Den typgerechten Ansatz der ayurvedischen Ernährung in der eigenen Familie fachgerecht und alltagstauglich umzusetzen, kann ganz einfach sein. Und doch empfinden es viele Ayurveda-Einsteiger und –Profis als stressige Herausforderung, die konstitutionsbezogenen Bedürfnisse von Eltern, Kindern, Oma und Hund unter einen Hut zu bringen.

„Muss ich nun für jeden in der Familie extra kochen?“

ist eine der häufigsten Fragen nach einer ayurvedischen Ernährungsberatung. Glücklicherweise können wir unsere Klienten beruhigen, denn Ayurveda macht unser Leben einfacher und nicht komplizierter. Selbst in der typge-rechten Familienernährung!

Ayurveda kreativ verpackt

Grundsätzlich betrachtet Ayurveda jede Mahlzeit als nährenden Vitalstoffspender für das körperliche und mentale Gleichgewicht. Durch einen ausgewogenen Speiseplan mit viel frischem Gemüse, Früchten, Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen, Fetten und Milchprodukten erhält der Stoffwechsel alles, was er für die tägliche Zellerneuerung benötigt. Dass nun alle Familienmitglieder in Verzückung geraten, wenn es täglich ein typisch-indisch inspiriertes Ayurveda-Menü mit Reis, Dal, Gemüse und Chutney gibt, kann ich aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Hier braucht es für die ganz Jungen und die Älteren mehr Abwechslung durch mediterrane und regional inspirierte Rezepte, die ebenfalls nach den ayurvedischen Prinzipien zubereitet werden können, ohne dass es immer nach Kreuzkümmel und Koriander schmeckt.

Konstitutionsgerechte Varianten innerhalb eines Menüs

Die individuelle, dosha-regulierende Komponente wird durch die Betonung einzelner Geschmacksrichtungen (Rasa) integriert. Dies bedeutet in der täglichen Ernährungspraxis, dass ein gemeinsames Familienmenü durch die Auswahl der Menükomponenten und Zugabe von Gewürzen auf einfache Weise „typgerecht individualisiert“ werden kann:

  • Vata-betonte Familienmitglieder mit Neigung zu trockener Haut, Blähungen oder Kälte-gefühl benötigen feuchtere und ölige Nahrung mit süßem, saurem und salzigem Geschmack. Dafür achten sie auf genügend weichgekochte Getreide und proteinhaltige Speisen und würzen ihr Essen mit etwas Zitrone und Salz nach.
  • Pitta-betonte Famlienmitglieder mit Neigung zu übermäßiger Hitze- und Säurebildung sollten kühlende und schwere Speisen bevorzugen. Sie stillen ihren großen Appetit mit einer Süßspeise, Getreide und viel Wurzel- und bitterem Blattgemüse. Statt jedoch mit Zitrone und Salz nachzuwürzen, verwenden sie genügend Ghee, Koriander und Kurkuma.
  • Kapha-betonte Familienmitglieder mit Neigung zu Übergewicht und Erkältungserkrankungen tun gut daran, generell etwas weniger zu essen und ihr schwaches Verdauungsfeuer mit scharfen, bitteren und herben Speisen anzuregen. Sehr gut ist das Nachwürzen mit einer pikanten Curry- und Pfeffermischung. Milchprodukte wie Käse oder Joghurt hingegen sollten eher gemieden werden.

Typgerechte universal-Heilmittel aus der Ayurveda Küche

Um Störungen auszugleichen empfiehlt Ayurveda für jedes Dosha ein „Universal-Heilmittel“ für die innere und äußere Anwendung. Diese können den Speisen auch ergänzend zugefügt werden.

  • Sesamöl für Vata
  • Ghee für Pitta
  • Honig für Kapha

Ebenso nennt Ayurveda spezielle Gewürze zur Regulierung von Dosha-Störungen, die den Speisen bei Bedarf zugesetzt werden können:

  • Kapha- und Vata-Beschwerden werden mit Bockshornklee, Ingwer, Kurkuma reduziert.
  • Pitta-Beschwerden werden mit Kokosnuss, Cumin und Koriander reduziert.

Acht Faktoren, die die Wirkung der Nahrung bestimmen

Neben den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Konstitutionstypen finden wir in den acht Faktoren der Nahrung eine lebenspraktische Guideline, die uns den gemeinsamen Nenner für eine gesunde Ayurveda-Ernährung offenbart. Bis auf drei Ausnahmen gelten die Regeln für alle gleich und optimieren die gute Verdaulichkeit und Heilkraft unserer Nahrung. Achten wir grundsätzlich auf:

  1. die richtigen Kombinationen von Nahrungsmitteln (Samyoga)
  2. die Verwendung von hochwertigen und regionalen Nahrungsmitteln (Desha)
  3. bekömmliche Mahlzeiten entsprechend der Tages- und Jahreszeit (Kala)
  4. eine gepflegte, saubere und ruhige Umgebung beim Essen (Upeyoga Sanstha)
  5. sowie positive Gefühle beim Zubereiten und Verzehren der Mahlzeiten (Upyokta)

so wurden bereits 2/3 der wichtigsten Ayurveda-Ernährungsregeln berücksichtigt. Besonders wichtig ist es darauf zu achten, während der Mahlzeiten alle vataerhöhenden Faktoren, wie Hektik, Streit, TV oder Computerspiele zu vermeiden.

Drei weitere Faktoren betonen die individuellen Komponenten der Ernährung und sollten von jedem Familienmitglied auf eigene Weise berücksichtigt werden:

6. die Eigenschaften von Essen und Esser (Prakriti)
7. die richtige Menge einer Mahlzeit (Rashi)
8. die Zubereitungsform (Karana)

Welche Nahrungsmittel besonders gut verträglich sind und wie groß die Portionen sein dürfen, bestimmt immer die Verdauungskapazität von Agni. Speziell Kinder, ältere Menschen und alle, die einer eher sitzenden Lebensweise nachgehen, sollten unbedingt darauf achten, den Teller nur so viel zu füllen, wie sie wirklich Hunger haben. Ebenso entscheidet die Zubereitung über eine leichte oder schwere Verdaulichkeit: Vom Salatbüffet sollten sich vor allem die hungrigen und sportlichen Familienmitglieder mit hohem Pitta-Anteil bedienen. Alle anderen benötigen vorwiegend warme, gekochte und mit verdauungsfördernden Gewürzen angereicherte Speisen.

Liebe nährt Leib und Seele

Das Beste was einer Familie passieren kann, ist eine Mutter, ein Vater oder eine Oma, die gern kocht und der es eine Freude ist, ihre Liebsten mit frischen und wohlschmeckenden Speisen zu verwöhnen. Gelingt es uns damit, dem modernen Fast-Food-Lifestyle zu trotzen und täglich eine gemeinsame Familienmahlzeit in geselliger Runde einzunehmen, haben wir bereits sehr viel gewonnen. Denn die heilende Kraft der Nahrung kann sich durch liebevoll zubereitete Speisen, welche in einer angenehmen Atmosphäre verzehrt werden, besonders gut entfalten. Dabei sind auch „ungesunde“ Leckereien erlaubt, denn aus ayurvedischer Sicht ist es empfehlenswert, den Speiseplan mit 20 Prozent Ausnahmen zu bereichern, da diese die Seele nähren. Auf diese Weise können auch die „unayurvedischen“ Lieblingsspeisen der einzelnen Familienmitglieder abwechselnd als „Seelennahrung“ in den Speiseplan integriert werden, sodass alle von dem gesunden Lebensstil ohne Dogma und Frust profitieren können.

Drei wichtige Ayurveda-Regeln, für mehr Gesundheit und Spass beim Essen

  • Achten Sie bei der Zubereitung ihrer Hauptmahlzeit stets auf frische Zutaten und eine ausgeglichene Geschmacksvielfalt mit süß, sauer, salzig, scharf, bitter und zusammenziehend.
  • Starten Sie die Mahlzeiten mit den süßen und sauren Speisen und beenden Sie die Nahrungsaufnahme mit bitteren und herben Substanzen, um den Sättigungseffekt
    während des Essens zu steigern und Müdigkeit und Völlegefühl im Anschluss zu vermeiden. Diese Regel lässt sich einfach mit einer süß-sauren-Suppe oder einer kleinen Süßigkeit mit Fruchtkompott als Vorspeise und einem Tee oder Kaffee als Dessert umsetzen.
  • Jede ayurvedische Mahlzeit sollte für das elementare Gleichgewicht aus vier Formen bestehen: essbar, kaubar, trinkbar und lutschbar. Diese Regel lässt sich auf kreative Weise umsetzen, in der auch auf Farbvielfalt geachtet wird: Beim Kleinkinder-Menü gibt es beispielsweise cremiges Kartoffelpüree (lutschbar) mit knackig blanchierten Brokkoli-bäumen (kaubar) im roten Linsen-Meer (trinkbar) und gerösteten Mandelsplittern (essbar).

Mit Freude an der Zubereitung und etwas Kreativität lassen sich die ayurvedischen Ernährungsprinzipien ganz leicht in das familiäre Leben integrieren. Alle Geschmacksvorlieben können mit den Regeln für das körperliche und mentale Gleichgewicht vereinbart werden.


Heft 43 – Bluthochdruck

Das Ayurveda Journal beschäftigt sich in dieser Ausgabe als Titelthema mit Bluthochdruck.