In unserer Kultur ist das Frühjahr auch Fastenzeit, traditionell zwi­schen Aschermittwoch und Ostern. Und auch nach den Ge­setzen des Ayurveda ist diese feuchtkalte Zeit nach den langen Win­termonaten optimal zum Fasten geeignet. Fasten heißt nicht hun­gern, sondern kontrolliert weniger essen.

Es hat wunderbare Wir­kungen: es reinigt von Schlacken, entgiftet, man verliert über­flü­ssiges Gewicht. „Der Körper nimmt ab, der Geist nimmt zu“, da­her ist Fasten auch Bestandteil der meisten spirituellen Traditionen.

In unserer westlichen Medizin haben wir die Tendenz, eine medizinische Maßnahme für alle Menschen gleich anzuwenden. So gibt es auch den Gedanken, die gleiche Form von Fasten sei für jeden gesunden, nicht untergewichtigen Menschen gleichermaßen gut. Das sieht der Ayurveda anders. Dort wird jedwede Maßnahme auf den individuellen Konstitutionstyp abgestimmt, der in Begriffen von drei Qualitäten erfasst wird, den drei „Doshas“. Vata, Pitta und Kapha, in der wörtlichen Übersetzung „Wind“, „Galle“ und „Schleim“. Ihre Eigenschaften können in jedem Ayurvedabuch nachgelesen werden. Hier sollen nur die Beschreibungen der ayurvedischen Konstitutionstypen kurz wiederholt werden.

Die ayurvedischen Konstitutionstypen

Je nach Überwiegen eines oder zweier der drei Doshas werden sieben, bzw. bei größerer Genauigkeit zehn Konstitutionstypen im Ayurveda unter­schieden:

  • Der Vatatyp ist ein bewegter bis ruheloser Mensch mit leichtem Körperbau, entweder sehr schlank und hoch oder sehr klein, von eher dunkel getönter Haut, der leicht friert, mit schwacher Verdauungskraft, zu Blähungen neigend („Wind“) und zur Verstopfung. Er ist ängstlich, macht sich leicht Sorgen und neigt zu Schlafstörungen.
  • Der Pittatyp ist von mittlerer Statur und eher rötlicher Haut, mit starker Verdauungskraft und entsprechendem Hunger gesegnet. Er ist ehrgeizig, intellekt- und augenbetont, ungeduldig, explodiert schnell („gallig“), mit scharfem Blick aus grauen oder grüne Augen, der wegen seiner Hitze leicht schwitzt und die direkte Sonneneinstrahlung meidet. Er neigt zu Sodbrennen und Durchfall, bekommt früh graue Haare oder bei Männern: Haarausfall.
  • Der Kaphatyp ist freundlich, ruhig, gewichtig, von eher untersetztem Körperbau, mit gewelltem, gut geölten Haar und großen blauen oder braunen Augen, langsam, eher gefühlsbetont, neigt zu Trägheit, Übergewicht und schleimigen Erkrankungen. Die weiche Haut fühlt sich angenehm kühl an. Das Wetter ist ihm ziemlich gleichgültig, nur feuchtkalte Witterung stört ihn auf die Dauer.

Wie man aus Abb.1 erkennen kann, überwiegen die zusammengesetzten Typen. So wäre ein Vata-Pitta-Typ abwechselnd ­­ruhelos und reizbar. Er ist der Typ, der essen kann „wie ein Scheunendre­scher“, ohne ein Gramm zuzuneh­men, weil Vata die Substanz nicht gut aufnimmt und Pit­ta sie sofort wieder verbrennt. Vata-Kapha wäre ein kalter Typus, ab­wechselnd schnell oder träge; wegen Kapha ruhig, wegen Vata schlank. Der Pitta-Kapha-Typ ist sowohl hungrig (Pitta) als auch mit der Fähigkeit gesegnet, die Materie anzusammeln (Kapha); dieser Typus neigt zu Übergewicht und kann es nur schwer wieder loswerden. Der Vata-Pitta-Kapha-Typ (Tridosha-Typ) schließlich hätte von allen drei Doshas etwa gleich starke Anteile.

Doshagerechtes Fasten

Beim Fasten kommt man immer von der Kapha-Seite her, wo sich die überschüssige Materie befindet, sowohl in Form von Übergewicht als auch in Form von angesammelten Stoff­wech­selschlacken. Fasten bedeutet also immer auch Materieverlust. Es ist offensichtlich, dass es die Konstitutionstypen mit viel Kapha beim Fasten leichter haben, weil sie Materie zu vergeben haben. Ab dem 45. Lebensjahr, wenn das Verdauungssystem langsamer wird, können aber auch ursprünglich leichte Typen Übergewicht entwickeln und dann prinzipiell auch fasten. Dagegen würde man im Ayurveda den Vata-Typ und den extremen Vata-Pitta-Typ überhaupt nicht fasten lassen, wenn sie kein Übergewicht haben. Diese können sich naturgemäß nicht erlauben, Materie abzugeben. Sie würden sehr schnell abnehmen und hätten nachher größte Mühe, ihr weniges Gewicht wie­derzuerlangen.

Das Verdauungsfeuer

Normalerweise hat Vata ein wechselhaftes und schwaches Ver­dauungsfeuer: im Stress verliert er den Appetit. Pitta hat dagegen ein sehr scharfes, hitziges Verdauungsfeuer. Es verlangt in kür­zester Zeit nach Nachschub, weil es alles Gegessene schon wieder verbrannt hat. Das Verdauungsfeuer von Kapha ist langsam und stetig, eine Mahlzeit auszulassen ist kein Problem.Das Verdauungsfeuer kann aber in eine ganz andere Richtung gestört sein. Zum Beispiel kann auch ein hitziger Pittatyp eine Schwäche der Verdauung mit Blähbauch haben, ayurvedisch dann eine Vata-Störung. Daher sollte man möglichst nur unter der Aufsicht eines erfahrenen Ayurveda-Therapeuten fasten. Wenn eine ernsthafte Stoffwechselstörung wie Diabetes oder eine Funktionsstörung der Schilddrüse vorliegt, sollte es ein Arzt sein. Trotz dieser prinzipiell komplexen Verhältnisse im Ayurveda hier einige allgemeine Regeln:

Praktische Fastenregeln

Wer viel Kapha hat, kommt prinzipiell auch für das klassische deutsche Heilfasten in Frage. Im Ayurveda wird das Nullfasten jedoch nicht propagiert, weil es das Verdauungsfeuer zu stark belastet. Es kommt völlig außer Übung, wie jeder weiß, der schon einmal ein Fastenbrechen erlebt hat. Eine einfache Methode bestände jedoch darin, während der Fastenzeit ohne Frühstück und Abendessen auszukommen. Mittags gibt es nur eine leichte, strikt vegetarische Mahlzeit. Strikt vegetarisch heißt kein Fleisch, keine Wurst, kein Fisch, kein Ei und keine Milchprodukte. Gut ist roter Dahl und Gemüse, dazu etwas Reis. Den Rest des Tages trinkt man aus einer Thermoskanne alle halbe Stunde eine halbe oder ganze Tasse heißen Ingwertee. Etwa fünf Scheiben Ingwer­wurzel in einem Liter Wasser zehn Minuten lang kochen und den Tee durch ein Sieb in die Thermoskanne abgießen.

Wer viel Vata hat, aber trotzdem Übergewicht oder starke Schlackenansammlung erzeugt hat, kann nach folgendem Schema vorgehen: morgens etwas gekochtes Getreide, z. B. Hafer, mittags eine leichte vegetarische Mahlzeit, z. B. Reis und Gemüse, und abends eine frisch zubereitete Gemüsesuppe. Zwischendurch gibt es als heißes Getränk Gemüsebrühe, die täglich frisch hergestellt wird. Es darf auf keinen Fall zu Untergewicht kommen, also täglich wiegen! Die Konstitutionen mit viel Pitta können genauso vorgehen wie die mit viel Vata, gegebenenfalls mit folgenden Variationen: weil sie immer etwas zum Beißen brauchen, können Sie morgens zum Schluss noch Rosinen in den gekochten Hafer werfen. Abends brauchen sie zur Suppe eventuell noch etwas Toastbrot.

Für den Hunger zwischendurch ziehen sie vielleicht frisch ausgepressten Orangensaft der Gemüsebrühe vor. Bei den ganz leichten Typen Vata und Vata-Pitta ohne Übergewicht kommen nur rudimentäre Formen des Fastens in Frage wie ein Suppentag pro Woche oder die Kur mit heißem Ingwertee. Sie würden also nur jede halbe Stunde von dem heißen Ingwertee trinken, der oben für Kapha beschrieben worden ist, aber mit weniger Ingwerscheiben, je nach Verträglichkeit.Von der Menge her würden sie weiter essen wie bisher. Sie sollten aber Wurst und Schweinefleisch weglassen und alle tierischen Nahrungsmittel auf die Mittagsmahlzeit verlegen, auch die Milchprodukte. Alle Mahlzeiten müssen warm sein. Um dann trotzdem die erforderliche Entgiftung zu erreichen, würde ein Ayurveda-Therapeut hier ayurvedische Pflanzenpräparate zu Hilfe nehmen.

Wie lange soll man ayurvedisch fasten?

Kapha kann nach den obigen Regeln lange fasten, z. B. vier Wochen oder sogar drei Monate. Pitta und Vata je nach Übergewicht, zum Beispiel zunächst zehn Tage. Im Zweifelsfalle, d. h. bei starkem Gewichtsverlust von leichten Typen, soll das Fasten sofort auf­gegeben werden. Zur Entgiftung können manchmal auch vier Tage oder sogar nur ein Tag schon sinnvoll sein. Fastenbrechen: Wie bei allen Fastenformen gilt auch beim ayurvedischen Fasten, dass die alten Essgewohnheiten nur langsam und der Reihe nach wieder aufzunehmen sind. Man kann z.B.  als erstes das Abendessen wieder einführen, dann ein Nahrungsmittel, das man sehr vermißt hat, usw.

Folgendes ist noch sehr wichtig!

Eine ganz wichtige ayurvedische Regel sollte immer beachtet werden: die Natur ist glücksgesteuert. Wenn man etwas Richtiges tut, sollte man sich dadurch wohler fühlen. Gerade beim Fasten, bei der Entgiftung kann es zwar immer wieder einmal vorkommen, dass dies vorübergehend nicht der Fall ist. Wenn man jedoch länger fastet, sollte man sich dabei ständig besser fühlen oder zumindest gut. Spätestens, wenn dies nicht der Fall ist, ist es Zeit, einen erfahrenen Ayurveda-Arzt oder -Therapeuten aufzusuchen – oder das Fasten zu beenden.


Heft 17 – Abnehmen mit Ayurveda

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