Duftendes Kulturgut

Gefahr oder Heilmittel? Studien bestätigen, dass der Genuss des Lieblingsgetränks der Deutschen durchaus gesund sein kann. Aber Vorsicht ist dennoch geboten.

Gibt es noch einen Geruch auf der Welt, der einem so angenehm in die Nase steigt wie der Duft von frisch gemahlenem Kaffee? Für die meisten Deutschen ist es ein morgendliches Ritual: Der Tag beginnt mit vollem Duftgenuss.

Kaffee ist mit durchschnittlich 150 getrunkenen Litern im Jahr der Deutschen liebstes Getränk – noch vor Mineralwasser (130 Liter) und Bier (110 Liter). Man trifft sich auf einen Kaffee, macht eine Kaffeepause. Kaffee ist weit mehr als ein flüssiges Stimulans, es ist ein Kulturgut und wird in vielen Ländern dieser Erde zelebriert. Die Vielfalt seiner Zubereitungen und Mischungen ist schier unbegrenzt: ob einfacher Filterkaffee, Espresso, Café Crème, Cappuccino, Latte Macchiato, Eiskaffee, türkischer Mokka oder Irish Coffee, für jeden Gaumen ist gesorgt.

Aber Vorsicht!

Forscher warnen vor dem übermäßigen Verzehr, denn Kaffee enthält ein hoch wirksames und in hohen Dosen giftiges Alkaloid namens Koffein. Dieses regt die Nebennieren zur Adrenalinproduktion an, Puls und Atmung beschleunigen sich, Blutdruck und Aufmerksamkeit werden erhöht, der Blutzucker nachteilig beeinflusst und der Magen gereizt. Koffein stimuliert das Nervensystem und reduziert den beruhigend wirkenden Neurotransmitter Serotonin. Eine Stress- und Notfallreaktion wird ausgelöst – und das, obwohl wir doch nur in unserem Büro am Computer sitzen und eine Pause einlegen wollen …
Auf der anderen Seite werden auch gesundheitliche Vorteile von Kaffee durch Studien und Analysen bestätigt. So soll eine Tasse Kaffee täglich zum Beispiel:

  • das Risiko einer Leberzirrhose um 22 Prozent verringern
  • das Darmkrebsrisiko bei Frauen reduzieren
  • vor Hautkrebs und neurodegenerativen Erkrankungen (Alzheimer, Parkinson) schützen
  • Gedächtnis und kognitive Funktionen verbessern
  • das Wohlbefinden und Glücksempfinden durch Dopaminfreisetzung steigern

Die nachteilige Wirkung von Kaffee auf den Cholesterinspiegel, Bluthochdruck und Osteoporose wurde in den vergangenen Jahren durch Gegenstudien teilweise widerlegt. Ein Streit zwischen Wissenschaft und Kaffeeproduzenten, in dem es um viel Geld geht – und kein Ende ist absehbar.

Kaffee – ayurvedisch portraitiert

Der Ayurveda klassifiziert alle Substanzen der Natur nach ihren Elementen und den daraus entwickelten Geschmäckern und Eigenschaften.

Kaffee schmeckt vorrangig bitter und ist somit ein Vertreter der Elemente Luft und Raum. Seine primären Eigenschaften sind leicht, trocknend, stimulierend und erhitzend. Die erhitzende Qualität entsteht durch den Röstvorgang, bei dem Temperaturen von 200-260 Grad entstehen. Bezogen auf die drei Dosha erhöht Kaffee Vata und Pitta bei gleichzeitiger Senkung von Kapha. Er stimuliert das Körperfeuer (Agni), klärt die Körperbahnen (Srotas) und regt die Zirkulation an.
Auch wenn Kaffee kurz nach dem Verzehr zunächst die Verdauung anregt und bei vielen Menschen eher zu lockerem Stuhlgang führt, verursacht er durch seine trocknende Wirkung langfristig gesehen Verstopfung.

Vorsicht vor Koffeinismus

Es ist ein Teufelskreis. Wir fühlen uns müde, erschöpft, antriebsarm. Ein Kaffee soll vitalisieren. Dieser löst über Koffein eine Stressreaktion aus, und jede Stressreaktion führt zur Erschöpfung. Wir gehen zur Kaffeemaschine…

Viele Menschen gelangen so in eine körperliche Abhängigkeit mit psychischen Auswirkungen. Dieser permanente Alarmzustand fördert Angstzustände, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Hyperaktivität, Stimmungsschwankungen und Depressionen. Am Ende dieser Kette steht eine Erschöpfung der Nebennieren.

Ab wann spricht man von Koffeinismus?

Die Verträglichkeit von Koffein ist individuell verschieden. Ein Test: 5 Tage lang keinen Tropfen Kaffee trinken. Und wenn dann Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Dumpfheit, Erschöpfung oder Verstopfung auftreten, so hat sich der Körper an seine tägliche Dosis gewöhnt – und es ist Zeit zu handeln.

Checkliste für den persönlichen Koffeinismus

Anhand folgender 5 „W-Fragen“ lässt sich der persönliche Kaffeekonsum in gesundheitlicher Hinsicht optimieren:

VataPittaKapha
Werschlecht verträglich, möglichst wenigwenig verträglich, in Maßen konsumierengut verträglich, positiver Wirkung
Warumals Genussmittelals Genussmittelals gezielte Stimulans, zur Kapha Reduktion
Wannvormittags bis 13 Uhr, mit oder nach Speisenvormittags vor 11 Uhr, mit oder nach Speisennüchtern und ganztägig bis 16 Uhr
Wievielmax. 1 Tasse täglichbis 2 Tassen täglichbis 3 Tassen täglich
Womitmit viel heißer Milch / Sahne und Sharkara ®mit viel heißer Milch oder Sahne und Sharkara ®schwarz und ungesüßt, ggf. zusätzlich gewürzt
BeispielLatte macchiatoCappuccinoKlassischer Esspresso

Kaffee kann theoretisch durch Hemmung eines Hormons (ADH) entwässernd wirken und den Körper somit austrocknen. Trinken Sie daher zu jeder Tasse Kaffee ein großes Glas Wasser, so wie es in südlichen Ländern Tradition ist.

Kaffee – Genuss, Gefahr und Heilmittel zugleich

Der Duft, das Ritual der Zubereitung und die Geschmacksvielfalt – ohne jeden Zweifel ist Kaffee für viele Menschen Genuss pur. In Ruhe und ausgeglichenem Zustand maßvoll konsumiert, stehen seine positiven Wirkungen im Vordergrund.
Als psychotrope Substanz löst Kaffee eine Stressreaktion aus, obwohl kein offensichtlicher Stressor vorhanden ist. Menschen, die unter mangelnder Stressbewältigung oder psychovegetativen Störungen leiden, sollten daher aus ayurvedischer Sicht auf Kaffee verzichten.
Ayurveda teilt Substanzen niemals in „gut“ und „schlecht“ ein, sondern in individuell „zuträglich“ und „unzuträglich“ – für Kaffee gilt diese Betrachtung in besonderem Maße.


Heft 39 – Hormonelle Balance

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich als Titelthema in Heft 39 mit den Wechseljahren der Frau aus Ayurvedischer Sicht.