Um den sinkenden körpereigenen Hormonspiegel wieder zu heben, hat die brasilianische Psychologin Dinah Rodrigues eine besondere und ganzheitliche Art des Yoga entwickelt. „Hormonyoga“ unterstützt aktiv den weiblichen Zyklus und sorgt für mehr Vitalität und Energie. Zudem können die Wechseljahre entspannter erlebt werden.

Angefangen hatte alles mit einem überraschten Arzt: Der brasilianische Mediziner wunderte sich nämlich über den ausgezeichneten Hormonspiegel seiner Patientin Dinah Rodrigues, damals 65 Jahre alt. Rodrigues nahm an, ihre hormonelle Balance hinge mit ihrer regel-mäßigen und intensiven Yogapraxis zusammen. Das machte den Arzt noch neugieriger: Er bat sie, eine Übungsreihe zu erstellen, die den Hormonhaushalt günstig beeinflusst. So sollte sie eventuell auch anderen Frauen helfen können.

Daraufhin befasste sich Dinah Rodrigues intensiv mit wissenschaftlichen Studien zum Thema Yoga und Wechseljahre, traf hochrangige Yogalehrer und befragte diese über die Zusammenhänge. Außerdem übte sie selbst sehr intensiv Yoga. Daraus entwickelte die Brasilianerin in den 90er Jahren das Hormonyoga, das sehr schnell weltweit erfolgreich wurde.

Einige besondere Yogatechniken verschiedener Richtungen, die sie während ihrer Studienzeit gelernt hatte, führte Dinah Rodrigues zusammen – und erstellte so eine einzigartige Übungsreihe, die vor allem die hormonproduzierenden Organe wie Schilddrüse, Eierstöcke, Nebenniere und Hypophyse anregen soll. Die Techniken stammen aus dem Kundalini Yoga, energetischem Yoga und tibetischen Energetisierungstechniken. Um zu überprüfen, wie wirksam ihre Yogareihe tatsächlich ist, führte Rodrigues 2001 eine Studie mit 116 Frauen durch. Sie konnte feststellen, dass sich bereits nach ungefähr vier Monaten regelmäßigen Übens unter anderem die Östrogenwerte signifikant erhöhten und hormonbedingte Symptome teilweise oder ganz zurückgingen.

Heute wissen wir, dass Hormonyoga vor allem für Frauen geeignet ist, die unter Symptomen leiden, die auf eine hormonelle Störung zurückgehen: darunter Prämenstruelles Syndrom, unerfüllter Kinderwunsch, Zyklusstörungen, verfrühte Menopause oder Probleme in der Prämenopause und in der Menopause. Das Ziel von Hormonyoga ist, neben einem verbesserten Hormonhaushalt auch die Körperhaltung und Beweglichkeit zu verbessern, die Knochen zu kräftigen und die Muskulatur aufzubauen, Stress abzubauen und eine allgemeine Steigerung des Wohlbefindens und der Vitalität. Krankheiten, die mit einem Hormonrückgang einhergehen, wie beispielsweise Osteoporose, werden vorgebeugt.

Studienteilnehmerinnen berichten, dass Symptome wie Migräne, Stimmungsschwankungen, Hitzewallungen, Scheidentrockenheit, Haarausfall, schlechtes Hautbild, sexuelle Lustlosigkeit und vieles mehr sich besserten oder ganz zurückgingen. Rodrigues beschreibt in ihrer Studie auch Frauen, die ihre Periode nach langem Ausbleiben wieder regelmäßig bekamen und von einer Frau mit bislang unerfülltem Kinderwunsch, die nach sieben Monaten Yogapraxis endlich schwanger wurde.

Ein Großteil der Übungsreihe besteht aus dynamischen Übungen, die gezielt ein hormon-produzierendes Organ ansprechen (zum Beispiel durch haltungsbedingte Kompression), die Wirkung der Übungen wird durch intensive Blasebalgatmung unterstützt. Mit einer Energetisierungstechnik schließt jede Übung ab.

Übungsbeispiel

Die im Hatha Yoga als „Drehsitz“ bekannte Übung wird als Ausgangsposition genutzt. Im Drehsitz übt man intensiv die sogenannte Blasebalgatmung, bei der man bei der Ausatmung die Bauchmuskeln kräftig nach innen anspannt und bei der Einatmung wieder entspannt.
Die Ein- und Ausatmung erfolgt kraftvoll und rhythmisch mit bis zu 140 Atemstößen in der Minute. Am Ende der Übung lenkt man die Energie mit einer speziellen Atemtechnik zum jeweiligen Eierstock hin.

Neben den sehr dynamischen Übungen gibt es auch Entspannungs oder Energielenkungs-übungen und Meditationen. Um spürbar eine Verbesserung von hormonell bedingten Symptomen wahrzunehmen, sollte man die Übungsreihe zirka viermal die Woche bis täglich ausführen. Während der Menstruation sollte nicht geübt werden. Frauen mit Kinderwunsch sollten einige Tage vor der Menstruation das Üben besser einstellen – für den Fall dass sie schwanger geworden sind -, denn in der Schwangerschaft sollte keinesfalls geübt werden.

Es gibt jedoch auch Krankheiten, für die Hormonyoga kontraindiziert ist. Frauen mit hormonell bedingten Erkrankungen wie Brustkrebs oder starker Endometriose sollten kein Hormonyoga üben, um die Erkrankung nicht anzufachen. Auch große Myome, Entzündungen im Bauchraum, starke Osteoporose, akute Herz-Kreislauferkrankungen, Bauchoperationen (die ersten drei Monate danach) und eine schwere Depression stellen Kontraindikationen dar oder sollen erst mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden. Auch bei einer Schilddrüsenüberfunktion ist Vorsicht geboten, allerdings nur bei einem Teil der Übungen.

Für die gesamte Übungsreihe benötigt man etwa 30 Minuten und erlernen sollte man Hormonyoga nur unter der Anleitung einer erfahrenen Hormonyogalehrerin. Das Buch von Dinah Rodrigues oder die DVD reichen in der Regel nicht aus, um es zu erlernen. Es gibt vielerorts regelmäßige Kurse oder Seminare zum Hormonyoga. Ich biete Hormonyoga als Tagesseminar an, in dem man die gesamte Reihe erlernt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein Tagesseminar auch für Anfänger vollkommen ausreichend ist.

Fallbeispiel

Eine Patientin mit Kinderwunsch, 34 Jahre alt, leidet unter unregelmäßigem Zyklus, teils dauert es etwa 60 Tage bis zur nächsten Periode. Im Zuge einer Therapie bekam sie verschiedene Mittel aus der Homöopathie und Phytotherapie zur Zyklusregulierung. Daneben begann sie regelmäßig Hormonyoga zu üben. Nach vier Monaten Hormonyoga üben und deutlicher Verbesserung der Zykluslänge stellte sich die lang ersehnte Schwangerschaft ein.

Beginnt man regelmäßig Hormonyoga zu üben, ist es sinnvoll, ein kleines Tagebuch hierfür anzulegen. Beginnen Sie alle aktuellen Symptome wie PMS, Ängste oder mangelnde Libido in ihrer Intensität von 1 – 10 zu notieren. Wenn möglich, lassen Sie auch vor Übungsbeginn einen Hormonstatus von Ihrem Arzt anlegen, so können Sie die Werte vorher und nachher vergleichen. Tragen Sie in Ihr Tagebuch Ihre Übungspraxis ein (Datum, Dauer) und überprüfen nach etwa vier Wochen Yogapraxis, ob sich die Symptome bereits verbessert haben. Den Hormonstatus kann man nach vier bis sechs Monaten erneut untersuchen lassen.


Heft 47 – Mitten im Leben

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit dem Glück in mittleren Jahren.