie den Frühling mit Yoga: leicht und unbeschwert!

Kapalabhati atmen

Kreuzbeinig und aufrecht sitzen. Die Atemluft sanft in den Bauch einströmen lassen, mithilfe von Kontraktionen der Bauchmuskulatur schnelle, kraftvolle Ausatmungen einleiten, ein Rhythmus zwischen passiver Einatmung und betonter aktiver Ausatmung entsteht. 3 Runden mit Pausen: je 20-30-40 Zyklen.

Rückbeuge mit Simasana

In der Tisch-Position mit zur Decke gewandtem Gesicht, tief einatmen, mit der Ausatmung die Augen weit öffnen, nach hinten blicken, dabei die Zunge herausstrecken und kräftig fauchen wie ein Löwe. Dreimal. Kapha ade.